Leitsätze:
1. Folgende Mängel sind (im Einzelfall!) unerheblich und berechtigen nicht zur Mietminderung:
– schadhafte Stufen im Hausflur
– fehlender Kokosläufer im Treppenhaus
– teilweise abgeplatzte Farbe im Treppenhaus
– fehlendes Schloss am Müllplatz
– glatte Hauseingangsstufe bei Frost
– klemmendes Haustürschloss
– Ausfall der Hausnummernbeleuchtung
– Regenwasserpfützen im Kellergang
2. Lose Stäbe, Fugen und Höhenunterschiede am Parkettboden berechtigen zu 6 % Mietminderung bezogen auf die anteilige Fläche des Parkettzimmers.
3. Lässt sich der Bleigehalt durch kurzes Ablaufenlassen des Standwassers auf die nach der TrinkwasserVO unbedenklichen Werte senken, liegt kein erheblicher – die Mietminderung rechtfertigender – Mietmangel vor.
4. Dachgeschossausbau berechtigt die im Hause wohnenden Mieter während der Bauzeit zu einer durchschnittlichen Mietminderung von 20 %.
5. Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters besteht neben den Mietminderungsansprüchen und auch insoweit, als Gewährleistungsansprüche nach § 539 BGB a.F. ausgeschlossen sind. Es beläuft sich der Höhe nach auf den fünffachen Betrag einer fiktiven Minderungsquote wegen des zu beseitigenden Mangels.
LG Berlin, Urteil vom 15.3.02 – 63 S 54/00 –
Mitgeteilt von RA Hans-Joachim Gellwitzki
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
I. Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 535 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 535 Abs. 2 BGB n.F. Zahlung restlicher Mieten für die Zeit von März 1995 bis August 1999 in Höhe von insgesamt 14145,33 DM verlangen.
Die von den Beklagten geltend gemachten Mängel sind im Hinblick auf die Höhe der von ihnen geschuldeten Miete entsprechend den nachfolgenden Ausführungen zu berücksichtigen.
1. Schadhafte Stufen im Hausflur
Nach dem Vortrag der Beklagten weisen drei Stufen der Treppe abgeplatzte Stellen und Vertiefungen auf. Sie halten auf Grund der Stolpergefahr eine Minderung für begründet. Dabei wird von den Beklagten eine Reparatur durch die Kläger nicht in Abrede gestellt. Vielmehr seien die ausgebesserten Stellen immer wieder ausgebrochen. Dies stellt keinen erheblichen Mangel der Mietsache dar, der eine Minderung rechtfertigt, § 537 Satz 2 BGB. Mangels näherer Angaben zu Art, Umfang und Ausmaß der Beeinträchtigungen ist gerade unter Berücksichtigung der Reparaturen der Kläger eine durchgehende nicht unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung nicht zu erkennen.
2. Fehlender Kokosläufer im Treppenhaus
Der Läufer wurde von der Klägerin unstreitig vor Beginn der Bauarbeiten anlässlich des Dachausbaus entfernt. Darin liegt keine erhebliche Beeinträchtigung des Gebrauchs der gemieteten Wohnung. Die Komforteinbuße beim Zugang bleibt gemäß § 537 Satz 2 BGB außer Betracht. Jedenfalls fällt sie neben den Minderungsansprüchen wegen des Dachausbaus nicht weiter ins Gewicht.
3. Teilweise abgeplatzte Farbe im Treppenhaus
Auch diese lediglich optische Beeinträchtigung, die nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht auf einem insgesamt schlechten Instandhaltungszustand des Treppenhauses beruht, ist ebenfalls unerheblich im Sinne von § 537 Satz 2 BGB.
4. Müllplatz
Das fehlende Schloss begründet keine Minderungsansprüche. Insoweit besteht keine Gebrauchsbeeinträchtigung. Der sich daraus ergebende Umstand, dass, wie von den Beklagten behauptet, Dritte dort Müll ablagern, ist von der Klägerin bestritten worden. Nähere Einzelheiten zu Art, Umfang und Ausmaß sind von den Beklagten nicht vorgetragen worden, obgleich dies unter diesen Umständen erforderlich ist.
5. Feuchter Keller
Ursache für die Feuchtigkeit sind nach Angaben der Beklagten Wasserrohrbrüche. Dieser Mangel ist seit 1992 vorhanden. Insoweit sind Minderungsansprüche ab 1995 der Beklagten gemäß §539 BGB ausgeschlossen. Hierauf weist die Klägerin zu Recht hin. Soweit die Beklagten sich zur Minderung auf teilweise nur notdürftig mit Sand verschlossene Reparaturstellen berufen, fehlt hinreichendes Vorbringen zu deren Ausmaß und Umfang. Einzelne Stellen sind keine erhebliche Beeinträchtigung, §537 Satz 2 BGB, zumal nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich ist, dass sich die Stellen im Mieterkeller der Beklagten selbst befinden.
6. Mangelhafte Fenster
Die Mängel an den Fenstern sind nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bereits seit Mai 1993 vorhanden. Denn damals wurden sie bereits bei einer von ihnen veranlassten Besichtigung durch die Bauaufsicht aufgenommen. Das führt zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten nach § 539 BGB für den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
7. Glatte Hauseingangsstufe
Dass sich bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius auf der Hauseingangsstufe Glätte bildet, lässt einen Mangel der Mietsache nicht erkennen.
8. Haustürschloss
Soweit die Beklagten rügen, dass das Haustürschloss dazu neigt, sich unter bestimmten Umständen zu verklemmen, ist ein erheblicher Mangel nicht festzustellen. Die bloße Möglichkeit genügt hierzu nicht. Wann und wie oft dies tatsächlich eingetreten ist, legen die Beklagten nicht dar. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist die Eigenart des Türschlosses den Mietern bekannt und sie haben sich darauf eingestellt, indem sie nur den Türschnapper benutzen. Darin ist keine beachtliche Beeinträchtigung des Gebrauchswerts der Wohnung zu erkennen.
9. Gegensprechanlage
Soweit die Beklagten rügen, dass sie über die Gegensprechanlage nicht hören können, wer sich unten an der Tür meldet, sind Minderungsansprüche gemäß § 545 BGB schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagten den Mangel nicht angezeigt haben. Die Kläger haben den Erhalt einer entsprechenden Mängelanzeige ausdrücklich in Abrede gestellt. Die allgemeine Mängelanzeige mehrerer Mieter vom 1.12.1996 genügt insoweit nicht, denn sie enthält keine hinreichende Beschreibung des Mangels. Die Klägerin hat die Beklagten mit Schreiben vom 16.12.1996 ausdrücklich aufgefordert, nähere Angaben zu den Mängeln in den einzelnen Wohnungen zu machen.
10. Hausnummer
Auf Grund der Tatsache, dass die Beleuchtung der Hausnummer ausgefallen ist, ist eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung der Beklagten nicht zu erkennen. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Beklagten auf Grund einer bestimmten Nutzung oder anderer besonderer Umstände, die Gegenstand der mietvertraglichen Vereinbarung sind, auf eine gute Erkennbarkeit der Hausnummer auch im Dunkeln angewiesen wären. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte.
11. Wassereintritt in Keller
Soweit die Beklagten sich darauf berufen, dass bei starken wolkenbruchartigen Regenfällen Wasser in den Kellereingangsbereich läuft, ist ein Grund für eine Minderung ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Auch wenn dies sicher einen grundsätzlich zu beanstandenden Zustand darstellt, liegt darin allenfalls eine unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung. Die Wassereinwirkung hält sich ausweislich der von den Beklagten eingereichten Fotos in Grenzen und tritt überdies nur bei starken, wolkenbruchartigen Regenfällen auf. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der den Beklagten zugewiesene Kellerraum davon betroffen ist. Die bloße Behinderung des Zugangs, die nur sporadisch auftritt, ist nicht erheblich. Es fehlen auch hinreichende Angaben der Beklagten zur Häufigkeit einer derartigen Situation, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine beachtliche Einschränkung der Nutzung des Kellers, eines Nebenraums, erkennbar ist.
12. Dachundichtigkeit
Der pauschale Hinweis auf Dachundichtigkeiten lässt nicht ansatzweise erkennen, inwiefern davon die Wohnung der Beklagten betroffen worden ist.
13. Verkehrslärm
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf Minderungsansprüche wegen des in der Zwischenzeit gestiegenen Verkehrslärms. Es handelt sich hierbei um einen so genannten Anlagenfall, bei dem auf Grund der vorhandenen Lage des Hauses an Autobahn und Bahnlinie mit Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm zu rechnen war (OLG München NJW-RR 1994, 654). Dazu gehört auch ein gewisses Ansteigen in der Zukunft. Ein Mieter kann in der Regel nicht erwarten, dass sich die Beeinträchtigungen auf dem bei Vertragsabschluss vorhandenen Niveau halten. Hiergegen spricht bereits die Lebenserfahrung aus der Vergangenheit.
14. Wasserschäden im Parkettzimmer
Nach dem Vorbringen der Beklagten sind diese seit Juni 1996 aufgetreten, aber erst mit Schreiben vom 1.12.1996 der Klägerin angezeigt worden. Eine Minderung ist deswegen seit Januar 1997 vorgenommen worden. Damit haben die Beklagten die Miete wegen dieser Schäden über ein halbes Jahr lang ohne Vorbehalt gezahlt, so dass Minderungsansprüche gemäß § 539 BGB ausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass es sich ausweislich der von den Beklagten eingereichten Fotos um gerade einmal wahrnehmbare Flecken handelt, die auch vom Ausmaß nicht allzu groß waren. Dies ist nicht erheblich im Sinne von § 537 Satz 2 BGB.
15. Parkettboden
Die von den Beklagten beschriebenen Schäden am Parkettboden durch lose Stäbe, Fugen und Höhenunterschiede lassen sich auch auf den von ihnen eingereichten Fotos erkennen. Dieser Zustand des Parketts geht aber über eine bloße unerhebliche Beeinträchtigung hinaus. Gerechtfertigt ist eine Minderung von 2 %, das entspricht unter Berücksichtigung der Größe des Zimmers von 35 qm und der Gesamtgröße der Wohnung von 113 qm etwa einer Minderung von 6 % bezogen auf die anteilige Fläche des Parkettzimmers ab Januar 1997.
16. Bleirohre
Bleihaltiges Trinkwasser stellt nicht zwangsläufig einen Mangel der Mietsache dar (LG Berlin [ZK 62] GE 1996, 929; LG Hamburg MM 1991, 162). Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Bleigehalt durch kurzes Ablaufenlassen des Standwassers auf nach der TrinkwasserVO unbedenkliche Werte senken lässt. Das belegt das von den Beklagten eingereichte Messprotokoll vom 18.2.1998. Die Bleirohre waren bereits bei Vertragsbeginn vorhanden und stellen die vertragsgemäße Ausstattung dar. Zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken ist es den Beklagten zuzumuten, das Wasser morgens zunächst kurze Zeit ablaufen zu lassen. Dies stellt keine erhebliche Beeinträchtigung in einem Altbau dar.
17. Dachgeschossausbau
Unmittelbar über der Wohnung der Beklagten ist in der Zeit von Juni 1997 bis April 1998 das Dachgeschoss ausgebaut worden. Nach der ständigen Rechtsprechung ist während der Bauzeit eine durchschnittliche Minderung in Höhe von 20 % gerechtfertigt. Dies wird von der Klägerin auch zugestanden. Soweit die Beklagten eine höhere Minderungsquote reklamieren, fehlen hinreichend substantiierte Angaben zu besonderen Belastungen, die über das übliche Maß hinaus gehen. Die Klägerin hat vielmehr unbestritten darauf hingewiesen, dass eine Einrüstung des Hauses nicht erfolgt ist. Damit entfällt eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung gegenüber anderen üblichen Bauvorhaben.
Soweit nach den vorstehenden Ausführungen die Minderungsansprüche der Beklagten gemäß § 539 BGB ausgeschlossen sind, sind sie durch die Mieterhöhung zum 1.1.1996 nicht wieder aufgelebt. Diese Möglichkeit besteht zwar durchaus, doch gilt dies nur, wenn der Mieter sich dies nach Zustimmung bzw. rechtskräftigem Urteil entsprechend vorbehält. Zahlt er gleichwohl die Miete ohne Vorbehalt hinsichtlich der bislang verlorenen Minderungsansprüche weiter, kann er sich hierauf später auch weiterhin nicht mehr berufen (LG Hamburg WM 1990, 148). Ein solcher Vorbehalt ist hier nicht ersichtlich.
Neben den oben dargelegten begründeten Minderungsansprüchen steht den Beklagten jedoch weiter aus § 320 BGB ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Mängelbeseitigung zu. Dieses besteht neben den Minderungsansprüchen und auch insoweit, als Gewährleistungsansprüche nach § 539 BGB ausgeschlossen sind (OLG Naumburg WM 00, 242), und beläuft sich in der Höhe auf den fünffachen Betrag einer fiktiven Minderungsquote wegen des zu beseitigenden Mangels. Neben dem Mangel am Parkettboden, der auf Grund einer gerechtfertigten Minderung von 2 % (s.o.) ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von weiteren 10 % begründet, waren hier auch die mangelhaften Fenster in der Wohnung der Beklagten zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen H. in dem von der Kammer eingeholten schriftlichen Gutachten vom 23.7.2001 nebst Ergänzung vom 19.12.2001 weisen alle Fenster in der Wohnung der Beklagten Mängel auf. Sie sind nicht wind- und regenwasserdicht, sind erheblich verzogen und nicht ausreichend gang- und schließbar. Auch wenn Minderungsansprüche als solche ausgeschlossen sind, steht den Beklagten zur Durchsetzung ihres Herstellungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht zu. Unter Berücksichtigung einer fiktiven Minderungsquote von 5 % beläuft es sich für die Zeit ab Januar 1996 auf 25 %.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen berechnet sich die begründete Klageforderung wie aus der nachfolgenden Aufstellung ersichtlich. Im Rahmen des den Beklagten zustehenden Zurückbehaltungsrechts konnte dabei deren Verurteilung zur Zahlung der Rückstände teilweise nur Zug um Zug gegen die von der Klägerin geschuldete Mängelbeseitigung erfolgen. Soweit die Beklagten ab Juni 1997 mehr als die fällige Miete gezahlt haben, war das Zurückbehaltungsrecht auf den tatsächlichen Einbehalt beschränkt und auf die beiden Mängel (Parkett und Fenster) verhältnismäßig zu verteilen. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
20.12.2015