Leitsatz:
Eine formularvertragliche Vereinbarung, wonach es im Ermessen des Vermieters steht, Bruttokaltmieten auf Nettokaltmieten mit Vorauszahlungen und umgekehrt umzustellen, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne des § 307 BGB [= § 9 AGBG a.F.] dar und ist daher unwirksam.
AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 8.4.02 – 6 C 523/00 –
Mitgeteilt von RA Thomas Staudacher
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Eine Modifizierung der einmal vereinbarten Mietzinsstruktur kann grundsätzlich nur im Einvernehmen der Parteien herbeigeführt werden; die Umstellung der Bruttomiete auf eine Nettokaltmiete bedarf daher einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter (vgl. BGH NJW 1999, 1104; KG GE 1997, 121). Dies hat der Kläger auch nicht verkannt, als er die Beklagte mit Schreiben vom 9.7.1998 um ihr Einverständnis mit der beabsichtigten Umstellung der Bruttokaltmiete auf eine Nettokaltmiete zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung ab dem 1.8.1998 bat. Eine dahingehende Vertragsänderung ist jedoch nicht zu Stande gekommen, da die Beklagte der angekündigten Umstellung ausdrücklich schriftlich widersprochen hat.
Der Kläger kann auch nicht vor dem Hintergrund des einseitigen Änderungsvorbehaltes in § 3 Ziffer 3 des Mietvertrages die begehrten Nachzahlungen aus den Betriebskostenabrechnungen beanspruchen. Der Änderungsvorbehalt unterfällt als vom Kläger verwandte allgemeine Geschäftsbedingungen dem Anwendungsbereich des AGBG. Dem Kläger als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB sind die in seinem Betrieb ständig verwandten Regelungen auch dann zuzurechnen, wenn sie handschriftlich bzw. wie hier maschinenschriftlich in eine Leerstelle des Vertrages eingefügt werden (vgl. BGH NJW 1999, 2180). Dass es sich um eine von der Beklagten als Verbraucher eingefügte Klausel bzw. um eine Individualvereinbarung handelt, hat der Kläger nicht eingewandt.
Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach §9 AGBG nicht stand. Ein in allgemeinen Geschäftsbedingungen statuiertes einseitiges Bestimmungsrecht des Vermieters hinsichtlich der Änderung der vereinbarten Mietstruktur verstößt gegen wesentliche Grundprinzipien des gesetzlichen Leitbildes in §§ 535, 556 Abs. 1 BGB, wonach die Nebenkosten grundsätzlich vom Vermieter zu tragen sind und eine anderweitige Regelung einer ausdrücklichen vertraglichen Umlagevereinbarung der Parteien bedarf (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 61. Aufl., § 535 Rn. 87).
Der Umstellungsvorbehalt in § 3 Ziffer 3 des Vertrages ist zudem wegen Verstoßes gegen § 10 MHG nichtig, da er von § 4 MHG zu Lasten des Mieters abweicht. Zum einen setzt der Anspruch auf Entrichtung von Betriebskostenvorauszahlungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 MHG eine Vereinbarung voraus und gibt dem Vermieter mithin kein einseitiges Bestimmungsrecht, zum anderen hat die Umstellung auf eine Nettomiete zumindest in der Tendenz eine höhere Betriebskostenbelastung für den Mieter zur Folge (vgl. AG Hamburg-Blankenese, WM 1998, 418; Schmidt- Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 7. Aufl., § 10 MHG Rn. 29). …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
06.06.2018