Leitsätze:
Der Mieter darf die Miete um 5 % mindern, wenn Zigarettenrauch vom Balkon der darunter liegenden Wohnung in seine Wohnung eindringt.
LG Hamburg vom 15.6.2012 – 311 S 92/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die in der unteren Wohnung lebenden Mieter hatten auf ihrem Balkon täglich zwischen 7 und 23 Uhr circa zwei Zigaretten stündlich geraucht.
Das Landgericht Hamburg sah hierin einen Mietmangel, der zu einer 5-prozentigen Minderung berechtige, weil der Rauch in die Wohnung des oberen Mieters zog beziehungsweise dieser deshalb nicht richtig lüften konnte. Es sei nicht erforderlich, dass der Rauch vollständig in die Wohnbereiche des Mieters eindringe, um einen Mietmangel anzunehmen, da für einen Nichtraucher auch Anteile hiervon ausreichten, um einen unangenehmen Geruch zu empfinden, der – sobald er sich einmal in der Wohnung befindet – nur durch längeres Lüften wieder entfernt werden könne. Das notwendige Lüften sei aber für den Mieter nicht ohne Weiteres möglich gewesen, weil er zu jeder Zeit damit rechnen musste, dass wieder Rauch von unten heraufsteige.
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Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nicht gezahlte Mieten, der Beklagte Rückzahlung von Teilen der gezahlten Miete. Streitig sind jeweils Minderungen aufgrund des Rauchverhaltens der Mieter unterhalb der Wohnung des Beklagten.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung. Von der Gesamtmiete von 843,90 Euro monatlich zahlte der Beklagte für August 2009 712,50 Euro, für September 2009 284,00 Euro, für November 2009 284,90 Euro und für Dezember 2009 144,00 Euro zu wenig.
Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 02.11.2010 antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Rauchen auf dem Balkon gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch, sodass mehr als die Einnahme einer vermittelnden Position von dem Vermieter nicht verlangt werden könne. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
Aufgrund einer Kündigung des Mietvertrags durch den Beklagten endete das streitgegenständliche Mietverhältnis zum 31.12.2010.
Gegen das seinem Prozessvertreter am 07.12.2010 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Beklagte mit am 23.12.2010 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 03.02.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz verwiesen. Den ehemaligen Widerklageantrag zu 1. haben die Parteien unter Verwahrung gegen die Kostenlast übereinstimmend für erledigt erklärt. Den ehemaligen Widerklageantrag zu 2. hat der Beklagte umgestellt auf Rückzahlung der Miete von 20% pro Monat für das vollständige Jahr 2010.
Der Beklagte beantragt mit der am 10.02.2011 zugestellten Berufungsbegründung, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg zum Geschäftszeichen 920 C 286/09
1. die Klage abzuweisen.
2. die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an den Beklagten 2.025,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. B. und S. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2012.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in dieser Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze.
II.
1.
Die gemäß §§ 517, 520 Abs. 2, 511 Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat zum Teil Erfolg.
a) Die Klage ist nur zum Teil begründet.
(1) Die Klägerin kann für August 2009 noch 670,30 Euro, für September 2009 noch 241,80 Euro, für November 2009 noch 242,70 Euro und für Dezember 2009 noch 101,80 Euro aus § 535 Abs. 2 BGB verlangen.
Hinsichtlich der jeweils weiteren verlangten 42,20 Euro pro Monat ist die verlangte Miete nicht geschuldet, weil sie nach § 536 BGB gemindert war. Die vertraglich vorausgesetzte Gebrauchstauglichkeit war dadurch erheblich gemindert, dass die Mieter aus der Wohnung unter der des Beklagten in der streitgegenständlichen Zeit jeweils in erheblichem Maß auf ihrem Balkon rauchten und dieser Rauch in die Dachgaube und Wohnung des Beklagten zog bzw. dieser aufgrund dieses Umstands gezwungen war, eine Belüftung der Wohnung zu unterlassen.
Eine Minderung ist nicht, wie die Klägerin meint, bei rauchenden Mietern umliegender Wohnung schlechthin ausgeschlossen. Ein solcher Grundsatz existiert nicht. Höchstrichterlich entschieden ist nur die Frage von Schadensersatzansprüchen des Vermieters gegen den rauchenden Mieter (BGH, Urteil v. 28.06.2006, VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915, 2917). Hier geht es aber nicht um die Frage des Verhältnisses vom Vermieter gegen den rauchenden Mieter, sondern um das Verhältnis eines anderen Mieters gegen den Vermieter. Diese Verhältnisse sind unabhängig voneinander zu betrachten. Der Umstand, dass der Vermieter gegebenenfalls sogar verpflichtet ist, das Rauchverhalten eines Mieters als vertragsgemäßes Verhalten zu akzeptieren, führt allenfalls dazu, dass aufgrund fehlender Einwirkungsmöglichkeiten der Mangel unbehebbar sein kann. Dies hindert aber nicht den beeinträchtigten dritten Mieter daran, einen Mangel geltend zu machen, weil bei einem unverschuldeten Mangel beider Seiten nach der gesetzlichen Regelung nicht er, sondern der Vermieter den Nachteil aus der Äquivalenzstörung im Rahmen der Minderung tragen soll. Die Situation unterscheidet sich nicht von anderen Sachlagen, in denen die Mietwohnung von Immissionen betroffen ist, die keine Partei zu verantworten hat.
Ob in derartigen Fällen schlechterdings jeglicher Raucheinzug in eine Wohnung einen Mangel darstellt, kann dahinstehen, weil jedenfalls vorliegend ein erheblicher Mangel vorlag. Dies hat die Zeugenvernehmung ergeben. Die Zeugen S. und B. beide ganztägig in ihrer Wohnung lebend, haben übereinstimmend bereits angegeben, zur streitgegenständlichen Zeit jeweils 10-12 Zigaretten pro Tag geraucht zu haben, wobei der Zeuge S. angegeben hat, einige nach Möglichkeit auf dem Weg zum Einkaufen geraucht zu haben. Beide hätten nicht innerhalb der Wohnung geraucht, sondern in der Regel auf dem Balkon und zwar verteilt auf den Tag, witterungsunabhängig und jeweils getrennt voneinander. Bereits damit kommt man auf einen Zigarettenkonsum von ca. 20 pro Tag auf dem Balkon. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass der Konsum darüber lag. Bereits der Umstand, dass trotz einer erheblichen Lungenerkrankung der Zeugin B. diese nicht vollständig auf das Rauchen verzichtete, sondern genau wie ihr Mann das Rauchen nur reduziert haben will, lässt bezweifeln, dass der Tageskonsum sich tatsächlich auf 10-12 Zigaretten beschränkte. Ein erhöhter Konsum ist auch von dem Zeugen S. bestätigt worden, der von einem Konsum von 5-6 Zigaretten pro Stunde ausgegangen ist. Dies wiederum scheint der Kammer ebenfalls übertrieben und kann sowohl auf einer überspitzten Wahrnehmung aufgrund des Störungsempfindens als auch auf vereinzelte verstärkte Nutzungen zurückzuführen sein. Obwohl keiner der Zeugen den Eindruck einer bewussten Lüge gemacht hat, geht deshalb im Ergebnis die Kammer von einer Untertreibung der Zeugen S. und B. und einer Übertreibung des Zeugen S. aus. Allerdings vermag die Kammer nicht weiter zu gehen, als einen Konsum von durchschnittlich (mit Tendenz zu weniger) stündlich zwei Zigaretten im Zeitraum von ca. 7 Uhr morgens bis höchstens 23 Uhr für bewiesen zu erachten.
Die Kammer geht ebenfalls davon aus, dass damit eine erhebliche Störung des Beklagten verbunden war. Bei normalen Witterungsverhältnissen ist davon auszugehen, dass der Rauch nach oben zieht und sich deshalb jedenfalls ein Teil des Rauchs in der Dachgaube des Beklagten verfängt und bei geöffnetem Fenster in die Wohnung dringt. Es ist nicht erforderlich, dass der Rauch vollständig in die Wohnbereiche des Beklagten eindringt, um eine Störung anzunehmen, da für einen Nichtraucher auch Anteile hiervon ausreichen, um einen unangenehmen Geruch zu empfinden, der – sobald er sich einmal in der Wohnung befindet – nur durch längeres Lüften wieder entfernt werden kann. Genau dies war aber für den Beklagten nicht ohne Weiteres möglich, weil er zu jeder Zeit damit rechnen musste, dass Rauch von unten heraufsteigt und daher sein Lüftungsverhalten und die Nutzung der Dachgaube beeinträchtigt war. Aus den genannten Gründen ist auch bei geringfügigem Wind von einer weiter bestehenden, ggf. leicht verminderten Belastung auszugehen, allenfalls bei stärkerem konstanten Wind dürfte die Belastung des Beklagten gering gewesen sein.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hält die Kammer im Wege der Schätzung eine durchgehende Minderungsquote von 5% für angemessen. Ein weitergehender Einbehalt der Miete stand dem Beklagten nicht zu. Die Aufrechnung mit etwaigen zuviel gezahlten Mieten aus anderen Monaten hat er nicht erklärt.
Die Zinsforderung resultiert aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des über die Minderung hinausgehenden Betrags hat der Beklagte zu keiner Zeit geltend gemacht.
2. Die noch streitgegenständliche Widerklage – auch die diesbezügliche Änderung des Klageantrags nach § 264 Nr. 3 ZPO – ist zulässig. Sie ist aber ebenfalls nur zum Teil begründet.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Mieten für das Jahr 2010 in Höhe von 506,40 Euro aus § 812 Abs. 1 BGB.
Der Betrag resultiert aus den gemäß § 536 BGB nicht geschuldeten Mieten in Höhe von monatlich 42,40 Euro für Januar bis Dezember 2010. Da von einer durchgehend gleichbleibenden Situation der Rauchbelastung auch für das Jahr 2010 auszugehen ist, geht die Kammer auch für diesen Zeitraum von einer Minderungsquote von 5 % aus. Dementsprechend war die weitergehende Widerklage abzuweisen.
Der Zinsanspruch resultiert aus § 291, 288 Abs. 1 BGB.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und § 91a ZPO. Hierbei ist für die 1. Instanz von einem Streitwert von 10.701,12 Euro auszugehen (1.587,00 Euro Klage; 2.025,36 Euro Widerklageantrag zu 1.; 7.088,76 Euro Widerklagantrag zu 2.), für die 2. Instanz von einem fiktiven Streitwert von 4.337,46 Euro (1.587,00 Euro Klage; 2.025,36 Euro Widerklage zu 2., die nur noch reduziert geltend gemacht worden ist; 725,10 Euro Kosteninteresse hinsichtlich des erledigten Widerklageantrags zu 1., welches bei der Streitwertfestsetzung wegen § 43 Abs. 1, 3 GKG nicht zu berücksichtigen ist).
Bei der Kostenverteilung ist das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens bei der Klage und Widerklage zu berücksichtigen. Hinsichtlich der erledigten Instandsetzungsklage trägt die Klägerin die Kosten gemäß § 91a ZPO. Der Beklagte hatte aufgrund des Mangels einen Beseitigungsanspruch; dass der Klägerin eine Beseitigung etwa durch geeignete technische Maßnahmen zur Umleitung des Rauchabzugs nicht möglich oder nicht zumutbar war, hat diese nicht dargelegt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zuzulassen.
14.06.2017