Leitsätze:
1. Die lnstandsetzungsverpflichtung des Vermieters umfasst auch die Wiederanbringung eines Balkones.
2. Der Instandsetzungsanspruch kann nicht nach § 536 b BGB verwirken. Die Verwirkung des Anspruchs nach § 242 BGB setzt voraus, dass neben dem Zeitmoment das so genannte Umstandsmoment vorliegt.
LG Berlin, Urteil vom 13.5.02 – 62 S 525/01 –
Mitgeteilt von RAin Susanne Wiesinger & RA Oliver Nawrot
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Instandhaltungsverpflichtung des Vermieters umfasst auch die Wiederanbringung eines Balkons (LG Berlin, Urteil vom 22.6. 1995 – 62 S 58/95 – GE 1995, 1013). Im Übrigen kann auf das angefochtene Urteil Bezug genommen werden.
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. § 536 b BGB n.F. lässt schon seinem Wortlaut nach Instandsetzungsansprüche unberührt, eine analoge Anwendung der Vorschrift auf solche Ansprüche kommt nicht in Betracht (vgl. LG Berlin, Urteil vom 21.4.1997 – 62 S 158/96 MM 1997, 235 zu § 539 BGB a.F.).
Eine Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Frage, ob eine Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung anzunehmen ist, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab; deren Würdigung ist Sache des Tatrichters (BGH, Urteil vom 6.12. 1988 – XI ZR 19/88 – BGHR BGB § 242 Verwirkung 7 m.N.). Der Ablauf eines längeren Zeitraumes, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist, genügt im Allgemeinen allein nicht zur Annahme der Verwirkung. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH, NJW 1982, 1999 = LM § 1361 BGB Nr. 30). Es ist schon fraglich, ob die erste dieser Voraussetzungen – das Unterlassen der an sich möglichen Geltendmachung des Rechts während einer längeren Zeitspanne – hier angenommen werden kann. Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGH NJW 1984, 1684). Voraussetzung ist hierbei, dass zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (vgl. BGHZ 105, 290 (298). Hierfür ist nichts ersichtlich. Dass die Kläger Mieterhöhungen nach §2 MHG zugestimmt haben, ist irrelevant, denn behebbare Mängel sind in diesem Mieterhöhungsverfahren nicht zu berücksichtigen (OLG Stuttgart GE 1981, 867). Die Weiterzahlung der vollen Miete ist ebenfalls irrelevant, dies könnte nach den obigen Ausführungen allenfalls eine Minderung ausschließen. Über eine solche ist hier nicht zu entscheiden. Ob der Balkon aus der Wohnflächenberechnung herausgenommen worden ist, ist irrelevant. Dies hieße nicht, dass die Kläger auf einen Balkon verzichtet haben. Aus der vorgenannten Modernisierungsvereinbarung ergibt sich nichts für einen Verzicht auf einen Instandsetzungsanspruch. Die Ansicht, das Umstandsmoment sei erfüllt, weil die Kläger ein gebotenes Tun – Geltendmachung ihrer Rechte – nicht vorgenommen hätten, ist wenig überzeugend. Wenn die Kläger längere Zeit nichts unternehmen, ist dies eine Frage des Zeitmoments.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 II 1 ZPO nicht vorliegen.
05.05.2018