Leitsatz:
Der Mieter schuldet keine Durchführung der Schönheitsreparaturen, wenn er neben der Überbürdung der laufenden Schönheitsreparaturen formularvertraglich verpflichtet wird, bei Auszug die Wohnung „in einem bewohnbaren tadellosen Zustand“ zu übergeben.
LG Berlin, Urteil vom 29.6.04 – 63 S 34/04 –
Mitgeteilt von RA Christian Emmerich
Urteilstext
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB n.F. wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietverhältnis Zahlung von 247,08 Euro verlangen. Denn die Beklagte ist der ihr im Rahmen der Rückgabe der Wohnung obliegenden Pflicht, die Wohnung in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben, nicht nachgekommen, indem sie von ihr eingebaute Gardinenbretter und Rollstuhlrampen sowie eine defekte Fensterscheibe zurückgelassen hat. Sie hat deshalb die hierfür von der Klägerin aufgewandten Kosten gemäß Positionen 11.001 bis 11.003 der Rechnung der Fa. … vom 22. Juli 2003 einschließlich Umsatzsteuer zu erstatten.
Weitergehende Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
Soweit die Klägerin Ersatz der Kosten für die Entfernung des Teppichbodens verlangt, ist sie dem Vorbringen der Beklagten, diesen nach der Besichtigung der Wohnung am 14. März 2003 innerhalb der mit Schreiben vom 7. April 2003 bis zum 22. April 2003 gesetzten Frist entfernt zu haben, nicht entgegengetreten. Die bloße Vorlage der Rechnung der Fa. … vom 22. Juli 2003, die ohne jede Änderungen auf dem Kostenangebot vom 14. März 2003 auf der Grundlage der damaligen Besichtigung beruht, ersetzt keinen konkreten Sachvortrag der Klägerin, der auf das Vorbringen der Beklagten eingeht.
Darüber hinaus schuldet die Beklagte keinen Ersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB n.F., denn sie war hierzu auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen nicht verpflichtet. Die Vereinbarungen, die insoweit eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 536 BGB a.F. bzw. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. vorsehen, sind unwirksam. Sie verstoßen gegen § 9 AGBG bzw. § 307 BGB n.F. Zwar ist die Überbürdung der laufenden Schönheitsreparaturen auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen regelmäßig zulässig. In Verbindung mit der zusätzlichen Vereinbarung in der Anlage zum Mietvertrag, wonach die Wohnung bei Auszug „in einem bewohnbaren tadellosen Zustand“ zu übergeben ist, erfolgt jedoch eine unangemessene Benachteiligung. Denn die Beklagte wird hierdurch neben den laufenden Schönheitsreparaturen auch zu einer Endrenovierung unabhängig von etwa zuvor turnusmäßig vorgenommenen Schönheitsreparaturen verpflichtet.
Insbesondere aus der Verwendung des Wortes „tadellos“ im Zusammenhang mit der Beschreibung des Zustands der Wohnung im Zeitpunkt der Rückgabe ergibt sich, dass nicht nur ein normaler unter Berücksichtigung der laufenden Schönheitsreparaturen üblicher, sondern ein vollkommener Zustand geschuldet wird. Dieser wird nur erreicht, wenn die Wohnung vor Auszug frisch renoviert wird. Denn jede Nutzung einer Wohnung führt regelmäßig zu mehr oder weniger starken Abnutzungen, welche der Annahme eines tadellosen, d.h. vollkommenen Zustands entgegenstehen. Bei dieser Auslegung war ein strenger Maßstab anzulegen, denn Zweifel bei der Beurteilung der dem Vertragspartner des Verwenders obliegenden Verpflichtungen gehen im Zweifel zu Lasten des Verwenders, § 5 AGBG bzw. § 305 c Abs. 2 BGB n.F.
Das Zusammentreffen der Verpflichtung zur Vornahme sowohl der laufenden Schönheitsreparaturen als auch einer Endrenovierung bei Rückgabe der Wohnung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, denn ihm wird hierdurch die Beseitigung von Abnutzungen auferlegt, die über den Zeitraum seiner tatsächlichen Nutzung hinausgehen (BGH NJW 2003, 2234 = GE 2003, 944). Eine Einschränkung dahin, dass der Mieter die Endrenovierung nur dann vornehmen muss, wenn die (üblichen) Fristen seit der Ausführung der letzten Schönheitsreparaturen bei Vertragsende bereits abgelaufen sind (vgl. BGH WM 1998, 592 = GE 1998, 1146), enthält die hier streitgegenständliche Regelung nicht. Auf Grund des Summierungseffekts führen beide Regelungen in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters. Zwar sind die Regelungen räumlich voneinander getrennt. Sie müssen jedoch, weil sie sich insgesamt mit der Renovierungspflicht des Mieters befassen, ihrer gemeinsamen Bestimmung gemäß als zusammengehörig betrachtet werden. Das gilt unabhängig davon, ob die Regelung der Verpflichtung zur Endrenovierung in der Anlage zum Mietvertrag als Formularklausel oder als Individualvereinbarung anzusehen ist. Bei der Prüfung einer Klausel nach § 9 AGBG bzw. § 307 BGB n.F. ist der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individualteile zu würdigen (BGH WM 1993, 175 = NJW 1993, 532 m.w.N.).
Ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Mietausfalls steht der Klägerin nicht zu. Angesichts des Umfangs der von der Beklagten zurückgelassenen Gegenstände stehen diese einer unverzüglichen Neuvermietung nicht entgegen und sind deshalb für einen Mietausfall nicht kausal. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, dass ihr für die fragliche Zeit ein Nachmieter zur Verfügung gestanden hat und sie danach in dem hier geltend gemachten Zeitraum voraussichtlich Mieteinnahmen erzielt hätte. …
10.03.2013