Leitsätze:
1. Eine Formularklausel zur Abwälzung von Schönheitsreparaturen ist insgesamt unwirksam, wenn sie zugleich auch dem Mieter den Außenfensteranstrich aufbürdet.
2. Der Mieter schuldet keine Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache, wenn der Vermieter selbst zu Unrecht von einer längeren Kündigungsfrist des Mietverhältnisses ausgeht und deshalb das Mietobjekt nicht zurücknimmt.
LG Berlin, Urteil vom 11.6.04 – 65 S 406/03 –
Mitgeteilt von RA Hans-Joachim Gellwitzki
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet und war im Übrigen zurückzuweisen. Die Berufung der Klägerin ist demgegenüber unbegründet.
Soweit das Amtsgericht der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen unterlassener bzw. schlecht durchgeführter Schönheitsreparaturen zuerkannt hat, ist die Berufung des Beklagten begründet, soweit die Klägerin mit ihrer Berufung die Zahlung weiteren Schadensersatzes wegen unterlassener bzw. schlecht durchgeführter Schönheitsreparaturen verlangt, ist ihre Berufung unbegründet. Der Klägerin stehen nämlich gegenüber dem Beklagten keine Schadensersatzansprüche wegen unterlassener bzw. schlecht durchgeführter Schönheitsreparaturen zu, weil die Überbürdung der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Beklagten im Mietvertrag vom 18. September 1997 unwirksam ist. Dies ergibt sich daraus, dass im Mietvertrag unter § 3 Nr. 6 maschinenschriftlich aufgenommen wurde „auch Außenfensteranstrich“. Nach der vor dem erkennenden Gericht durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Zusatz im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG a.F. bzw. § 305 Abs. 1 BGB ausgehandelt wurde, so dass die hierdurch vereinbarte Überwälzung der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Beklagten insgesamt gegen § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 Abs. 1 und 2 BGB verstieß und damit insgesamt unwirksam ist. Gemäß § 28 II. BV gehören zu den Schönheitsreparaturen hinsichtlich der Fenster nur deren Innenanstrich, so dass die Überbürdung des Außenfensteranstriches sich als unangemessene Benachteiligung darstellt (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 538 Rdnr. 76). Insoweit ist die Überbürdung des Außenfensteranstriches auch nicht von den übrigen Schönheitsreparaturen trennbar mit der Folge, dass deren Überbürdung wirksam bliebe. Die Überbürdung des Außenfensteranstrichs ist von der Überbürdung der Schönheitsreparaturen nämlich nicht trennbar, weil es sich insoweit nicht um einen unabhängigen Zusatz handelt, sondern um eine einheitliche Überbürdung (vgl. auch Urteil des LG Berlin (ZK 67), GE 2001, 1674, das nicht nur auf die dort hinzutretende unzureichende Fristenregelung abstellt).
Nach der vor dem erkennenden Gericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zu dessen Überzeugung fest, dass der maschinenschriftliche Zusatz zwischen den Mietvertragsparteien nicht verhandelt worden ist. Insoweit ist die Klägerin, die das Vorliegen einer ihr günstigen Individualvereinbarung hätte beweisen müssen, beweisfällig geblieben. Bereits der von ihr benannte Zeuge G. hatte keine konkreten Erinnerungen mehr darüber, wie der Passus „auch Außenfensteranstrich“ in den Mietvertrag hereingekommen ist. Er konnte insoweit nur Schlussfolgerungen ziehen, indem er der Auffassung war, dass es Verhandlungen gegeben haben müsse, weil es sich insoweit nicht um eine Standardklausel der Hausverwaltung der Klägerin gehandelt habe. Darüber hinaus hat er zwar angegeben, seinerzeit eine Notiz gefertigt zu haben, in der er auch notiert habe, dass der Außenanstrich der Fenster in den Mietvertrag aufgenommen werden solle, von wem diese Anregung gekommen sei und von wann diese Notiz stammt, konnte der Zeuge jedoch nicht mehr angeben und konnte insoweit ebenfalls mangels konkreter Erinnerung nur Vermutungen anstellen. Diese sind dann durch die Zeugen H. und K.S. nicht bestätigt worden. Soweit die Mutter des Beklagten bei Wohnungsbesichtigungen bzw. bei der Unterzeichnung des Mietvertrages zugegen war, hat sie Gespräche über den Inhalt der durchzuführenden
Schönheitsreparaturen nicht mitbekommen. Bei der ersten Besichtigung sei es nur um ein Ansehen der zur Anmietung bereitstehenden Wohnungen gegangen, ohne dass überhaupt schon eine Entscheidung für oder gegen eine Wohnung getroffen gewesen sei und bei der Unterzeichnung des Mietvertrages sei gar nicht mehr weiter über dessen Inhalt gesprochen worden. Es sei lediglich um Geld (Kaution, Scheckübergabe) gegangen. Auch der Vater des Beklagten, der diesem entscheidend bei der Wohnungssuche und sodann bei deren Renovierung geholfen hat, hat ausdrücklich und überzeugend bekundet, dass bei der Wohnungsbesichtigung angesichts des Zustandes der Wohnung nur über die – zwischen den Parteien unstreitige – Vereinbarung einer Mietfreiheit und deren Länge verhandelt worden sei. Diese Verhandlungen konnte er im Einzelnen schildern und erinnerte sich genau daran, dass darüber, was in der Wohnung zu machen sei, nicht gesprochen worden sei. Auch wenn der Zeuge S. der Vater des Beklagten ist, macht dies seine Aussage nicht unglaubhaft. Selbst wenn man berücksichtigt, dass er als Vater eine nähere Beziehung zum Beklagten hat als der Zeuge G. und darüber hinaus den Beklagten erstinstanzlich sogar als Prozessbevollmächtigten vertreten hat, so ist es nachvollziehbar, dass der Zeuge S., für den der Umzug seines Sohnes einem Einzelfall gleichkommt, an diesen und seine Umstände genauere Erinnerungen hat, als der Zeuge G., der schon auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit ständig mit Wohnungsvermietungen und Abschlüssen von Mietverträgen zu tun hat. Die Aussage des Zeugen G. war demnach zwar nicht unglaubwürdig, für den Beweis einer Individualvereinbarung jedoch nicht ausreichend.
Soweit die Klägerin darüber hinaus die Nettomiete von 186,89 Euro für Oktober 2002 geltend macht, ist die Berufung der Klägerin unbegründet, denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin hierauf keinen Anspruch hat. Zwar kann insoweit entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht von einem Annahmeverzug der Klägerin ausgegangen werden, denn die Erfüllung der Rückgabeverpflichtung setzt voraus, dass sämtliche Wohnungsschlüssel zurückgegeben werden, mit der Folge, dass dann, wenn keine Vereinbarung über einen Übergabetermin zu Stande kommt, ein tatsächliches Angebot im Sinne von § 294 BGB erforderlich wird. Als ein solches stellt sich das Schreiben des Beklagten vom 19. September 2002 indes nicht dar, denn hiermit bat er lediglich um einen Termin für eine Übergabebesichtigung. Es ist zudem nichts dafür ersichtlich, warum der Beklagte die Wohnungsschlüssel nicht schon vorher – auch ohne einen vereinbarten Übergabetermin – bei der Hausverwaltung hätte übergeben können. Allerdings scheidet eine Nutzungsentschädigung deshalb aus, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte die Wohnung der Klägerin vorenthalten hat. Die Hausverwaltung hat nämlich mit Schreiben vom 20. November 2002 gegenüber dem Beklagten selbst mitgeteilt, dass sie das Mietverhältnis erst als zum 31. Oktober 2002 beendet ansieht. Solange ein Vermieter jedoch das Mietverhältnis nicht einmal als beendet ansieht, will er auch keine Räumung der Wohnung verlangen, so dass keine Vorenthaltung der Mietsache durch den Mieter vorliegt (vgl. Gather in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 546 a Rdnr. 19). …
31.12.2016