Leitsätze:
1. Ein anderer als der Vermieter kann bei der Wohnraummiete nicht aus abgetretenem Recht eine ordentliche Kündigung aussprechen.
2. Die Absicht, das Wohnhaus zu modernisieren, gibt dem Vermieter grundsätzlich kein Recht zur Kündigung des Mietverhältnisses.
3. Hat der Erwerber eines Mietgrundstücks sich im Kaufpreis verkalkuliert, stellt dieser Umstand kein berechtigtes Interesse zur Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.
AG Mitte, Urteil vom 17.8.04 – 2 C 126/04 –
Mitgeteilt von RAin Petra Petersen
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung auf dem Grundstück B.-Straße in Berlin. Er hat diese auf Grund eines schriftlichen Mietvertrages mit der früheren Eigentümerin, der Wohnungsbaugesellschaft M…, mit Datum vom 22.4.1997 angemietet. Die derzeitige Eigentümerin und damit Rechtsnachfolgerin als Vermieterin ist die H.-Vertriebs Gesellschaft mbH. Diese hat mit der Klägerin einen notariellen Kaufvertrag über den Verkauf des Grundstücks abgeschlossen. Bei Vertragsschluss nannte sich die Klägerin „B.-GmbH & Co. B.-Straße KG“. Sie firmierte inzwischen jedoch um in die im Rubrum angegebene Bezeichnung. Die Klägerin ist bisher nicht als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden.
Die Klägerin beabsichtigt, umfangreiche Bauarbeiten auf dem Grundstück durchzuführen, um das Gebäude und die Wohnungen grundlegend zu sanieren sowie im Dachgeschoss neuen Wohnraum zu schaffen.
Der Beklagte bewohnt eine Wohnung im Quergebäude des Grundstücks. Er zahlt derzeit eine Quadratmeter-Miete von 1,96 Euro. Bei seinem Einzug hatte er sich gegenüber der damaligen Vermieterin verpflichtet, umfangreiche Arbeiten in der Wohnung durchzuführen. Er hatte dabei die Elektroanlage repariert sowie Heizquellen geschaffen bzw. repariert, die Dielen aufgearbeitet und abgeschliffen und den Fußboden im Flur repariert und weitere Instandsetzungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt entsprechend der als Werkvertrag bezeichneten Anlage zum Mietvertrag, auf die Bezug genommen wird.
Die Klägerin hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 29.10.2003 zum 30.4.2004 gekündigt. Auf den Inhalt des Kündigungsschreibens vom 29.10.2003 wird Bezug genommen. Als Begründung hat die Klägerin angeführt, dass sie das Gebäude umfassend sanieren wolle, da es in seinem derzeitigen Bestand keine ausreichende wirtschaftliche Nutzung garantiere.
Da der Beklagte der Kündigung widersprochen hat, beantragt die Klägerin mit der vorliegenden Klage nunmehr Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Sie trägt vor, die Bausubstanz des gesamten Gebäudes sei dringend sanierungsbedürftig, die von den unterschiedlichen Nutzern durchgeführten Sanierungsmaßnahmen seien in ganz unterschiedlicher Qualität ausgeführt worden. Um eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes zu erreichen, müsste dieses grundlegend saniert und mit zusätzlichen Wohnungen im Dachgeschoss, Balkonen sowie einer Aufzugsanlage ausgestattet werden. Auf der Basis der bestehenden Mietverhältnisse sei das Gebäude auch nach Modernisierung nicht rentabel zu bewirtschaften.
Sie ist der Ansicht, sie sei trotz des fehlenden Eintrags im Grundbuch berechtigt, das Mietverhältnis im eigenen Namen zu kündigen, denn die bisherige Eigentümerin habe sie mit Erklärung vom 27.10.2003 ermächtigt, im eigenen Namen die bestehenden Mietverhältnisse zu kündigen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die von ihm im Hause B.-Straße in Berlin innegehaltene, im 3. OG rechts des Quergebäudes gelegene Wohnung, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Bad/WC und den dazu gehörenden Kellerraum zum 30.4.2004 geräumt an die Klägerin zu Händen ihrer Hausverwaltung zu übergeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zunächst bestreitet der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin. Die vorgelegte Ermächtigungserklärung sei nicht ausreichend identifizierbar, insbesondere lasse sich nicht erkennen, wer diese Ermächtigungserklärung ausgestellt habe. Darüber hinaus sei die Abtretung des Rechtes der jetzigen Vermieterin nicht möglich. In deren Person seien keine Kündigungsgründe entstanden.
Im Übrigen ist der Beklagte der Ansicht, ein schutzwürdiges Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses sei auch im Hinblick auf die Klägerin nicht gegeben. Diese habe das Grundstück zu einem sehr geringen Kaufpreis erworben, der den Zustand ausreichend berücksichtigt habe. Sie habe damit durch den von ihr beschriebenen Zustand des Gebäudes keinerlei wirtschaftliche Nachteile, denn der Kaufpreis habe diesen Zustand entsprechend berücksichtigt. Im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin sei seine Wohnung nicht in dem beschriebenen Umfang sanierungsbedürftig, da er selbst bereits 3 Fenster durch Thermopenfenster ersetzt und die Wohnung insgesamt malermäßig instandgesetzt habe.
Durch die Kündigung versuche die Klägerin ein Spekulationsgeschäft zu verwirklichen, obwohl sie das Gebäude in Kenntnis der vorhandenen Mietverhältnisse erworben habe. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann Räumung und Herausgabe der Wohnung vom Beklagten nicht verlangen, denn durch die Kündigung der Klägerin vom 29.10.2003 ist der Mietvertrag des Beklagten nicht wirksam beendet worden.
Unstreitig ist die Klägerin bisher nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden, da ihre Eintragung im Grundbuch noch nicht erfolgt ist. Damit ist sie auch nicht als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis mit dem Beklagten eingetreten. Das Recht, die Wohnung zu kündigen, steht jedoch nur der Vermieterin des abgeschlossenen Mietvertrages zu.
Der Vortrag der Klägerin, die derzeitige Vermieterin, die H.-Gesellschaft, habe sie ermächtigt, im eigenen Namen zu kündigen, ist nicht geeignet, eine wirksame Beendigung des Mietvertrages anzunehmen. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur das Recht, einzelne Rechte aus einem Mietvertrag abzutreten, umstritten. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um einen Wohnungsmietvertrag, der ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Mietparteien zu Grunde legt und für den unter dem Gesichtspunkt des sozialen Mietrechts auch ein wesentlich umfangreicherer Kündigungsschutz besteht als für gewerbliche Mietverträge, so dass die vom Bundesgerichtshof 1997 getroffene Feststellung, dass eine wirksame Ermächtigung in der Abtretung eines Kündigungsrechtes zu sehen sei, für Wohnraummietverträge anders als im entschiedenen Fall, bei dem es um ein Gewerbemietverhältnis ging, nicht anzuwenden ist (vgl. dazu BGH in NJW 1998, S. 896 ff.). Im vorliegenden Fall ist dabei zu bedenken, dass dem Vermieter die Kündigung der Wohnung gemäß § 573 BGB nur bei bestimmten eigenen Interessen im Ausnahmefall möglich ist. Wenn der Vermieter dieses Recht zur Geltendmachung an den Erwerber bereits vor dessen Eintritt in das Mietverhältnis abtritt bzw. wie im vorliegenden Fall ihn zur Kündigung im eigenen Namen ermächtigt, so muss das ausnahmsweise bestehende Recht zur Kündigung auch in der Person des derzeitigen Vermieters vorhanden sein, damit er im Rahmen der Ermächtigung über dieses Recht auch verfügen kann. Die Kündigungsgründe der Klägerin, ein besonderes Verwertungsinteresse gemäß § 573 Abs. 2 Ziffer 3 BGB, bestehen jedoch in der Person der derzeitigen Vermieterin nicht, denn diese hat durch den Abschluss des Kaufvertrages mit der Klägerin gezeigt, dass sie durch die bestehenden Mietverhältnisse nicht an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert war, denn sie hat offensichtlich das Grundstück zu einem von ihr als angemessen angesehenen Preis veräußert und damit tatsächlich verwertet. Die Ermächtigung umfasst jedoch nicht das Recht der Klägerin aus Gründen zu kündigen, die in ihrer Person nachträglich entstanden sind, weil ein solches Recht von der Vermieterin gar nicht weitergegeben bzw. über dieses auch nicht verfügt werden kann.
Aber auch im Falle einer wirksamen Ermächtigung bzw. ihrer Rechtsnachfolge in das Mietverhältnis ist die Klägerin nicht berechtigt, gemäß § 573 Abs. 2 Ziffer 3 BGB den Mietvertrag durch Kündigung zu beenden. Unstreitig will die Klägerin das vorhandene Gebäude sanieren und modernisieren. Der Fortbestand des Mietverhältnisses mit dem Beklagten verhindert diese Art der Verwertung jedoch nicht, denn gemäß § 554 BGB ist der Mieter bei bestehendem Mietverhältnis verpflichtet, die rechtzeitig angekündigten Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu dulden. Für die geplanten Sanierungsmaßnahmen sieht das Gesetz damit eigene rechtliche Sanktionen vor, die eine Beendigung des Mietverhältnisses nicht erforderlich machen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich für die Wohnung des Beklagten auch nicht, dass die geplanten Maßnahmen bei Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht möglich sind (vgl. dazu LG Berlin in GE 1999, S. 1429; LG Augsburg in WM 1992 S. 614).
Aber auch die Ansicht der Klägerin, nach erfolgter Modernisierung und der daraus möglichen Erhöhung der Miete lasse sich eine angemessene wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes nicht erzielen, ist nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietvertrages zu begründen. Die Klägerin kannte bei Abschluss des Kaufvertrages sowohl die vorhandenen Mietverhältnisse als auch den Zustand des Gebäudes. Ganz offensichtlich haben beide Tatsachen die Höhe des Kaufpreises beeinflusst. Falls die Klägerin sich insoweit in ihrer Kalkulation verrechnet hat, kann dieses Risiko nicht auf Kosten der vorhandenen Mieter gehen. Auch wenn sie das Ausmaß der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen nicht ausreichend geprüft hat oder dieses mangels ausreichender Prüfung für sie nicht erkennbar war, so trägt sie dennoch das Risiko für eine falsche wirtschaftliche Erwartung (Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 573 BGB Anmerkung 154 f.).
Auch die nach der gesetzlichen Regelung erforderlichen erheblichen Nachteile der Klägerin sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Klägerin hat das Grundstück, bei durchschnittlicher kaufmännischer Planung, die ihr unterstellt werden muss, in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit erworben. Insbesondere waren ihr auch beim Kauf die zu diesem Zeitpunkt erzielten Mieteinnahmen bekannt und sie hätte insoweit auch errechnen können, in welcher Weise sie nach Modernisierung diese Einnahmen steigern könnte. Wenn sie nunmehr den wirtschaftlichen Wert des Gebäudes für die Zukunft dadurch steigern will, dass sie die bestehenden Mietverhältnisse kündigt, so will sie damit einen Wert erzielen, der ihr zum Zeitpunkt des Kaufvertrages und damit auch bei Berechnung des Kaufpreises nicht zur Verfügung gestanden hat. Insoweit liegt eindeutig ein Spekulationsgeschäft auf Seiten der Klägerin vor, für das ihr kein berechtigtes Interesse zusteht, das ihr aber, wenn sie es nicht durchführen kann, auch nicht als erheblicher Nachteil angerechnet werden kann (vgl. dazu KG in GE 2002, S. 395; Herrlein in Herrlein-Kandelhard, Mietrecht, 2. Auflage, Anmerkung 46 zu § 573). Insgesamt kannte die Klägerin die Situation des von ihr erworbenen Gebäudes einschließlich der Interessen der dort vorhandenen Mieter. All dieses ist im Rahmen eines Kündigungsrechtes zu berücksichtigen mit dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin auch nach Eigentumserwerb mit den hier vorgetragenen Gründen nicht gegeben ist. …
Anmerkung:
Zu LS 1: ebenso LG München I WM 99, 161; zu Gewerberaummietverhältnissen grundlegend: BGH vom 10.12.97 – XII ZR 119/96 – WM 98, 99; GE 98, 176; NJW 98, 896
10.03.2013