Leitsätze:
1. Folgender Instandsetzungsantrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: „Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, seine Wohnung in der G.-Str. 23, Berlin, zweites Quergebäude, viertes OG links, durch geeignete Maßnahmen derart instandzusetzen, dass der (Luft-)Schallschutz zwischen seiner Wohnung und der daneben liegenden Nachbarwohnung im Seitenflügel den Anforderungen nach der DIN 4109, Ausgabe 1989, ‚Schallschutz im Hochbau‘, entspricht.“
Nicht erforderlich ist, dass in dem Antrag die konkreten Baumaßnahmen zur Beseitigung des Mangels angeführt werden. Abgesehen davon, dass der Mieter dem Vermieter den Weg der Mängelbeseitigung nicht vorschreiben kann, geht das entsprechende Wahlrecht erst im etwaig durchzuführenden Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Mieter über (§ 887 ZPO). Erst im Zwangsvollstreckungsverfahren muss der Mieter daher die konkrete Mängelbeseitigungsmaßnahme näher bezeichnen.
2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob sich eine Mietwohnung in luftschallschutzmäßiger Hinsicht in vertragsgemäßem Zustand nach § 535 Abs. 1 BGB befindet, sind nicht diejenigen DIN-Vorschriften, die bei Abschluss des Mietvertrags galten. Maßgebend ist vielmehr der (Luft-)Schallschutzstandard, der im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galt (hier: DIN 4109, Ausgabe 1944).
3. Zwar sind gerade in einem Altbau typische Wohngeräusche wie zum Beispiel Fernsehen, Unterhaltung und Schrittgeräusche grundsätzlich hinzunehmen. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn die Geräuschbelästigung unzumutbar ist. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Sprache bei normaler Sprechweise in der Nachbarwohnung verstehbar ist.
AG Mitte, Urteil vom 26.8.04 – 16 C 5001/04 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger begehrt von den Beklagten Maßnahmen zur Verbesserung des Luftschallschutzes in seiner Wohnung.
Durch schriftlichen Mietvertrag vom 12.5.1999 hatte der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten die im Urteilstenor genannte Wohnung gemietet. Die Wohnung liegt in einem Altbaugebäude. Mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 22. und 28.5.2001 sowie 12.6.2001 zeigte der Kläger der Rechtsvorgängerin an, dass der (Luft-)Schallschutz der Wohnungstrennwand zur Nachbarwohnung im Seitenflügelgebäude unzureichend sei.
Der Kläger behauptet, die Trennwand sei in den 70er oder 80er Jahren infolge einer Grundrissänderung neu gezogen worden und nicht massiv genug. In seiner Wohnung seien daher alle wohnungstypischen Geräusche, insbesondere auch normale Gespräche und der Fernseher aus der Nachbarwohnung nahezu ungedämmt zu vernehmen. Er meint, für den Luftschallschutz sei zumindest die DIN 4109, Ausgabe 1989, einzuhalten, da diese einen unbedingt einzuhaltenden Mindeststandard gewähre.
Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, seine Wohnung in der G.-Straße in Berlin, zweites Quergebäude, viertes OG links, durch geeignete Maßnahmen derart instandzusetzen, dass der (Luft-)Schallschutz zwischen seiner Wohnung und der daneben liegenden Nachbarwohnung im Seitenflügel den Anforderungen nach der DIN 4109, Ausgabe 1989, „Schallschutz im Hochbau“, entspricht.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, bei der Trennwand handele es sich um eine übliche Wohnungswand, die mutmaßlich nach einem Bombenschaden Anfang der 50er Jahre errichtet worden sei. Sie sind der Ansicht, dass der Kläger in schallschutzmäßiger Hinsicht lediglich einen Zustand erwarten könne, wie er bei Abschluss des Mietvertrages dem Zustand und dem Alter des Gebäudes entsprochen habe.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
Der Instandsetzungsantrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ausreichend ist die Angabe des Mängelbeseitigungserfolges. Nicht erforderlich ist, dass in dem Antrag die konkreten Baumaßnahmen zur Beseitigung des Mangels angeführt werden. Abgesehen davon, dass der Mieter dem Vermieter den Weg der Mängelbeseitigung nicht vorschreiben kann, geht das entsprechende Wahlrecht erst im etwaig durchzuführenden Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Mieter über (§ 887 ZPO). Erst im Zwangsvollstreckungsverfahren muss der Mieter daher die konkrete Mängelbeseitigungsmaßnahme näher bezeichnen.
Die Beklagten sind verpflichtet, die Wohnung des Klägers dergestalt instandzusetzen, dass der Luftschallschutz den Anforderungen der DIN 4109, Ausgabe 1944, entspricht. Dies folgt aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB (in Verbindung mit § 421 BGB und § 128 HGB analog), wonach der Vermieter im Falle eines Mietmangels zur Instandsetzung verpflichtet ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Mietverhältnis. Ferner hat der Kläger bewiesen, dass der Luftschallschutz im Bereich der Wohnungstrennwand zur Nachbarwohnung nicht den maßgeblichen Mindestanforderungen der DIN 4109, Ausgabe 1944, genügt (§ 286 ZPO). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob sich eine Mietwohnung in luftschallschutzmäßiger Hinsicht in vertragsgemäßem Zustand nach § 535 Abs. 1 BGB befindet, sind entgegen der Ansicht des Klägers nicht diejenigen DIN-Vorschriften, die bei Abschluss des Mietvertrages galten. Maßgebend ist vielmehr der (Luft-)Schallschutzstandard, der im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galt. Der Mieter einer Altbauwohnung kann – wie hier – bei interessengerechter Auslegung nur erwarten, dass die Wohnung in schallschutzmäßiger Hinsicht dem Altbaustandard entspricht. Der Vermieter ist anerkanntermaßen nicht verpflichtet, die vermietete Wohnung ständig an die im Laufe der Zeit steigenden Wohnbedürfnisse anzupassen und insbesondere den Schallschutzstandard nachträglich zu erhöhen (vgl. LG Berlin, ZK 67, GE 2003, Seite 1612, 1613). Es kann vorliegend auch dahingestellt bleiben, ob infolge einer nachträglichen Änderung der Bausubstanz durch Einbau einer neuen Wohnungstrennwand der Mieter einen aktualisierten und damit verbesserten Schallschutzstandard verlangen kann. Denn der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger trägt nicht konkret vor, dass die Wohnungstrennwand zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als die DIN 4109, Ausgabe 1989, bereits in Kraft war. Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der vagen Andeutung, dass die Wohnungstrennwand in den „70er oder 80er Jahren“ eingebaut wurde.
Nach den klaren und eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen, denen das Gericht uneingeschränkt folgt, liegt der Luftschallschutz im Bereich der Wohnungstrennwand erheblich unter den Anforderungen der DIN 4109, Ausgabe 1944. Dieser DIN-Norm liegen nach der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen gerade auch die baulichen Verhältnisse bei Altbauten zu Grunde. Sie ist daher entgegen der Ansicht der Beklagten – vorliegend als Bewertungsmaßstab für den Luftschallschutz heranzuziehen, weil sie den allgemeinen Luftschallschutzstandard bei Altbauten widerspiegelt. Nach dieser DIN ist ein bewertetes Schalldämm-Maß bei Wohnungstrennwänden von erf.R’w = 52 dB maßgebend. Nach den Messungen des Sachverständigen beträgt das bewertete Schalldämm-Maß der streitgegenständlichen Wohnungstrennwand lediglich R’w = 44 dB. Der vorgefundene Luftschallschutz unterschreitet die Mindestanforderungen mit einem Differenzbetrag von 9 dB erheblich und führt zur Überzeugung des Gerichts zu einer unzumutbaren Geräuschbelästigung aus der angrenzenden Nachbarwohnung sowie auch in umgekehrter Richtung. Diesen Zustand muss der Kläger nicht als vertragsgemäß hinnehmen. Dabei werden die objektiven Messergebnisse ganz maßgeblich durch die Feststellung des Sachverständigen untermauert, dass er sich bei dem Ortstermin mit seinem Mitarbeiter durch die Trennwand hindurch „mühelos verständigen“ konnte. Zwar sind gerade in einem Altbau typische Wohngeräusche wie zum Beispiel Fernsehen, Unterhaltungen und Schrittgeräusche grundsätzlich hinzunehmen. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn – wie hier – die Geräuschbelästigung unzumutbar ist. Zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung gehört es insbesondere auch, die Wohnräume so nutzen zu können, dass der Wohnungsmieter und sein Nachbar nicht ständig durch Geräusche aus der jeweils anderen Wohnung in ihrer Intimsphäre gestört werden (LG Berlin, ZK 67, MM 1994, Seite 281, 282). Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist danach jedenfalls dann überschritten, wenn die Sprache bei normaler Sprechweise in der Nachbarwohnung verstehbar ist. Das ist hier offensichtlich der Fall, weil sich der Sachverständige – wie ausgeführt – mit seinem Mitarbeiter durch die Trennwand mühelos verständigen konnte.
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei der Wohnungstrennwand um eine Wand im Flur handelt. Denn dies ändert nichts daran, dass die Schallschutzsituation zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Intimsphäre des Klägers (und seines Wohnungsnachbarn) führt. Denn anderenfalls wäre der Kläger gezwungen, die Zimmertüren zum Schutz seiner Intimsphäre ständig geschlossen zu halten. Dies ist ihm jedoch nicht zuzumuten (für einen parallel liegenden Fall: LG Berlin, ZK 67, MM 1994, Seite 282).
Umgekehrt beruft sich der Kläger für einen höheren Schallschutzstandard nach der DIN 4109, Ausgabe 1989, erfolglos darauf, dass diese neuere DIN-Norm zugleich als Mindeststandard in die Berliner Landesbauordnung eingeflossen sei. Bei seiner Argumentation berücksichtigt der Kläger nicht ausreichend, dass das Wohngebäude der Beklagten Bestandsschutz genießt und die Einhaltung neuerer DIN-Normen nach der Landesbauordnung nur für Neubauten gilt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Instandsetzungsanspruches gemäß § 539 BGB a. F. (analog) bzw. § 242 BGB sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers ist verhältnismäßig geringfügig, weil der Unterschied zwischen der DIN 4109, Ausgabe 1989, und der DIN 4109, Ausgabe 1944, beim Luftschallschutz lediglich 1 dB beträgt. Die Zuvielforderung des Klägers hat ferner keine höheren Prozesskosten veranlasst.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung waren die voraussichtlichen Kosten für Baumaßnahmen zur Verbesserung des Luftschallschutzes zu berücksichtigen.
05.03.2013