Leitsatz:
Der Mieter hat Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 2500 Euro gegen den Vermieter, wenn er im Keller wegen der defekten Kellerbeleuchtung über einen in den Gangbereich hineinragenden Balken stolpert und er sich deswegen ein Anpralltrauma im Genitalbereich zuzieht.
LG Berlin, Urteil vom 19.2.04 – 67 S 319/03 –
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß §§ 823, 847 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500 Euro verlangen, weil sein Sturz über den Balken im Keller des Hauses … und die infolge dieses Sturzes an seinem Genitale erlittenen Verletzungen erwiesen sind.
Der Kläger ist unstreitig gemeinsam mit der Zeugin … gemäß Vertrag vom 1.7.1987 Mieter einer Wohnung im Hause… . In das mit dem damaligen Eigentümer begründete Mietverhältnis ist der Beklagte durch Erwerb des Eigentums an dem Grundstück auf Grund der Eintragung im Grundbuch am 13.2.1997 eingetreten, § 571 Abs. 1 BGB a. F..
Es ist unstreitig, dass sich im Keller des Hauses auf dem Fußboden ein Balken befunden hat, der in den Kellergang schräg hineinragte. Die Verlegung des Balkens in der geschilderten Art stellt grundsätzlich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Als Eigentümer des Hauses war der Beklagte verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in den den Mietern des Hauses zugänglichen Bereichen keine Gefahrenquellen bestanden. Er hatte dafür Sorge zu tragen, dass seine Mieter sämtliche der Mitbenutzung des Gebäudes unterliegende Flächen gefahrlos betreten konnten. Dazu gehörte es, dass in den Kellergängen keine Stolperstellen geschaffen werden. Außerdem war er gehalten, für eine einwandfreie Beleuchtung zu sorgen. In seiner Vernehmung als Partei gemäß § 448 ZPO hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass dieser Balken dort schon seit einem Jahr vor seinem Unfall am 27.1.2002 vorhanden war. Die in der Nähe befindliche Glühbirne brannte zeitweilig nicht beziehungsweise war von anderen Mietern entfernt worden. Der Hauswart hatte kein Interesse, sich um die Verhältnisse vor Ort zu kümmern.
Der Beklagte kann nicht einwenden, dass der Kläger die Kellerräumlichkeiten unbefugt betreten hat und ihm gegenüber deshalb eine Verkehrssicherungspflicht nicht bestanden hat. Zwar ist ausweislich des Mietvertrages die Vermietung eines Kellers nicht vorgesehen. Jedoch ist in dem Vertrag ausdrücklich vereinbart, dass der Kläger und die Zeugin … sich sämtliche Schlüssel der Vormieterin aushändigen lassen sollten und zudem die Wohnung nur mit Kohleöfen ausgestattet ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass die frühere Verwalterin des Hauses, die namens des damaligen Eigentümers den Mietvertrag unterzeichnet hat, gewusst hat, welche Schlüssel die vorherige Mieterin im Besitz gehabt hat, als sie die genannte Klausel in den Vertrag aufgenommen hat. Der Beklagte hat im ersten Rechtszug nicht bestritten, dass der Kläger und Frau … die Schlüssel für den Kellerraum von der Vormieterin erhalten haben. Auf Grund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Kläger und Frau … berechtigterweise im Besitz eines Kellers sind. Diese Schlussfolgerung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Wohnung mit Kohleöfen ausgestattet ist und eine Lagerung von Brennmaterialien in größerem Umfang innerhalb der Wohnung nicht in Betracht kommt. Selbst wenn es an einer ausdrücklichen Vereinbarung über den Keller fehlen sollte, wäre davon auszugehen, dass auf Grund der jahrelangen unangefochtenen Inanspruchnahme des Kellers eine konkludente Genehmigung gegeben wäre. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte anlässlich der später erfolgten Nummerierung der einzelnen Mieterkeller gegen die Benutzung des Kellerraumes Nr. 23 durch den Kläger protestiert hätte. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass der Kläger zunächst vorgetragen hat, dass ihm der Keller von der damaligen Hauswartsfrau zugewiesen worden sei, und er von diesem Vortrag abgerückt ist, nachdem der Beklagte vorgetragen hat, dass diese erst seit dem 1.11.1989 als Hauswartsfrau tätig ist, und sodann den jetzigen Vortrag gebracht hat, kann daraus eine Schlussfolgerung auf die Unglaubwürdigkeit des letzten Vortrages nicht hergeleitet werden, weil zum einen der Vortrag über die Übergabe sämtlicher Schlüssel durch die Vereinbarung in dem Mietvertrag belegt ist und der Beklagte zum anderen die letzte Version nicht bestritten hat.
Das Amtsgericht hat die Überzeugung davon, dass der Kläger über den im Keller liegenden Balken zu Fall gekommen ist, auf Grund von lndiztatsachen als geführt angesehen. Ein Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen (vgl. BGHZ 53, 245, 260, 261; BGH NJW 1983, 929-931, unter A II. 2.). Es hat die Schlussfolgerung auf den Unfall aus der Aussage der Zeugin … hergeleitet, dass der Kläger unverletzt in den Keller gegangen ist, um Brennmaterial für die Kohleofenheizung aus dem Keller Nr. 23 zu holen, er dort ungewöhnlich lange blieb, mit Verletzungen zurückkehrte und der Zeugin berichtete, dass er über einen Balken gestolpert sei. Zudem ist unstreitig, dass ein Balken ca. 60 bis 80 Zentimeter in den Gangbereich hineinragte und auch die Lichtverhältnisse im Keller den Gang nicht vollständig ausleuchteten.
All diese Indizien haben ein erhebliches Gewicht. Im Sinne der Rechtsprechung des BGH kommen jedoch auch andere Ursachen für den Sturz in Betracht. So kann der Kläger immerhin über Kohlen in seinem eigenen Keller gefallen sein. Auf jeden Fall spricht für die Darstellung des Klägers auf Grund der Aussage der Zeugin … eine erhebliche Wahrscheinlichkeit. Dies berechtigte zu einer Vernehmung des Klägers als Partei gemäß § 448 ZPO, die die Kammer entsprechend durchgeführt hat.
Der Kläger hat zur vollen Überzeugung der Kammer als Partei bekundet, dass er an dem fraglichen Tag mit zwei Eimern in den Händen in den Keller gegangen sei und sich seitlich an der rechten Wand orientiert habe. Dort sei er bei Dunkelheit in Höhe einer Mauerkante über den schräg liegenden, im stumpfen Winkel zu seiner Gehrichtung nach vorne weisenden Balken gestolpert und mit dem Beckenbereich auf den vorderen Teil des Balkens gefallen. Er hat seine Gangrichtung anhand der beiden in den Akten befindlichen Fotografien dargestellt. Diese beiden Fotografien hat er nach eigenem Bekunden am Unfalltag selbst angefertigt und zu diesem Zweck extra eine Glühbirne in die zwei Meter vor dem Balken befindliche Fassung geschraubt. Die beiden Fotografien zeigen eine Nische in der rechten Kellerwand, aus der der Balken schräg auf dem Boden liegend herausragt. In dieser Nische befinden sich drei Metallstützen zur Abstützung der Kellerdecke, von denen zwei auf einem anderen Balken ruhen, der wiederum zum Teil auf dem für den Unfall ursächlichen Balken liegt. Der Kläger hat in Abrede gestellt, dass er sich seine Verletzungen in anderer Weise zugezogen hat.
Auf Grund dieser Bekundungen des Klägers sowie der glaubwürdigen Bekundungen der Zeugin …, die das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend gewürdigt hat, ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie der Kläger es behauptet hat.
Erhebliche Gründe für ein beachtenswertes Mitverschulden des Klägers im Sinne von §254 Abs. 1 BGB sind nicht ersichtlich. Zwar ergibt sich aus den Aussagen der Zeugin … und auch des Klägers selbst, dass der Balken an der Unfallstelle schon einige Zeit gelegen hat und dies dem Kläger bekannt war. Die Existenz eines solchen Balkens mahnt zu besonderer Vorsicht. Diese nützt aber nichts, wenn die in der Nähe befindliche Glühbirne nicht brennt. Ein etwaiges Mitverschulden, das aus der Kenntnis der Gefahrenstelle resultiert, ist unerheblich, wenn die Glühbirne ausgefallen ist. Es war Aufgabe des Beklagten, für eine ausreichende Beleuchtung der Gefahrenstelle zu sorgen, wenn er schon einen Balken in der geschilderten Art verlegen lässt. Dann ist das Gefahrenpotenzial, das von dem Balken ausgeht, derart überwiegend, dass ein etwaiges Mitverschulden des Klägers dahinter völlig zurücktritt. Die Verantwortung für die Beleuchtungsverhältnisse im Bereich einer Gefahrenstelle trägt ausschließlich der Beklagte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger wegen der Lagerung von Brennmaterial im Keller darauf angewiesen war, diesen im Winter regelmäßig aufzusuchen. Der Kläger hat bekundet, dass der von dem Beklagten angestellte Hauswart kein Interesse für die Verhältnisse gezeigt habe, obwohl er ihn darauf hingewiesen habe. Andere Mieter hätten die Glühbirne immer wieder entfernt. Es ist nachvollziehbar, dass der Kläger sich an der Unfallstelle vorsichtig bewegt hat. Gleichwohl ließ es sich für ihn nicht vermeiden, dass es wegen der unzureichenden Beleuchtungsverhältnisse zu einem Sturz gekommen ist. Der Kläger war nicht gehalten, stets vorsorglich eine Taschenlampe mitzunehmen.
Gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes von 2500 Euro sind angesichts der Unfallfolgen keine Bedenken zu erheben, infolge des Unfalls erlitt der Kläger ein Genitalanpralltrauma. Der von ihm nach einigen Tagen aufgesuchte Urologe hatte den Kläger zu einer Notoperation in stationäre Behandlung überwiesen. Im Bundeswehrkrankenhaus wurden ein Präputialabzess und eine Phimose diagnostiziert. Am Tage der Aufnahme am 30.1.2002 erfolgte eine Incision des Abzesses am Penisschaft mit Einlage einer sterilen Gummilasche, wobei sich massiv Eiter entleerte. Die stationäre Behandlung bestand in einem täglichen Wechseln der Verbände und in Spülungen mit Betaisadona. Am 6.2.2002 wurden die Verbände entfernt und es wurden bis zur Entlassung am 8.2. 2002 zweimal täglich Penisbäder durchgeführt. Diese Angaben ergeben sich aus dem von ihm vorgelegten ärztlichen Bericht. Der Kläger war anschließend noch vier Wochen in ambulanter Behandlung. Erst danach trat Schmerzfreiheit ein. Es ergaben sich Beeinträchtigungen des Intimverkehrs. Die geschilderten Verletzungsfolgen rechtfertigen das zuerkannte Schmerzensgeld. …
11.03.2013