Leitsatz:
Folgende Formularklausel verstößt gegen das Transparenzgebot und ist deshalb unwirksam: „Bei Ablauf der Mietzeit findet § 568 BGB keine Anwendung. Die Vereinbarung einer anderen als der in Abs. 1 vorgesehenen Verlängerung bedarf der Schriftform.“
AG Charlottenburg, Urteil vom 18.4.07 – 204 C 8/07 –
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger sind Vermieter, der Beklagte ist Mieter der im Hause J.-Str., Berlin, 4.OG rechts belegenen Wohnung. In dem formularmäßigen Mietvertrag vom 31.3.1970 ist unter § 2 Ziffer 6 bestimmt: „Bei Ablauf der Mietzeit findet § 568 BGB keine Anwendung. Die Vereinbarung einer anderen als der im Abs. 1 vorgesehenen Verlängerung bedarf der Schriftform.“
Mit Schreiben vom 29.9.2005, das dem Beklagten am 30.9.2005 zuging, kündigten die Kläger, vertreten durch die GmbH, dem Beklagten fristgemäß wegen Eigenbedarfs „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Sollte die Räumung und Herausgabe nicht bis zum 30.6.2006 erfolgt sein, sind wir beauftragt, Sie gerichtlich in Anspruch zu nehmen.“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.11.2006, dem Beklagten zugegangen am 17.11.2006, wurde der Beklagte von den Klägern unter Bezugnahme auf die Kündigung vom 29.9.2005, die zum 30.9.2006 erfolgt sei, erstmals erneut zur Räumung der Wohnung aufgefordert.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagte sich wegen der in § 2 Ziffer 6 des Mietvertrages enthaltenen Klausel nicht auf eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB berufen könne. Im Übrigen sei die Kündigung nicht zu einem bestimmten Termin erfolgt.
Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, die im Hause J.-Str., Berlin, 4. OG rechts belegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, einer Kammer, Küche, Bad, Toilette, Flur und Kellerraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Mietverhältnis sei gemäß § 545 BGB von den Klägern stillschweigend fortgesetzt worden. Durch die in § 2 Ziffer 6 des Mietvertrages enthaltene Klausel sei die Vorschrift nicht wirksam abbedungen worden, da für einen formularmäßigen Ausschluss die textliche Wiedergabe der Norm erforderlich sei.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung der Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB nicht zu, denn das Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 29.9.2005 nicht beendet worden, sondern besteht gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit fort.
Die Rechtsfolge des § 545 BGB tritt ein, wenn der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fortsetzt, sofern nicht der Vermieter binnen zwei Wochen nach dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält, dem anderen Teil seinen entgegenstehenden Willen erklärt. Dies ist hier der Fall. Die Kündigung erfolgte fristgemäß zum 30.6.2006. In dem Kündigungsschreiben, das dem Beklagtem am 30.9.2005 zuging, wurde die Kündigung zum „nächstmöglichen“ Termin erklärt. Dies ist gemäß § 573 c Abs. 1 BGB der 30.6.2006, denn nach § 573 c Abs. 1 S. 2 verlängert sich die in § 573 c Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehene Kündigungsfrist (Kündigung bis zum dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats, d.h. hier bis zum 31.12.2005) wegen der bereits 35-jährigen Mietzeit um 6 Monate. Dass auch die Beklagten von diesem Mietende ausgingen, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie in dem Kündigungsschreiben für den Fall, dass der Beklagte nicht bis zum 30.6.2006 auszieht, gerichtliche Schritte ankündigten.
Die Anwendbarkeit von § 545 BGB ist auch nicht wirksam durch § 2 Ziffer 6 des Mietvertrages ausgeschlossen worden. Zwar kann die Vorschrift formularmäßig abbedungen werden (BGH, Urteil vom 15.5.1991, NJW 1991, 1750), jedoch verstößt die hier verwendete Klausel gegen das in §§ 305 Abs. 2 Nr. 2 und 307 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot. Danach müssen formularmäßige Klauseln für einen Durchschnittsbürger klar und verständlich sein. Ob dies bei Klauseln wie der hier verwendeten der Fall ist, ist in jüngerer Zeit in Rechtsprechung und Literatur streitig geworden. Das OLG Rostock (Urteil vom 29.5.2008, GE 2007, 219) vertritt die Ansicht, es genüge für eine wirksame Abbedingung, dass in der Formularklausel wie im vorliegenden Fall lediglich der Paragraf mit der entsprechenden Nummer bezeichnet werde. Es sei dem Mieter zuzumuten, sich mit dem Gesetz zu befassen, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf einen bestimmten Paragrafen Bezug genommen werde. Eine Klausel, die sich auf einen für jedermann einsehbaren Gesetzestext beziehe, könne nicht gegen das Transparenzgebot verstoßen. Auch habe der Bundesgerichtshof für die formularmäßige Vereinbarung der umlegbaren Betriebskosten die Bezugnahme auf die Betriebskostenverordnung für zulässig erachtet (BGH, Urteil vom 7.4.2004, NJW-RR 2004, 875). Nach der bisher herrschenden Meinung (u.a. vertreten durch OLG Schleswig, Rechtsentscheid vom 27.3.1995, NJW 1995, 2858; OLG Frankfurt, Rechtsentscheid vom 8.11.1999, WuM 2000, 15; LG Berlin, Urteil vom 8.7.1996, WuM 1996, 707; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Aufl. 2005, § 545 Rn. 3) reicht es für eine formularmäßige Abbedingung des § 545 BGB nicht aus, dass schlicht auf den Paragrafen verwiesen wird. Vielmehr sei erforderlich, dass die Regelung textlich oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in die Formularklausel aufgenommen wird. Ansonsten sei die Klausel für einen rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittsmieter nicht verständlich, sondern nur für Juristen.
Das erkennende Gericht folgt der bisher herrschenden Meinung. Das Transparenzgebot ist eine insbesondere auf den Verbraucherschutz abzielende Vorschrift. Für den Mieter als Verbraucher sollen Mietverträge verständlich sein. Dies ist bei der bloßen Nennung einer Norm nicht gewährleistet, wenn wie bei der vorliegenden Klausel nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, was Regelungsgegenstand dieser Norm ist, nämlich dass es um die stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses nach Ablauf der Mietzeit geht. Die §§ 305 ff. BGB bezwecken den Schutz der Vertragspartei, gegenüber der Allgemeine Geschäftsbedingungen Verwendung finden, vor einer Überrumpelung durch den Verwender durch Klauselwerke, deren rechtliche Tragweite er nicht oder nur schwer überschauen kann. Eine solche Überrumpelung ist aber bei der bloßen Bezugnahme auf Normen, deren Regelungsgegenstand nicht einmal ansatzweise mitgeteilt wird, zu befürchten. Insoweit trägt der Hinweis darauf nicht, der Mieter möge ins Gesetz schauen. Zwar ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage, ob ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt, der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jedoch muss auch berücksichtigt werden, dass der Vertrag – insbesondere hinsichtlich der Regelungen für den Fall der Beendigung des Mietverhältnisses – später als Informations- und Verhaltensgrundlage für die Parteien dient. Es kann aber geschehen, dass wie hier durch Gesetzesreformen auch Paragrafennummern geändert werden, so dass für den Nichtjuristen völlig unverständlich wird, was mit der Abbedingung einer bestimmten Norm gemeint sein soll. Während § 568 BGB a.F. dem heutigen § 545 BGB entspricht, regelt § 568 BGB n.F. heute die Schriftform einer Kündigung. Dies im Laufe des – hier zur Zeit der Kündigung bereits 35 Jahre andauernden – Mietverhältnisses nachzuvollziehen, kann in der Tat nur von Juristen verlangt werden. Schließlich greift der Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur lnbezugnahme von Regelungen der Betriebskostenverordnung nicht. Denn bei diesen Klauseln ist dem Mieter durch den Vertragstext klar, was in der genannten Rechtsvorschrift steht, nämlich eine Aufzählung der umlagefähigen Betriebskosten, während er bei der vorliegenden Klausel über den Regelungsgegenstand der Vorschrift nicht informiert wird. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil (aaO, S. 876) deutlich gemacht, dass nicht jeglicher Verweis auf Rechtsnormen zulässig ist, sondern dass hinsichtlich der „sonstigen Betriebskosten“, die nicht im Einzelnen aufgezählt sind, nicht formularmäßig auf die Betriebskostenverordnung verwiesen werden dürfe.
31.12.2016