Leitsatz:
Haftet der Mieter auf Schadensersatz, wenn seine Katze am Treppengeländer des Hausflures Kratzspuren hinterlässt?
AG Schöneberg vom 4.3.2010 – 9 C 308/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
2918,71 Euro Schadensersatz verlangte der Vermieter von der Mieterin, weil deren Katze den Handlauf des Geländers im Treppenhaus stark zerkratzt hatte. Wie die Beweisaufnahme ergab, wies der Handlauf starke Kratzspuren mit bis zu 2,5 Millimeter Tiefe auf. Ein Mieter des Hauses trat als Zeuge auf und bestätigte glaubhaft, die Katze der Mieterin dabei beobachtet zu haben, wie diese auf dem Handlauf balancierte. Das Gericht sprach daraufhin dem Vermieter den geforderten Betrag zu, der sich aus den Reparaturkosten unter Berücksichtigung eines Abzuges neu für alt in Höhe von 30 Prozent ergab. Die Mieterin hafte nach § 833 Satz 1 BGB. Durch die Beschädigung des Handlaufs habe sich die typische Tiergefahr einer Katze realisiert. Die Rechtsgutverletzung müsse durch ein der tierischen Natur entsprechendes, unberechenbares und selbsttätiges Verhalten des Tieres verursacht worden sein (BGH NJW 199, 3119). Das Kratzen an Gegenständen und das Klettern sei ein solches natürliches Verhalten von Katzen. Durch die Krallen entstünden dabei auch regelmäßig Kratzspuren. Die Mieterin sei als Tierhalterin der Katze hierfür verantwortlich. Ein Verschulden der Mieterin zur Verwirklichung des gesetzlichen Anspruchs sei nicht notwendig, da § 833 Satz 1 BGB eine Gefährdungshaftung vorsehe.
Urteilstext
Zum Sachverhalt:
Die Bekl. wohnt als Mieterin des Kl. seit Juni 1982 im 1. OG links im W.weg in Berlin. Sie hält in dieser Wohnung die Katze M.. Das Treppenhaus im W.weg verfügt über ein hölzernes Treppengeländer, dessen Handlauf starke Kratzspuren mit bis zu 2,5 mm Tiefe aufweist. Durch eine Reparatur des Handlaufs entsteht ein Kostenaufwand von 4.196,58 Euro.
Der Kl. behauptet, die Kratzspuren seien durch das Klettern der Katze auf und an dem Handlauf entstanden. Die Katze der Bekl. erhalte regelmäßig Auslauf und bewege sich dabei auch im Treppenhaus. Als Reparaturkosten schulde die Bekl. als Halterin der Katze einen Betrag, der sich nach einem Abzug neu für alt in Höhe von 30 % auf 2.918,71 Euro errechne …
Aus den Gründen:
Der Kl. kann von der Bekl. die Zahlung von 2.918,71 Euro aus einer Verletzung der Nebenpflichten der Bekl. aus dem Mietvertrag und § 833 Satz 1 BGB beanspruchen. Durch die Kratzer auf der Oberfläche des Handlaufs am Treppengeländer im W.weg ist das Rechtsgut des Eigentums verletzt worden. Der Handlauf wurde durch starke Kratzspuren über die gesamte Länge vom 1. bis zum 6. Lauf hoch mit Eindringtiefen von bis zu 2,5 mm erheblich beeinträchtigt.
Der Handlauf ist durch die Katze beschädigt worden. Dies hat die Beweisaufnahme ergeben. Der Zeuge … hat bekundet, dass das Tier im Februar 2008 versuchte, auf dem Handlauf nach oben zu klettern und dabei Kratzspuren entstanden sind. Der Zeuge konnte den Vorgang lebensnah und plausibel schildern. Es waren keine Widersprüche in den Aussagen zu erkennen und das Klettern auf hierfür geeigneten Gegenständen entspricht dem arttypischen Verhalten von Katzen. Insbesondere die Schilderungen über die erschrockene Reaktion und die anschließende Flucht der Katze, als sie den Zeugen bemerkte, stimmen mit dem von der Bekl. gezeichneten Charakterbild der Katze als scheu und ängstlich überein.
Auf Nachfrage beschrieb der Zeuge auch zutreffend das äußere Erscheinungsbild der Katze als auffällig dicke, grau gefärbte Katze. Zudem erklärte der Zeuge, dass er durch die langjährige nachbarschaftliche Beziehung zu der Bekl. die Katze dem Haushalt der Bekl. zuordnen konnte. Die Beschreibung über das mehrmalige Abrutschen der Katze bei dem Kletterversuch passt zu der körperlichen Form der Katze M.
Durch die Beschädigung des Handlaufs hat sich auch die typische Tiergefahr einer Katze realisiert. Die Rechtsgutverletzung muss durch ein der tierischen Natur entsprechendes, unberechenbares und selbsttätiges Verhalten des Tieres verursacht worden sein (BGH NJW 199, 3119). Das Kratzen an Gegenständen und das Klettern ist ein natürliches Verhalten von Katzen. Durch die Krallen entstehen dabei auch regelmäßig Kratzspuren.
Die Bekl. ist die Tierhalterin der Katze M.
Ein Verschulden der Bekl. zur Verwirklichung des gesetzlichen Anspruchs ist nicht notwendig, da § 833 Satz 1 BGB eine Gefährdungshaftung vorsieht.
Der Umfang des Anspruchs erstreckt sich gemäß § 249 II BGB auf die Kosten für die Reparatur des Handlaufs. Diese betragen nach Abzug einer Vorteilsanrechnung seitens des Kl. 2.918,71 Euro. Eine geringere Schadenshöhe hätte die Bekl. darzulegen und zu beweisen, da der Kl. die Höhe des Schadens durch das Gutachten vom 26.9.2008 belegt hat.
01.01.2017