Leitsatz:
Dem Zwangsverwalter steht es grundsätzlich frei, ob er in bestehende Verträge [hier: Hausbewirtschaftungsvertrag] eintritt.
OLG Brandenburg vom 3.3.2010 – 6 U 40/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen beanspruchte vom Eigentümer noch ausstehende Zahlungen. Nach Beschlagnahme des Grundstücks wandte sich das Unternehmen an den Zwangsverwalter. Dieser lehnte die Zahlung ab, da er nicht in den Vertrag eintreten wolle. Das OLG Brandenburg gab ihm recht.
Die Entscheidung ist richtig. Dass Mieter mitunter eine andere Wahrnehmung der Rechtslage haben, ist ebenfalls richtig. Denn für Mietverträge gilt ausnahmsweise nicht, dass der Zwangsverwalter frei ist in seiner Entscheidung, diese zu erfüllen. § 152 Absatz 2 ZVG bestimmt nämlich: „Ist das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen, so ist der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam.“ Im Verhältnis zum Mieter ist der Zwangsverwalter demnach faktisch der zeitweise „Rechtsnachfolger“ des Vermieters.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Gesellschafterin der Hotel & Bürohaus … GbR auf Zahlung der Vergütung für die Versorgung des Büro- und Hotelgebäudes … mit Fernwärme in Anspruch. Grundlage der Lieferung ist ein mit der Hotel & Bürohaus … GbR, damals noch GbR …Hotel- und Büromanagement, geschlossener Wärmeliefervertrag vom 13. November 2002. Für den Lieferzeitraum vom 1. bis 30. Juni 2006 legte die Klägerin zwei Rechnungen, die zwischenzeitlich von der Beklagten beglichen worden sind. Insoweit ist der Rechtsstreit erstinstanzlich für erledigt erklärt worden. Für den Zeitraum vom 1. bis 31. Juli 2006 legte sie am 1. August 2006 drei Rechnungen für drei unterschiedliche Zähler an der Anschlussstelle … und übersandte die Rechnungen an die Hotel & Bürohaus … GbR. Mit Schreiben vom 2. August 2008 unterrichtete der Streithelfer der Klägerin die Hotel & Bürohaus … GbR und die Beklagte darüber, dass über das von ihr mit Fernwärme versorgte Grundstück die Zwangsverwaltung angeordnet worden und die Beschlagnahme am 1. August 2006 durch ihn erfolgt sei. Bereits zuvor, am 26. Juli 2006, ist der Beklagten der Beschluss über die Anordnung der Zwangsversteigerung vom 20. Juli 2006 zugestellt worden.
Die Klägerin und der Streithelfer sind der Ansicht gewesen, dass die Beklagte die im Juli 2006 erbrachte Fernwärmelieferung bezahlen müsse, weil der Leistungszeitraum zeitlich vor dem Wirksamwerden der Beschlagnahme liege. Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass maßgeblich der Zeitpunkt der Fälligkeit sei. Weil die Rechnungen vom 1. August 2006 datierten, trete die Fälligkeit nach § 8 Nr. 2 des Wärmeliefervertrages 14 Tage nach Rechnungsdatum ein zuzüglich drei Tagen Zustellzeit, hier also mit Ablauf des 18. August 2006. Die Berücksichtigung des Fälligkeitszeitpunktes sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Streithelfer der Klägerin rückständige Mieten beginnend ab dem 1. Januar 2006 inklusive der Nebenkostenvorauszahlungen der Mieter eingezogen habe. Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage nur hinsichtlich eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben, die durch die ursprünglich streitgegenständlichen, von der Beklagten später aber beglichenen Rechnungsbeträge für den Lieferzeitraum Juni 2006 veranlasst worden seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil mit dem Wirksamwerden der Zwangsverwaltung der Beklagten die Verwaltungsbefugnis über das Grundstück entzogen worden sei. Dafür, dass die Fälligkeit bei der Abgrenzung der Zahlungspflicht maßgeblich sei, sprächen die Regelung in § 13 ZVG, die für die Abgrenzung der Rangklassen nach dem Fälligkeitszeitpunkt differenziere, sowie das Argument der Rechtsklarheit. Auch stünden die Nutzungsvorteile dem Verwalter ab dem 1. August 2006 zu. Die Inkassogebühren seien nur in Höhe der Hälfte einer anwaltlichen Geschäftsgebühr erstattungsfähig, die mit einem Gebührensatz von insgesamt 0,8 zu bewerten sei. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das am 26. März 2009 verkündete und ihr am 3. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Mai 2009, einem Montag, Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 3. Juli 2009 an diesem Tag begründet hat.
Mit der Berufung vertritt die Klägerin die Ansicht, dass für die Haftung der Beklagten der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich sei und dass insoweit nach Leistungen, die vor und nach der Beschlagnahme am 1.August 2006 erbracht worden seien, zu differenzieren sei. Mit der Mitteilung der Beschlagnahme sei der Schuldnerin bekannt gewesen, dass ihr die Verwaltungsbefugnis entzogen sei. Zuvor habe sie davon ausgehen müssen, die von ihr bezogenen Leistungen selbst bezahlen zu müssen. Die Regelungen der §§ 151 und 155 ZVG seien insoweit heranzuziehen und brächten die vom Landgericht angeführte Rechtsklarheit. Sie hat zudem über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus Inkassogebühren in Höhe von weiteren 86,60 € begehrt, die Klage aber insoweit in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2010 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Die Klägerin und der Streithelfer beantragen,
unter Abänderung des am 26. März 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam (Az.: 12 O 515/07) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.082,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt ihre bereits erstinstanzlich dargelegte Rechtsauffassung.
II.
Die Berufung ist, soweit die Klage nicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2010 teilweise zurückgenommen worden ist, begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich der streitgegenständlichen Rechnungen Nr. 100005094, Nr. 100005095 und Nr. 100005096, jeweils vom 1. August 2006, für Fernwärmelieferungen im Monat Juli 2006 aus dem zwischen der Klägerin und der Hotel & Bürohaus …GbR geschlossenen Wärmelieferungsvertrag. Die Beklagte haftet als Gesellschafterin der GbR akzessorisch für deren Verbindlichkeiten.
Der von der Beklagten gegen die klägerische Forderung entsprechend § 129 HGB erhobene Einwand, sie hafte nicht, weil die Zwangsverwaltung angeordnet sei, bleibt ohne Erfolg.
Der Zwangsverwalter ist nach § 152 Abs. 1 ZVG ab dem Zeitpunkt der Beschlagnahme, die hier mit der unstreitig am 1. August 2006 erfolgten Inbesitznahme des Grundstücks durch den Verwalter eingetreten ist (§ 150 Abs. 2 ZVG), verpflichtet, für die ordnungsgemäße Verwaltung des Grundstücks zu sorgen. Dem Schuldner wird zugleich die Befugnis zur Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG).
Die Beschlagnahme bewirkt nicht, dass der Verwalter allgemein in vorhandene Rechtsverhältnisse, die der Vollstreckungsschuldner mit Dritten geschlossen hat, eintritt und der Vollstreckungsschuldner zugleich ausscheidet. Der Verwalter ist nicht Rechtsnachfolger des Vollstreckungsschuldners (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 4. Aufl., § 5 ZwVwV Rz. 26; BGH NJW-RR 2006, 1029 (1030); Hintzen, Engels, Rellermeyer,/ Engels ZVG, 13.Aufl., § 152 Rz. 65). Für offene Verbindlichkeiten müssen sich Gläubiger weiterhin an den Vollstreckungsschuldner halten. Eine Ausnahme gilt für Mietverhältnisse, weil hier die Wirksamkeit der Verträge gegenüber dem Verwalter in § 152 Abs. 2 ZVG geregelt ist; insoweit tritt eine „Änderung der Verwaltungsbefugnisse“ ein (BGH NJW-RR 2005, 1029). Bei anderen Verträgen prüft der Verwalter, inwiefern ein Eintritt in bestehende Verträge oder der Neuabschluss von Verträgen wegen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung geboten ist und gibt gegebenenfalls die erforderlichen Erklärungen ab.
Eine Haftung des Zwangsverwalters für die aus dem Vertrag mit der Hotel & Bürohaus …GbR entstandenen Zahlungsverpflichtungen kommt danach nicht in Betracht. Der Zwangsverwalter, Streithelfer der Klägerin, hat hier mit seiner Anzeige an die Klägerin erklärt, dass er für die Leistungen ab dem 1. August 2006 aufkommen werde und um entsprechende Rechnungsstellung gebeten. Er hat zudem die Haftung für Rückstände ausdrücklich abgelehnt. Weil eine Haftung des Zwangsverwalters schon dem Grunde nach nicht besteht, kommt es auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Rechnungen nicht an.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Haftung des Streithelfers auch darauf beruft, dass er rückständige Mieten für den Zeitraum vor der Beschlagnahme und damit auch die Nebenkostenvorauszahlungen eingezogen habe, führt dieser Einwand nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Zwangsverwalter, ist verpflichtet, über die laufende Abrechnungsperiode, aber auch für zurück liegende Abrechnungszeiträume Nebenkostenabrechnungen zu erstellen (BGH NJW 2003, 2320), sofern diese fällig und noch nicht erledigt sind. Der Verwalter muss sich dabei auch die Zahlungen anrechnen lassen, die der Mieter vor der Beschlagnahme an den Schuldner gezahlt hat und etwaige Nebenkostenguthaben auszahlen (BGH aaO). Erzielt der Verwalter einen Überschuss aus den Nebenkosten, wird dieser Überschuss nach § 155 ZVG verteilt, sofern nicht im Einzelfall eine Auszahlung an den Ersteher zu erfolgen hat, weil diesem die Abrechnung der Nebenkostenvorauszahlungen für die laufende Abrechnungsperiode obliegt (vgl. BGH RPfl. 2008, 89 ff.).
Schließlich hatte auch die Anordnung der Zwangsversteigerung auf die laufenden schuldrechtlichen Verträge und die hieraus resultierende Zahlungspflicht der Grundstückseigentümerin keinen Einfluss. Schuldrechtliche Verpflichtungen aus dem Grundstück treffen den Vollstreckungsschuldner bis zur Zuschlagserteilung im Versteigerungsverfahren (§ 56 S. 2 ZVG), ab diesem Zeitpunkt den Erwerber.
Die Höhe des Anspruchs ist ebenso wie die Leistungserbringung unstreitig. Sie ergibt sich aus der Gesamtsumme der Rechnungsbeträge vom 1. August 2006 in Höhe von 955,46 Euro, 409,14 Euro und 1.718,08 Euro. Die Rechnungen sind nach § 8 Nr. 2 des Wärmeliefervertrages auch fällig, sie sind der Hotel & Bürohaus … GbR als Schuldnerin übersandt worden. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2 BGB.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 1, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Berufungsurteil beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder anderer Oberlandesgerichte ist nicht ersichtlich.
31.01.2013