Mietern in Prenzlauer Berg wurde eine absurde Modernisierung mit happigen Mieterhöhungen angekündigt. Für einige Bewohner soll sich die Miete sogar vervierfachen. Und trotz Warmmieten bis zu 18 Euro pro Quadratmeter sollen sie weiter mit Außenklo und ohne Bad wohnen.
Dass etwas gemacht werden muss, ist offensichtlich. Die Winsstraße 59 ist eines der letzten noch unsanierten Häuser im Ortsteil Prenzlauer Berg. Der Putz bröckelt, die Keller sind feucht, manche Mieter haben noch Ofenheizung, ein Außenklo im Treppenhaus – von einem Badezimmer können sie nur träumen. Sie haben sich selbst in der Küche eine Dusche eingebaut oder eine Gasetagenheizung installiert – alles auf eigene Kosten.
Die Ankündigung einer energetischen Sanierung hatte es nun in sich: Das Haus soll eine Innendämmung, neue Dreifachfenster, eine Zentralheizung und eine Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung bekommen. Dazu kommen neue Balkone und ein Aufzug. Energietechnisch wäre das Haus tipptopp, der Wohnkomfort bliebe allerdings vorsintflutlich: Die Wohnungen, die kein Bad und kein Innen-WC haben, sollen auch keins bekommen.
„Das ist eine energetische Vergoldung, die darauf abzielt, dass wir hier ausziehen“, meint Mieter Stefan Böhm*. Die Warmmieten sollen nach der Modernisierung auf 15 bis über 18 Euro pro Quadratmeter steigen. Das kann sich keiner der rund 70 Bewohner leisten. Böhm meint: „Wir wären alle froh, in einem sanierten Haus zu wohnen, aber die Miete muss auf einem angemessenen Niveau bleiben.“ Glaubt der Eigentümer, die Christmann-Unternehmensgruppe (Leitspruch: „Wir kaufen ausschließlich Immobilien, in denen wir selbst wohnen möchten“) ernsthaft, eine Wohnung ohne Bad für 1200 Euro vermieten zu können?
Immer häufiger werden in Berlin extrem teure Modernisierungsmaßnahmen angekündigt, die den Mietern signalisieren sollen: Das kannst du dir nicht mehr leisten. Viele Mieter ziehen vor Schreck gleich aus, andere lassen sich gegen eine Abfindung aus ihrem Mietvertrag herauskaufen. Der Hintergrund: Leere Häuser lassen sich sehr viel profitabler verwerten als vermietete.
„Wir haben die Modernisierung abgelehnt“, sagt Rechtsberaterin Karin Manske vom Berliner Mieterverein, die einige der Mieter vertritt. Weil die Duldungspflicht von Modernisierungen im Mietrecht gerade geändert wurde, sind die Erfolgsaussichten jedoch schwer einzuschätzen: „Es weiß noch keiner, wie die Gerichte das auslegen werden“, erklärt Manske.
Nachdem auch die Boulevardpresse über den „Berliner Mietwucher des Jahres“ berichtet hat, kam die Hausverwaltung auf die Mieter zu, um individuelle Lösungen zu finden. Diese wollen sich jedoch nicht auseinanderdividieren lassen. „Es herrscht eine große Unsicherheit, aber wir Mieter sind durch die Sache zusammengerückt“, berichtet Böhm.
Jens Sethmann
* Name geändert
MieterMagazin 10/13
Modernisierung in der Winsstraße 59: Wärmerückgewinnung und Außenklo
Foto: Nils Richter
Blog der Bewohner:
http://winsstrasse59.
wordpress.com
01.01.2018