Leitsatz:
Einem gewerblichen Großvermieter steht kein Anspruch aus § 280 Absatz 1 und 2, § 286 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB auf Erstattung von Inkassokosten, sei es als Inkassogebühr, Mahngebühr oder Auslagenpauschale, zu.
AG Dortmund vom 8.8.2012 – 425 C 6285/12 –
Mitgeteilt von RiAG Dr. Ulf Börstinghaus
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mieter und Vermieter stritten über die Nachzahlungsforderung aus einer Heizkostenabrechnung in Höhe von 175,70 Euro. Der Vermieter, eine große Wohnungsbaugesellschaft, die weit über 150.000 Wohnungen vermietet, allein circa 17.000 Wohnungen in Dortmund, versuchte zweimal diesen Betrag vom Konto des Mieters einzuziehen. Dies misslang, weil der Mieter der Einziehung jedes Mal widersprochen hatte. Daraufhin beauftragte der Vermieter die D.-W.-Inkasso mit der Einziehung der Forderung. Dabei handelt es sich um ein kurz zuvor gegründetes Tochter-Unternehmen des Vermieters. Dieses berechnete dem Vermieter hierfür eine Inkassogebühr über 37,50 Euro und eine Auslagenpauschale in Höhe von 7,50 Euro.
Nachdem der Mieter schließlich den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 175,70 Euro beglichen hatte, begehrte der Vermieter noch die Erstattung der Inkassogebühr und der Auslagenpauschale vom Mieter. Das Amtsgericht wies die Klage des Vermieters insoweit ab.
Das Gericht verkenne nicht, dass grundsätzlich der Vermieter berechtigt sei, ein Inkassoinstitut einzuschalten und die entstandenen Gebühren geltend zu machen. Das bedeute aber, dass eine Einzelfallprüfung stattzufinden habe, bei der es um die Notwendigkeit der Einschaltung gehe und um die Frage, ob ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorliege. So sei es hier. Der BGH habe bereits in zwei Verfahren entschieden (VIII ZR 271/09; VIII ZR 277/11), dass der Geschädigte nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen könne, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dies sei aber hier nicht der Fall. Wie es bei der Kündigung bei einfacher Sach- und Rechtslage nicht der Einschaltung eines Anwalts bedürfe, bedürfe es für Mahnungen im konkreten Fall nicht der Einschaltung eines Inkassoinstituts. Bei einem gewerblichen Großvermieter bedürfe es keiner Zwischenschaltung eines Inkassoinstituts, sei es auch nur als „Regiebetrieb“, da die Mahnungen und Folgeschreiben ohne weiteres durch das kaufmännische Personal eines gewerblichen Großvermieters gefertigt werden könnten.
Der Vermieterin gehe es vor allem darum, Kosten auszulagern und erstattungsfähige Ansprüche zu konstruieren. Das bisherige Mahnwesen gehörte zu den im Mietrecht nicht umlagefähigen Verwaltungskosten. Erst die Bemühungen, Kosten zu reduzieren und Einnahmen zu produzieren, hätten zu der jetzt gewählten Konstruktion geführt. Es fehle deshalb zum einen das Merkmal der Notwendigkeit dieser Kosten, zum anderen liege auch ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor.
Urteilstext
Tatbestand:
Der Beklagte ist seit 1.9.2010 Mieter der Klägerin.
Die Klägerin übersandte dem Beklagten Anfang September 2011 die Heizkostenabrechnung. Diese endete mit einem Nachzahlungsbetrag von 175,70 Euro zu Lasten des Beklagten. Bereits am 16.9.2011 mahnte die Klägerin die Forderung an. Die Klägerin versuchte im Oktober und November die Beträge vom Konto des Beklagten einzuziehen. Der Beklagte widersprach der Einziehung. Die Klägerin musste hierfür 2 x 3,- Euro zahlen. Für diese Mahnung verlangt sie 4,50 Euro.
Die Klägerin beauftragte dann die D.-W.-Inkasso mit der Einziehung der Forderung. Dabei handelt es sich um ein kurz zuvor gegründetes Tochter-Unternehmen der Klägerin. Diese berechnete der Klägerin hierfür eine Inkassogebühr über 37,50 Euro und eine Auslagenpauschale 7,50 Euro.
Die Klägerin beauftragte nach erfolgloser Mahnung ihre Prozessbevollmächtigten mit der Beantragung eines Mahnbescheids über 231,10 Euro. Der Beklagte legte am 31.12.2011 Widerspruch dagegen ein und zahlte am 2.2.2012 die Nachzahlung aus der Heizkostenabrechnung in Höhe von 175,70 Euro.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen an sie 231,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2011, abzüglich am 2.2.2012 gezahlter 175,70 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.
Das Gericht hat die Klägerin auf Bedenken hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Der Klägerin stand der Anspruch auf Nachzahlung aus der Heizkostenabrechnung wohl zu. Der Anspruch ist durch Erfüllung untergegangen. Der Beklagte hat nach Zustellung des Mahnbescheids gezahlt.
Die Klägerin kann noch die Zinsen auf die Hauptforderung von der Zustellung am 24.12.2011 bis zur Zahlung am 2.2.2012 verlangen.
Ferner kann die Klägerin die Zahlung der beiden Rücklastgebühren von insgesamt 6,- Euro zzgl. Rechtshängigkeitszinsen gem. § 280 BGB verlangen Der Beklagte hat eine Lastschriftermächtigung erteilt. Die Forderung war berechtigt. Der Widerspruch gegen die Lastschrift stellte deshalb eine Pflichtwidrigkeit dar.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Eine Mahngebühr für eine Mahnung vom 16.9.2011 in Höhe von 4,50 Euro kann die Klägerin nicht verlangen. Es handelt sich allenfalls um die verzugsbegründende Mahnung. Die Heizkostenabrechnung stammt von Anfang September. Warum der Beklagte am 16.9.2011 schon in Verzug gewesen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht, zumal die Klägerin selbst davon ausgeht, dass eine Einzugsermächtigung vorliegt und erst im Oktober versucht wurde den Betrag einzuziehen.
Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Erstattung von Inkassokosten, sei es als Inkassogebühr, Mahngebühr oder Auslagenpauschale, zu. Die Klägerin als gewerbliche Großvermieterin hätte die Mahnungen und Folgeschreiben, wie sie es in der in der Vergangenheit ja immer getan hat, selbst abfassen können. Die gleichwohl erfolgte Beauftragung eines Inkassoinstituts war nicht notwendig; zumindest hat die Klägerin damit ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verletzt.
Die Klägerin ist ein gewerbliches Wohnungsunternehmen, das weit über 150.000 Wohnungen vermietet, allein ca. 17.000 Wohnungen in Dortmund. Sie beschäftigt ausgebildetes Personal, z.B. Kaufleute der Wohnungswirtschaft. Die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerinnen haben Jahrzehnte das Forderungsmanagement selbst betrieben. Erst im zweiten Halbjahr des Jahres 2011 hat die Klägerin das Inkassoinstitut als Tochterunternehmen gegründet. In Ihrem Kundenmagazin vom August 2011 schreibt sie dazu: „Neuer Service für säumige Mieter – Manchmal nützt es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. […] Eine schriftliche Mahnung ist in diesen Fällen nicht zu vermeiden. Um Betroffene zu unterstützen, rufen unsere Mitarbeiter an. Gemeinsam wird dann eine Lösung erarbeitet“, sagt Geschäftsführer Dr. O.. Den säumigen Mietern wird Hilfe angeboten, z.B. bei der Vermittlung einer Schuldnerberatung, bei einem Amt oder bei der D. A. Stiftung [..]. Die D.-W.-Inkasso bietet meist auch Ratenzahlungen an, um den Verlust der Wohnung zu vermeiden.“
Seither wird das Forderungsmanagement von dem Tochterunternehmen durchgeführt und dem Mieter hierfür Inkassokosten in Rechnung gestellt.
Das Gericht verkennt nicht, dass grundsätzlich der Gläubiger berechtigt ist, ein Inkassoinstitut einzuschalten und die entstandenen Gebühren geltend zu machen (BVerfG Kammerbeschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1012/11). Das bedeutet aber, dass eine Einzelfallprüfung stattzufinden hat, bei der es um die Notwendigkeit der Einschaltung geht und die Frage, ob ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorliegt.
So ist es hier. Der BGH hat bereits in zwei Verfahren – einmal die Klägerin betreffend – entschieden (BGH VIII ZR 271/09, MietPrax-AK 543 BGB Nr. 18; VIII ZR 277/11, WuM 2012, 262), dass der Geschädigte nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Dies ist hier nicht der Fall. Der Beklagten befanden allenfalls mit Zahlung aus der Heizkostenabrechnung in Verzug. Er hatte im Übrigen ein Jahr Zeit, hiergegen Einwendungen zu erheben. Das ändert zwar an der Fälligkeit der Forderung nichts, zeigt aber, dass die Klägerin selbst mit der Sache weiter befasst bleiben musste, um auf entsprechende Einwendungen gegen die Abrechnung reagieren zu können. Wie es bei der Kündigung bei einfacher Sach- und Rechtslage nicht der Einschaltung eines Anwalts bedarf, bedarf es für Mahnungen im konkreten Fall nicht der Einschaltung eines Inkassoinstituts. Diese Notwendigkeit ist für jeden Vermieter objektiv zu bestimmen. Bei einem gewerblichen Großvermieter wie der Klägerin bedarf es keiner Zwischenschaltung eines Inkassoinstituts, sei es auch nur als „Regiebetrieb“, da die Mahnungen und Folgeschreiben ohne weiteres durch das kaufmännische Personal eines gewerblichen Großvermieters gefertigt werden kann.
Solche Mahnungen sind – wie im Übrigen ja auch die meisten anderen Schreiben der Klägerin und Ihrer Prozessbevollmächtigten – standardisiert. Das kann die Klägerin auch weiterhin alleine machen. So wie das Gericht das zurzeit einschätzt, geht es der Klägerin vor allem darum, Kosten auszulagern und erstattungsfähige Ansprüche zu konstruieren. Das bisherige Mahnwesen gehörte zu den im Mietrecht nicht umlagefähigen Verwaltungskosten. Der Aufwand für die Forderungseinziehung auch bei Schuldnern, die sich in Verzug befinden gehört nun einmal auch nach allgemeinem Schuldrecht nicht ersatzfähigen Schaden (BGHZ 66, 112 = NNJW 1976, 1256). Bereits Jäckle (BB 1993, 2463, 2465f) hat darauf hingewiesen, dass „die reine Auslagerung einer Mahnabteilung auf ein rechtlich selbständiges aber vom Gläubiger beherrschtes Inkassounternehmen noch nicht dazu führt, dass die bei dem ausgelagerten Inkassounternehmen entstandenen Inkassokosten vom Schuldner zu erstatten sind, weil der Gläubiger diese Aufgaben auch selbst erledigen kann“ (zitiert nach Goebel, Inkassokosten Rdn. 189). „Mit der Auslagerung werde eine künstliche Schadensposition mit der Folge einer Umgehung des vom BGH aufgestellten Grundsatzes geschaffen, da die üblichen persönlichen Bemühungen zur Realisierung einer Forderung zum eigenen Pflichtenkreis des Gläubigers gehören“. Ebenso kritisch wird das „Konzerninkasso“ auch von Schüler (in: Inkasso vor Gericht, Materialien der Ev. Akademie Bad Boll 5/98 Seite 75; kritisch hierzu Goebel, Inkassokosten Rdn. 575, 576) gesehen. Auch Rieble (DB 1995, 195, 200) lehnt die Erstattungsfähigkeit ab, wenn es sich um gebotene und übliche Eigenbemühungen des Gläubigers handelt.
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Die Klägerin hat durch jahrelange Übung gezeigt, dass die Tätigkeit von ihr ausgeübt werden kann. Erst die Bemühungen, Kosten zu reduzieren und Einnahmen zu produzieren haben zu der jetzt gewählten Konstruktion geführt. Ob dies auch mit der Entscheidung des BGH zusammenhängt, wonach die Rechtsanwaltskosten für die fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs von der Klägerin nicht mehr als Schadensersatz verlangt werden dürfen, kann das erkennende Gericht nicht entscheiden, auch wenn der zeitliche Zusammenhang evident ist. Das Gericht verkennt nicht, dass die Rückstände in der Wohnungswirtschaft von mehreren 100 Mio. Euro durchaus ein gewichtiges Problem darstellen, aber sowohl der Klägerin wie auch anderen Großvermietern ist es in den letzten Jahren gelungen, diese Rückstände immer weiter zurückzufahren, ohne dass es der Ausgliederung der Inkassoabteilung bedurfte. Die Klägerin weist in Ihrer Kundenzeitung ja auch nur daraufhin, dass es sich um eine neue Serviceleistung handelt, aber nicht, dass hierdurch den Mietern neue bisher nicht anfallende Kosten entstehen.
Es fehlt deshalb zum einen das Merkmal der Notwendigkeit dieser Kosten, zum anderen liegt auch ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. Soweit Goebel (a.a.O. Rdn. 364) darauf hinweist, dass nicht jeder Gläubiger in der Lage sei, ein professionelles Forderungsmanagement zu betreiben und deshalb ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ablehnt, trifft dies Argument bei der Klägerin gerade nicht zu. Da die Klägerin gerichtsbekanntermaßen generell versucht, Kosten bei Personal und Instandsetzungen so niedrig wie möglich zu halten und äußerst kostenbewusst ist, spricht die Tatsache, dass die Klägerin das Inkasso nicht an einen Dritten sondern an ein neu gegründetes Inkassounternehmen übertragen hat, wohl auch eher dafür, dass es hier auch darum geht, Einnahmen zu generieren. Die Kosten hätten allein durch die Auslagerung reduziert werden können. Nur dadurch, dass die Auslagerung im Konzern bleiben, konnten auch Einnahmen erzielt werden.
Auch das Argument, dass vorgerichtliche Anwaltskosten ggf ansonsten erstattungsfähig wären, überzeugt nicht. Auch hier gilt die Argumentation des BGH, wonach bei einem gewerblichen Großvermieter wie der Klägerin, die Einschaltung eines Anwalts in einfachen Fällen wie dem vorliegenden nicht notwendig und deshalb auch nicht erstattungsfähig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat hier die Inkassokosten als Hauptforderung geltend gemacht, so dass eine Kostenquote zu bilden war. Dabei hat das Gericht für die Geschäftsgebühr eine Verteilung von 80 Prozent zu Lasten des Beklagten und bei der Verfahrensgebühr von 10 Prozent zu Lasten des Beklagten berücksichtigt. Deshalb war es angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff 11 i.V.m. § 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, weil die Frage der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten für die Klägerin grundsätzliche Bedeutung hat. Bei 17.000 Mietverhältnissen allein in Dortmund wird diese Frage in unzähligen weiteren Verfahren immer wieder eine Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass die Klägerin diese Frage wie damals die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten bei der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs bis zum Bundesgerichtshof geklärt wissen will, was wegen des bundesweiten Auftretens der Klägerin auch sinnvoll wäre.
06.07.2017