Pressemitteilung Nr. 11/12
Nach der neuen Rechtsverordnung des Senats (Wohnaufwendungsverordnung -WAV- vom 3.4.2012) für die Wohnkostenübernahme von ALG-II-Empfängern werden weiterhin etwa 70.000 Bedarfsgemeinschaften Mieten zahlen, die über den Richtwerten liegen, so das Ergebnis einer Studie des Forschungsinstitutes TOPOS, die der Berliner Mieterverein e.V. in Auftrag gegeben hatte. Die Folge: Mit Aufforderungen zur Mietkostensenkung wird Druck auf die ALG-II-Bezieher ausgeübt. Der überwiegende Teil der Haushalte wird übergangsweise die Mehrkosten gegenüber den Leistungen des JobCenters durch Abzug vom Regelsatz aufbringen müssen, da preisgünstiger, richtwertkonformer Wohnraum am Wohnungsmarkt rar ist. „Die Sparpolitik des Berliner Senats wird auf dem Rücken der wirtschaftlich Schwächsten ausgetragen“, kritisiert der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, die neue Rechtsverordnung. Diese lege zu niedrige Richtwerte für die Wohnkostenübernahme fest, nötige den Jobcentern komplizierte und langwierige Antragsbearbeitungen auf und sei insgesamt nicht rechtssicher, bemängelte Wild. Ähnlich wie die bisherige Ausführungsvorschrift Wohnen unterstütze auch die neue Rechtsverordnung eine Stadtentwicklung, die arme und reiche Haushalte voneinander trennt, zur Überbelegung von Wohnungen beitrage und damit Bildungschancen von Kindern reduziere, heißt es beim Mieterverein.
Nach Verabschiedung der WAV vom 3.4.2012 sah sich der Berliner Mieterverein veranlasst, die Wirkungen der neuen Richtwerte einer Überprüfung zu unterziehen. Anlass war, dass der zuständige Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja (CDU), die Neuregelung vorrangig mit der Erhöhung der Energiekosten begründete und den Anstieg der Bestands- und Angebotsmieten unerwähnt ließ (siehe Senats-Pressemitteilung von 3.4.2012). Darüber hinaus hielt der Berliner Mieterverein aufgrund der jahrelang verzögerten Anpassung der bisherigen Richtwerte eine Prüfung für notwendig, ob die durch die neue Rechtsverordnung festgelegten Leistungen auch den verfassungsrechtlich gebotenen individuellen existenznotwendigen Bedarf decken (BVerfG vom 9.2.2010). Da der Senat keine Aussage dazu getroffen hat, in wie vielen Fällen er davon ausgeht, dass ALG-II-Haushalte im Verhältnis zu den neuen Richtwerte „nicht angemessene Mieten“ zahlen,hat der Berliner Mieterverein hierzu das Stadtforschungsinstitut TOPOS mit einer Kurzstudie beauftragt.
Stellungnahme des Berliner Mieterverein e.V. zur neuen WAV [PDF, 6 Seiten].
TOPOS-Studie zur den Auswirkungen der WAV auf Hartz-IV-Empfänger [PDF, 9 Seiten].
04.01.2017