Leitsatz:
Zur Anwendbarkeit einer Mietvertragsklausel nach der für die Betriebskosten das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses als vereinbarter Umlegungsmaßstab gilt, auf eine zu entrichtende Grundsteuer.
BGH v. 26.5.2004 – VIII ZR 169/03 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
von Frank Maciejewski
Im Mietvertrag über eine vermietete Eigentumswohnung war vereinbart:
„Als Umlegungsmaßstab für die Betriebskosten – mit Ausnahme der Heizungs- und Warmwasserkosten – gilt als vereinbart das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses.“
Die Grundsteuer stellte der Vermieter mit einem „Festbetrag“ in die Abrechnung ein, der auf dem bezüglich der vermieteten Eigentumswohnung ergangenen Grundsteuerbescheid beruhte.
Der Mieter hingegen meinte, dass der Umlagemaßstab „Verhältnis der Wohnfläche“ auch auf die Position Grundsteuer anzuwenden sei. Es sei wegen der eindeutigen Vertragsvereinbarung unbeachtlich, dass die Grundsteuer bei einer vermieteten Eigentumswohnung ausschließlich auf diese Wohnung entfalle. Das LG Berlin (ZMR 03, 739) hielt die Meinung des Mieters für unzutreffend, ließ aber die Revision zum BGH zu.
Der BGH bestätigte die Ansicht des Mieters. Dies folge aus der Auslegung der mietvertraglichen Klausel zur Betriebskostenumlage: Die formularmietvertragliche Vereinbarung, wonach für die Betriebskosten – mit Ausnahme der Heizungs- und Warmwasserkosten – das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses der vereinbarte Umlegungsmaßstab sei, finde nach dem Wortlaut auch auf die Grundsteuer Anwendung. Dafür dass dieser Umlegungsmaßstab für Betriebskosten, die sich der Wohnung konkret zuordnen lassen, nicht gelte, bestünden aus der Sicht des Mieters, die für das Verständnis der Klausel maßgeblich ist, keine erkennbaren Anhaltspunkte.
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Interessenlage. Zwar sei es grundsätzlich zutreffend, dass die Abrechnung von Betriebskosten, die sich der vermieteten Wohnung nach erfasstem Verbrauch (vgl. § 556 a Abs. 2 BGB) oder in sonstiger Weise konkret zuordnen lassen, nach diesem Maßstab grundsätzlich zulässig ist und regelmäßig auch interessengerecht sein wird. Ein wohnungsbezogener Maßstab sei jedoch nicht vorrangig. Soweit gesetzliche Vorschriften – wie die Heizkostenverordnung – nicht entgegenstehen, könne – wie vorliegend – ein anderer Abrechnungsmaßstab vereinbart werden, etwa der Flächenmaßstab.
Auch eine Umlage nach Miteigentumsanteilen anstelle des Flächenmaßstabes sei nicht aus dem Grund geboten, dass es sich bei dem vermieteten Wohnraum um Wohnungseigentum handele, da dem Vermieter die für die Abrechnung maßgebliche Gesamtfläche entweder bekannt – wie vorliegend aus den Abrechnungen ersichtlich – oder von ihm unschwer zu ermitteln sei. Des Weiteren sei es für die Auslegung der Klausel grundsätzlich ohne Bedeutung, dass der Abrechnungsmaßstab für den Vermieter nachteilig ist, da er nicht die vollständige Abwälzung der für die vermietete Eigentumswohnung zu entrichtenden Grundsteuer auf die Mieterin ermögliche.
Fazit:
Eine (scheinbar) durch und durch mieterfreundliche Entscheidung, deren Ergebnis jedoch denklogisch nur mit Mühen nachvollziehbar ist: Die Betriebskosten des Sondereigentums dürfen im Verhältnis zur Fläche der gesamten Wohnanlage umgelegt werden. Wer hätte dies vor dem 26. Mai 2004 für möglich gehalten!
- Offen bleibt jedoch, wie ein Mieter (aber auch ein Vermieter) praktisch die Kenntnis über die in der Eigentumswohnungsanlage insgesamt anfallende Grundsteuer erlangen kann. Beim WEG-Verwalter liegen die Bescheide über die Grundsteuer für die einzelnen Wohnungen nicht vor und ein Recht auf Einsichtnahme in die Bescheide der anderen Eigentümer steht weder dem vermietenden Eigentümer noch dem Mieter zu.
- Fraglich ist nach dieser Entscheidung auch, ob der BGH bei seiner Auffassung auch dann bleibt, wenn der flächenmäßige Umlagemaßstab der Grundsteuer im Einzelfall dazu führt, dass der Mieter mehr zahlen muss, als es dem Grundsteuerbescheid für seine gemietete Wohnung entspricht.
- Irritierend ist letztlich, dass der BGH mit keinem Wort auf den in der Mietrechtsliteratur und in der Rechtsprechung bestehenden Streit über die Zulässigkeit von mietvertraglichen Umlagemaßstäben bei einer vermieteten Eigentumswohnung eingeht (Stichwort: Betriebskostenrechtliche Behandlung der Eigentumswohnung wie ein Einfamilienhaus; vgl. Maciejewski MM 01, 51 m.w.N. und nunmehr Blank WM 04, 446 (448)).
09.05.2017