Leitsätze:
1. Zur Frage, ob die Parteien eines Vertrages, der das „Betreute Wohnen“ zum Gegenstand hat, Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters vereinbaren können, die sich tatbestandlich an die Bestimmungen des Heimgesetzes anlehnen (hier: beabsichtigte Aufgabe eines Senioren-Wohnsitzes).
2. Entfällt ein erheblicher Teil des Entgelts im Vertragsmodell „Betreutes Wohnen“, das sich aus Elementen des Miet-, Dienst- und Kaufvertragsrechts zusammensetzt, auf die angebotenen und vorgehaltenen Betreuungsleistungen, so kann das bei der rechtlichen Qualifikation des Vertragswerks nicht unbeachtet bleiben; der Eigenart eines solchen Vertragswerks wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich unter dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Bestimmungen desjenigen Vertragsrechts, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liegt, können gleichwohl herangezogen werden, wenn allein hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt wird.
BGH v. 21.4.2005 – III ZR 293/04 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
„Betreutes Wohnen“ unterliegt an sich dem Mietrecht – jedenfalls soweit es sich um die Raumüberlassung handelt (vgl. § 1 Abs. 2 HeimG).
Jedoch hat der Bundesgerichtshofs in dieser Entscheidung die vertragliche Vereinbarung von Kündigungsmöglichkeiten, die sich an das Heimgesetz anlehnen, für zulässig erachtet. Der III. Zivilsenat hat deshalb befunden, eine allein mietrechtliche Betrachtung der Vertragsbeziehung werde der Bedeutung der mit der Betreuung zusammenhängenden Vertragselemente nicht gerecht. Das zeige sich etwa bei einer Beendigung des Zwischenmietverhältnisses. Dass hier der Eigentümer des Wohnraums in das Mietverhältnis eintrete, sei eine angemessene Lösung für die Nutzung der Wohnung, entspreche aber nicht den Erwartungen des Mieters für die verabredeten Betreuungsleistungen. Nehme die Betreuung bei der vertraglichen Gestaltung keine untergeordnete Rolle ein, bestünden keine Bedenken gegen eine Kündigungsmöglichkeit bei einer Veränderung des Gesundheitszustands des Bewohners, wenn eine fachgerechte Betreuung nicht mehr möglich sei – hier stünden die Grenzen eines Betreuten Wohnens ohnehin in Frage – und bei einer Einstellung oder wesentlichen Veränderung des Betriebs des Senioren-Wohnsitzes. Zu dieser Kündigungsmöglichkeit hat der III. Zivilsenat ausgeführt, sie stehe keineswegs im freien Belieben des Betreibers, sondern sei nur gerechtfertigt, wenn die Fortsetzung des Vertrags für diesen eine unzumutbare Härte darstellen würde. In diesem Zusammenhang sei das Interesse des Vertragspartners, in der gewählten Einrichtung auf Dauer bleiben zu können, zu berücksichtigen. Zugleich sei zu beachten, dass mit einer solchen Kündigungsmöglichkeit nach dem HeimG die Pflicht verbunden sei, dem Bewohner eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen nachzuweisen und die Kosten des Umzugs in angemessenem Umfang zu tragen.
12.06.2018