Leitsatz:
Die Verurteilung eines Vermieters, eine Betriebskostenabrechnung zu erteilen, ist als Verurteilung zu einer nicht vertretbaren Handlung zu vollstrecken.
BGH v. 11.5.2006 – I ZB 94/05 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 7 Seiten]
Aus der Presseerklärung des BGH:
Der Bundesgerichtshof hatte über die Frage zu entscheiden, wie ein Urteil vollstreckt werden kann, das den Vermieter einer Mietwohnung verpflichtet, ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen für abgelaufene Abrechnungsperioden zu erteilen.
Diese Frage ist von den Gerichten bisher unterschiedlich beantwortet worden:
Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Mieter, der das Urteil erwirkt habe, müsse sich gerichtlich ermächtigen lassen, die Betriebskostenabrechnungen im Wege der Ersatzvornahme durch einen Dritten (zum Beispiel einen Sachverständigen) erstellen zu lassen (§ 887 ZPO).
Nach anderer Ansicht kommt eine Zwangsvollstreckung in dieser Weise grundsätzlich nicht in Betracht. Die Verurteilung zur Erteilung einer Betriebskostenabrechnung betreffe eine Handlung, deren Vornahme ausschließlich vom Willen des verurteilten Vermieters abhänge (so genannte nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO). Sie sei deshalb so durchzusetzen, dass der Vermieter auf Antrag des Mieters durch Zwangsgeld und – falls dieses nicht beigetrieben werden könne – durch Zwangshaft dazu anzuhalten sei, seiner Verpflichtung nachzukommen.
Der BGH hat dieser zweiten Ansicht zugestimmt. Bei der Verurteilung des Vermieters, eine Betriebskostenabrechnung vorzulegen, gehe es nicht nur um dessen Verpflichtung, das reine Rechenwerk zu erstellen. Bei dieser Abrechnung habe der Vermieter vielmehr auf Grund seiner besonderen Kenntnisse verbindlich zu erklären, welche Kosten im Einzelnen angefallen seien. Eine solche Rechnungslegung sei nur ihm möglich.
Aus den Gründen:
„… Der Gläubiger hat zu Recht beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gemäß § 888 ZPO durchzuführen.
1. Die Schuldnerin ist durch das Versäumnisurteil verurteilt worden, dem Gläubiger für dessen Mietwohnung Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 1999, 2000, 2001 und 2002 zu erteilen.
Danach ist Inhalt des Titels – entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts – nicht nur die Erstellung einer Abrechnung, sondern eine Rechnungslegung im Sinne des § 259 BGB.
2. Der Titel betrifft keine vertretbare Handlung, deren Vornahme im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO zu erzwingen wäre, sondern eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO (zum Meinungsstand hinsichtlich der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, wie eine Verurteilung zur Erteilung einer Betriebskosten- oder Nebenkostenabrechnung zu vollstrecken ist, vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 887 Rdn. 14, § 888 Rdn. 5; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 887 Rdn. 3, § 888 Rdn. 3; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 887 ZPO Rdn. 7; MünchKomm. ZPO/Schilken, 2. Aufl., § 887 Rdn. 7, § 888 Rdn. 4; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 BGB Rdn. 286; Gies in Hannemann/Wiegner, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 36 Rdn. 88; Schmidt/ Gohrke, WuM 2002, 593 f., jeweils m.w.N.).
a) Ein Titel hat eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht (vgl. Zöller/Stöber aaO § 888 Rdn. 2 m.w.N.). Von einer nicht vertretbaren Handlung ist auch dann auszugehen, wenn Teile der Handlung auch von einem Dritten vorgenommen werden könnten (vgl. OLG Köln WuM 1997, 245, 246).
b) Anders als die Erstellung einer Abrechnung auf Grund vorhandener Unterlagen, die eine vertretbare Handlung wäre, ist die Erteilung einer Betriebskostenabrechnung eine nicht vertretbare Handlung. Grundlage für diese Abrechnung ist die Rechnungslegung des Schuldners über die Betriebskosten in den betreffenden Abrechnungsperioden. Diese Rechnungslegung setzt verbindliche Erklärungen des Schuldners auf Grund seiner besonderen Kenntnisse voraus, die dementsprechend nur von ihm abgegeben werden können (vgl. Stein/Jonas/ Brehm aaO § 887 Rdn. 14; Walker in Schuschke/Walker aaO § 887 ZPO Rdn. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 887 Rdn. 15).
3. Der Gläubiger beantragt die Vollstreckung des Titels nach seinem vollen Inhalt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem Gläubiger die Unterlagen, die für die Erstellung der Betriebskostenabrechnungen erforderlich sind, bereits zugänglich sind. Auf die Frage, ob er sein Interesse an der Rückzahlung möglicherweise zu viel gezahlter Betriebskostenvorschüsse auch auf anderem Weg sichern könnte – etwa durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich laufender Mietkostenvorschüsse, solange die Betriebskostenabrechnungen noch nicht erteilt wurden, oder durch Rückforderung der geleisteten Vorschüsse -, kommt es dabei, entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, nicht an. …“
25.10.2017