Calvinstraße 21 vor dem Bundesgerichtshof -
Fatales Signal

Mieter müssen es hinnehmen, wenn ihre Fenster durch einen Neubau zugemauert werden. Dieses Signal sendete der Bundesgerichtshof (BGH) aus, als er die Revision im Fall Calvinstraße 21 zurückwies. Der Fall könnte Nachahmer mit fatalen Folgen auf den Plan rufen.

Das Bad- und das Küchenfenster von Mieterin Helga Brandenburger sind mittlerweile bundesweit bekannt. Im April 2010 wurden sie einfach zugemauert, als auf dem Nachbargrundstück ein Neubau errichtet wurde. Dieses skandalöse Beispiel von Vermieterwillkür rief allenthalben Empörung hervor, erhielt nun aber höchstrichterlichen Segen. Der BGH meint, die Mieterin hätte keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Fenster, denn der dazu erforderliche Teilabriss des Neubaus stünde in einem „krassen Missverhältnis“ zum Nutzen der freigelegten Fenster.

„Mit dem BGH-Beschluss wird ein fatales Signal gesetzt“, sagt Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. Der BGH betont, wie teuer der Rückbau wäre, lässt aber außer Acht, dass der Eigentümer selbst diese Situation vorsätzlich herbeigeführt hat. Im Klartext: Wer teure Tatsachen schafft, hat eine gute Chance, damit durchzukommen. Rechtsanwalt Christoph Müller, der Helga Brandenburger und drei weitere Mietparteien des Hauses vertritt, fürchtet einen Nachahmeffekt.

Der pensionierte Richter Werner Noffke hält den BGH-Beschluss für „höchstgradig bedauerlich“. Er hatte noch in der ersten Instanz am Amtsgericht Tiergarten entschieden, dass die Mauer entfernt werden muss.

Nun hat er persönlichen Kontakt zu den Mietern. „Es tut weh mitzuerleben, welchen Belastungen die Mieter ausgesetzt waren und sind. Und es ist erschreckend zu sehen, wie sie dabei leiden“, so Noffke.

Die Mieter geben nicht auf. Aktuell wehren sie sich gegen eine Klage, die ihnen ein Protestplakat verbieten will. Außerdem läuft eine Verfassungsbeschwerde gegen die verweigerte Mietminderung wegen das Baulärms. Christoph Müller: „Die Calvinstraße wehrt sich weiter.“

Jens Sethmann

MieterMagazin 3/14

Helga Brandenburgers Küchenfenster ist seit vier Jahren zugemauert
Foto: Sabine Münch