Pressemitteilung Nr. 19/14
In mindestens zwei Miethöheverfahren haben Vermieter versucht, ihre Mieterhöhungen vor Gericht mit der aus Sicht des Berliner Mietervereins unsubstantiierten Behauptung, der Berliner Mietspiegel sei hinsichtlich der Wohnlageeinordnung nicht qualifiziert, durchzubekommen. Dennoch wollen die 63. Kammer des Berliner Landgerichts (Az 63 S 220/11) und das Amtsgericht Charlottenburg (Az 235 C133/13) nunmehr nach Beweisbeschlüssen gutachterlich klären lassen, ob die Berliner Mietspiegel 2009 (Landgericht) und 2013 (AG Charlottenburg) auf anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, insbesondere hinsichtlich der Wohnlage, beruhen. Der in beiden Fällen beauftragte Gutachter, Professor Dr. Walter Krämer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik der TU Dortmund, kommt zu dem Ergebnis, dass beide Mietspiegel die Anforderungen eines qualifizierten Mietspiegels nicht erfüllen.
„Wir halten die Schlussfolgerungen von Dr. Krämer für haltlos“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Die Gutachten selbst weisen zudem schwere Mängel auf“. So hat Dr. Krämer beim Mietspiegel 2009 weder die Methodik der Erstellung der Berliner Wohnlagenkarte noch die Wohnlageneinstufung des streitgegenständlichen Gebäudes systematisch im Rahmen der Wohnlagendifferenzierung untersucht. Stattdessen fallen die Gutachten durch willkürlich individuelle Wertungen auf. So habe der Gutachter in der Umgebung des streitgegenständlichen Gebäudes (Mietspiegel 2009) eine Filiale einer angesagten Fußbekleidungsfirma entdeckt, was darauf schließen lasse, dass die einfache Wohnlageeinordnung nicht zutreffend sei. Im Mietspiegel 2013 sieht der Gutachter bei der Bewertung der Wohnlage die Veranstaltung eines Flohmarktes als wichtiges Indiz, um die Wohnlageneinordnung zu monieren. Auch an dieser Stelle wird die Methodik, mit der die Wohnlageneinstufungen vorgenommen werden, ignoriert und durch eine persönliche Wertung des Gutachters ersetzt.
„Wenn es bei mehr als 300.000 Adressen im Einzelfall zu einer fehlerhaften Wohnlageneinordnung kommt, führt das nicht dazu, dass der Berliner Mietspiegel seine Eigenschaft als qualifizierter Mietspiegel verliert“, so Wild, „Wohnlagenänderungsanträge werden nach wissenschaftlichen Kriterien umfassend durch das beauftragte Forschungsinstitut sowie durch die Arbeitsgruppe Mietspiegel geprüft.“ In den streitgegenständlichen Verfahren hatten die Vermieter im Übrigen keine Wohnlageänderungsanträge gestellt.
„Wir erinnern daran, dass die Berliner Mietspiegel 2009 und 2013 neben dem Auftraggeber Senat auch von allen Vermieter- und Mieterverbänden als qualifizierte Mietspiegel anerkannt wurden. Dieser Konsens sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden“, so Wild.
In Anbetracht der massiven Renditeerwartungen auf dem Wohnungsmarkt befürchtet der Berliner Mieterverein weitere Angriffe auf den Mietspiegel. „Es ist aus unserer Sicht daher unumgänglich, Standards zu setzen für die Erstellung der Mietspiegel und dieses Instrument durch einheitliche Vorgaben zu stärken. Dies könnte in Form einer Rechtsverordnung für die Erstellung von Mietspiegeln auf Bundesebene erfolgen“. Damit befindet sich der Ball beim Bundesjustizminister.
Sollten die Richter dem Gutachter folgen und sich die Meinung, die Berliner Mietspiegel seien nicht qualifiziert, als beherrschend herausstellen, dann wird zukünftig vermehrt mit teuren Gutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten zu rechnen sein. Daran kann weder den Vermietern noch den Mietern gelegen sein. Im besonderen Maße leidtragend wären jedoch die Mieter, weil Miethöhestreitigkeiten zu einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko würden. Ursache dafür ist, dass nur für den qualifizierten Mietspiegel im gerichtlichen Überprüfungsverfahren von Mieterhöhungen die „Vermutung der Richtigkeit“ gilt. Nachteilig wäre zudem, dass Vermieter in verstärktem Maße bei der Begründung der Mieterhöhungen mittels Vergleichswohnungen auf die Benennung des betreffenden Mietspiegelfeldes verzichten würden und damit Hinweise zur Überprüfung des Mieterhöhungsverlangens unterblieben.
„Der Berliner Mietspiegel zählt deutschlandweit wegen seiner anwenderfreundlichen Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu den besten seiner Art“, erklärte Wild. „Es gibt keinerlei Veranlassung ihn abzuschießen“.
18.06.2014