Leitsatz:
Zur Anpassung eines Wohnraummietvertrags wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage, wenn sich die vom Vermieter einseitig nach §§ 10, 8a WoBindG vorgenommenen Mieterhöhungen nach langjähriger Mietdauer deswegen als unwirksam erweisen, weil die Wohnung entgegen der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien bei Vertragsschuss mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (hier: § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG) nicht der Preisbindung unterliegt.
BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Altbau, in dem die Mieterin seit 1981 wohnte, wurde Ende der 1970er Jahre von der Wohnungsbaugesellschaft mit öffentlichen Mitteln saniert. Die Mietvertragsparteien gingen davon aus, dass es sich um preisgebundenen Wohnraum nach § 17 II. WoBauG handele. Jahrelang wurden Mieterhöhungen nach § 10 WoBindG vorgenommen und von der Mieterin bezahlt. Als herauskam, dass die Voraussetzungen des § 17 II. WoBauG nicht vorlagen und es sich bei der Wohnung tatsächlich um eine preisfreie Wohnung handele, verlangte die Mieterin Rückzahlung der von ihr in den Jahren 2004 bis 2007 gezahlten Mieten, soweit die Zahlungen über einen Betrag von monatlich 194,11 Euro, dem Ausgangsmietzins bei Vertragsbeginn, hinausgegangen sind – insgesamt rund 12.600 Euro. Darüber hinaus begehrte sie die Feststellung, dass die Grundmiete ab 1. Januar 2008 194,11 Euro nicht übersteige.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Preisgebundenheit der Wohnung Geschäftsgrundlage des Mietvertrags geworden und der Vermieterin bei Fehlen dieser Geschäftsgrundlage ein unverändertes Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten sei. Denn die vor mehr als 25 Jahren vereinbarte Ausgangsmiete betrage nur 40 Prozent der von der Vermieterin zuletzt verlangten Kostenmiete und nur etwa 44 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete des Jahres 2007. Die Vermieterin könne Mieterhöhungen nach der für nicht preisgebundenen Wohnraum geltenden Vorschrift des § 558 BGB für die Vergangenheit nicht mehr nachholen und den Stand der ortsüblichen Vergleichsmiete auch für die Zukunft mit Rücksicht auf die in § 558 BGB enthaltenen zeitlichen und prozentualen Beschränkungen auf absehbare Zeit nicht erreichen. Ohne eine Vertragsanpassung bestünde daher ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
Obergrenze für eine Vertragsanpassung sei aber die ortsübliche Vergleichsmiete, die im konkreten Fall rund 45 Euro unter der letzten von der Vermieterin geforderten Miete lag.
14.01.2013