Leitsätze:
a) Der Mieter hat keinen Anspruch auf Kostenvorschuss für Maßnahmen, die zur nachhaltigen Mangelbeseitigung ungeeignet sind.
b) Zum Ausschluss des Mangelbeseitigungsanspruchs des Mieters wegen Überschreitens der „Opfergrenze“ für den Vermieter (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 342/03, NJW 2005, 3284).
BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter hat keinen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung nach § 536 a Absatz 2 BGB, wenn die Maßnahmen, die er mit diesem Geld durchführen will, zwecklos sind. Im vorliegenden Fall wollte der Mieter Setzrisse seines gemieteten Einfamilienhauses beseitigen lassen ohne zuvor Untersuchungen zu den Rissursachen veranlasst zu haben, um Klarheit insbesondere hinsichtlich der Art und des Umfangs der Sanierung des Gebäudes zu erhalten. Wie sich aus einem Gutachten ergab, wären zur Behebung der Rissursache Sanierungsmaßnahmen im Baugrund erforderlich gewesen. Da der Mieter nur Anspruch auf Vorschuss für solche Maßnahmen hat, die zu einer nachhaltigen Mängelbeseitigung geeignet sind, muss er die Mängelursache selbst feststellen lassen, wenn die Eignung der von ihm beabsichtigten Maßnahmen von der Ursache des Mangels abhängt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs endet die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort, wo der dazu erforderliche Aufwand die sogenannte „Opfergrenze“ (vgl. § 275 Absatz 2 BGB) überschreitet. Wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss von Fall zu Fall wertend ermittelt werden. Eine Überschreitung der „Opfergrenze“ lässt sich nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten. Erforderlich ist vielmehr eine Würdigung aller Umstände. Es darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts andererseits.
Das Landgericht hatte im vorliegenden Fall in diesem Zusammenhang unterstellt, dass einem aktuellen Verkehrswert des Hauses von 28 000 Euro Sanierungskosten in Höhe von mindestens 95000 Euro gegenüber stehen und damit jedenfalls rechnerisch ein grobes Missverhältnis zwischen dem behaupteten Verkehrswert und der behaupteten Höhe der Sanierungskosten vorliegt. Es hat jedoch angenommen, dass die Vermieterin sich aufgrund der Umstände des Falles – hier: jahrelang unterlassene Instandsetzung („Instandsetzungsstau“) – auf das Missverhältnis nach Treu und Glauben nicht berufen könne. Der Bundesgerichtshof kam jedoch zu einer anderen Beurteilung und verwies die Sache an das Landgericht zu erneuter Entscheidung zurück.
Festzuhalten bleibt: Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehenden Missverhältnisses zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen. Ein auffälliges Missverhältnis indiziert eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze.
15.05.2017