Zur Kündigung eines Mietverhältnisses gegenüber mehreren Mietern.
BGH vom 10.12.2014 – VIII ZR 25/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Zwei Schwestern schrieben am 1.2.2012 an den Vermieter der Wohnung ihrer verstorbenen Mutter folgendes: „… Wir haben mit unserer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und sind nun nach § 563 Abs. 2 BGB per Gesetz an die Stelle unserer Mutter in das Mietverhältnis getreten. Hiermit erklären wir, dass wir das bestehende Mietverhältnis fortsetzen wollen. Weitere Erben oder Anspruchsberechtigte gibt es nicht. Die Miete wird in Zukunft von Sophie S. überwiesen. Im Schriftverkehr wenden Sie sich bitte auch an Sophie S. .“
Hierauf kündigte der Vermieter. Als Empfänger ist in dem Kündigungsschreiben unter der Anschrift der streitgegenständlichen Wohnung angegeben: „Frau S. , Sophie“, wobei der Vorname handschriftlich eingefügt ist.
In dem Kündigungsschreiben heißt es: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit mache ich von meinem Sonderkündigungsrecht lt. BGB § 563 (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) Gebrauch, da Sie nicht im Haushalt Ihrer Mutter gelebt haben. Ich kündige zum nächstmöglichen Zeitpunkt fristgerecht …“
Auf dem Schreiben befindet sich ein handschriftlicher Vermerk, der von Sophie S. unterschrieben ist: „Am 29.2.12 erhalten: Diese Kündigung wird umgehend an die Schwester, Frau Carolin S. weitergeleitet.“
Im Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit der Kündigung, insbesondere darum, ob die Kündigung gemäß § 564 BGB gegenüber sämtlichen Erben als Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mieters erfolgt war.
Der BGH bejahte dies, indem er die vermieterseitigen Willenserklärungen so auslegte, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger sei verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint habe.
So habe der Vermieter seine auf § 564 BGB gestützte Kündigung ersichtlich an beide Töchter als nach dem Tod der Mieterin in Betracht kommende Erben richten wollen, wie allein schon der auf das Kündigungsschreiben gesetzte Weiterleitungsvermerk zeige, der für alle Beteiligten ersichtlich war.
Zwar sei ein entsprechender Wille des Vermieters aus der maßgeblichen Sicht der Carolin S. als Empfängerin nicht schon der allgemein gehaltenen Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu entnehmen, wohl jedoch dem Inhalt des handschriftlichen Zusatzes auf diesem Schreiben. Hiernach verpflichtete sich die Sophie S., die Kündigung umgehend an die namentlich genannte Schwester weiterzuleiten.
Dem Vermerk den Sinn beizumessen, die Schwester Carolin habe auf diesem Weg lediglich von der Kündigung gegenüber ihrer Schwester Sophie erfahren sollen, werde dem Erklärungsgehalt des Zusatzvermerks nicht gerecht. Eine derart beschränkende Erklärungsbedeutung hätte für den Vermieter in rechtlicher Hinsicht keinen Sinn ergeben. Ihm ging es ersichtlich nicht um eine Kenntnis der Schwester von der gegenüber der anderen Schwester erfolgten Kündigung, sondern um die Beendigung des Mietverhältnisses insgesamt. Dies war nur durch die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber beiden Töchtern der verstorbenen Mieterin als deren Erbinnen zu erreichen. Dieser objektive Erklärungsgehalt des Weiterleitungszusatzes konnte einem redlichen Erklärungsempfänger nicht verborgen bleiben.
Das von Sophie und Carolin S. gemeinsam verfasste und unterzeichnete Schreiben vom 1.2.2012 enthalte eine Bevollmächtigung der Sophie durch die Mitmieterin Carolin S. zur Entgegennahme von Willenserklärungen des Vermieters, die das Mietverhältnis betreffen. Dem Schreiben sei zu entnehmen, dass (nur) die Sophie S. in der Wohnung wohnen werde, während Carolin S. in einer anderen Stadt wohne. Zudem werde weiter mitgeteilt, dass die Miete in der Zukunft allein von der Sophie S. gezahlt werden würde. Jedenfalls unter diesen Umständen, die es nahelegen, dass alle Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag im Innenverhältnis der Mieterinnen bei der Sophie liegen sollten, sei die auch von Carolin S. geäußerte Bitte, den Schriftverkehr an die Beklagte zu richten, aus der maßgeblichen Sicht des Vermieters als Erteilung einer Vollmacht zur Entgegennahme von Willenserklärungen aus dem Mietverhältnis auszulegen.
14.10.2017