Mit Hochdruck arbeiten Berliner Senatsstellen und Bezirke daran, für die eintreffenden Flüchtlinge sogenannte Erstaufnahme-Unterkünfte zu schaffen. Wird ihr Asylantrag positiv entschieden, dürfen sie in eine Wohnung ziehen oder sich ein Zimmer suchen. Wie schwierig das auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt ist, liegt auf der Hand. Die Mithilfe der Berliner ist gefragt.
20.000 Flüchtende sind bis Anfang September in Berlin angekommen. Wie viele noch bis zum Jahresende hinzukommen, ist ungewiss: Zahlen aus dem Innenministerium nennen weitere 20.000, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller spricht von 50.000. Über das Jahresende hinausgehende Schätzungen wagt überhaupt niemand mehr abzugeben. In der Vergangenheit wurden rund zwei Drittel der in Deutschland ankommenden Asylantragsteller ein sogenannter Schutzstatus gewährt – wenn nicht Asyl, dann Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention oder ein Abschiebeschutz.
Wie auch immer sich die Zahlen entwickeln werden: Es wird in Berlin zigtausende Schutzbedürftiger geben, die man möglichst schnell außerhalb der umgenutzten Behördengebäude, Turnhallen und Flugzeughangars unterbringen muss. Von Seiten der städtischen Wohnungsunternehmen stehen jährlich 275 Ein- und Mehrzimmerwohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung – nach einer Vereinbarung zwischen den Wohnungsunternehmen und der Senatsverwaltung für Soziales, die vor Jahren getroffen wurde, als die Zahl der Asylsuchenden in Berlin noch zwischen 1000 und 2000 Personen pro Jahr gelegen hat. Dieses Kontingent ist ein Tropfen auf den heißen Stein und macht deutlich: In der Frage der Wohnungsversorgung für die Ankommenden ist jetzt jede hilfreiche Hand willkommen.
In Berlin hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) beauftragt, das Zusammenkommen von wohnungssuchenden Flüchtlingen und Anbietern von Wohnraum zu koordinieren. Auf der Internet-Seite des EJF (siehe Randspalte) erhält man die erforderlichen Informationen und Dokumente. Man erfährt, dass das Angebot eine Mindestfläche abhängig von der Personenzahl und bestimmte Mindeststandards („Herd und Spüle“) aufweisen muss. Und kann in Tabellen nachsehen, welche Miet- und Heizkostensätze das LaGeSo übernimmt. Potenzielle Wohnungsgeber schicken ihr Angebot an das EJF. Entspricht es den Vorgaben, vermittelt das Hilfswerk einen Besichtigungstermin – wenn erforderlich, auch mehrfach mit verschiedenen Anwärtern.
Bei Vermietern und Hauptmietern, die einen Teil ihrer Wohnung vermieten wollen, vermittelt das Hilfswerk allerdings nur, wenn Wohnungsgeber und Mieter sich persönlich kennen. Zu häufig hat das EJF die Erfahrung gemacht, dass ein allzu enges Zusammenwohnen von Personen, die sich fremd sind, mit Konflikten beladen ist.
Aber es gibt auch für Anbieter von untervermietbaren Einzelräumen oder Wohngemeinschaftszimmern Institutionen, die Flüchtlinge vermitteln. Ein empfohlener und seriöser Anbieter ist die Initiative „Flüchtlinge Willkommen“ (siehe unten).
Dieses bundesweit aktive Internetportal nimmt Zimmerangebote entgegen und vermittelt über lokale Partner Flüchtlinge, die auf Zimmersuche sind. Angesprochen soll sich fühlen, wer das Zusammenwohnen als gegenseitige Bereicherung betrachtet: Hier der Ankommende, der bei seiner Eingewöhnung in der neuen Heimat an die Hand genommen wird und die Sprache schneller lernt, dort der Wohnungsgeber, der eine fremde Kultur kennenlernen und seine Bereitschaft zu helfen in die Praxis umsetzen kann. Auch die Verantwortlichen der Initiative wissen um das Konfliktpotenzial, wenn Leute zusammenziehen, die sich nicht kennen und kulturell fremd sind. Deshalb wird versucht, durch gezielte Auswahl Menschen zusammenzubringen, die auch zusammenpassen.
Ist man selber Mieter, muss man als Anbieter eines Zimmers oder Wohnungsteils beachten, dass eine Untervermietungserlaubnis vorliegt (siehe Kasten). Ansonsten gilt für die Vermietung an Flüchtlinge, was für die Vermietung an jeden anderen auch zutrifft. Im Fall einer Wohnungsvermietung ist der Mieter in der Regel nicht kündbar, es sei denn, es liegt ein Eigenbedarf des Vermieters vor. Bei der Vermietung eines Teils der Wohnung oder eines Zimmers gilt das „Einlieger“-Mietrecht, wenn der Ver- oder Hauptmieter mit in der Wohnung wohnt. Kündigungsfrist: drei Monate zusätzlich zur von der Wohndauer abhängigen gesetzlichen Kündigungsfrist – also mindesten sechs Monate.
Wird ein möbliertes Zimmer an eine Einzelperson vermietet, dann kann jederzeit bis zum 15. eines Monats zum Monatsende der Vertrag gekündigt werden. Familien sind davon ausgenommen.
Sicherheit spielt eine große Rolle
Bei den Hilfsorganisationen für Flüchtlinge bittet man Anbieter von Unterkünften, sich selbstkritisch Gedanken über den zeitlichen Horizont ihrer möglichen Hilfsbereitschaft zu machen. Häufig haben die in Deutschland Ankommenden schlimme Kriegserlebnisse, den Verlust von Angehörigen, eine aufreibende Flucht und die Unsicherheit in einem neuen Land zu bewältigen. Da spielt es eine große Rolle, dass wenigstens die neue Bleibe eine gewisse Sicherheit bietet.
„Flüchtlinge willkommen“ vermittelt daher auch erst ab einem Mindestvermietungszeitraum von drei Monaten beziehungsweise einem Jahr, wo eine Kostenübernahme durch Ämter erforderlich ist.
Udo Hildenstab
Ist Flüchtlingshilfe ein berechtigtes Interesse zur Untervermietung?
Wer als Mieter ein Zimmer oder einen Teil seiner Wohnung an einen (oder mehrere) Flüchtlinge untervermieten will, braucht das schriftliche Einverständnis des Vermieters. Sollte das im Mietvertrag nicht schon enthalten sein, kann man beim Vermieter darum nachsuchen. Im Falle eines sogenannten berechtigten Interesses ist der Vermieter sogar verpflichtet, sein Einverständnis zu geben. War das in der bisherigen Vermietungspraxis beispielsweise der Fall, wenn man einen nahen Angehörigen in die Wohnung aufnehmen wollte oder aber wirtschaftliche Gründe (etwa plötzliche Arbeitslosigkeit) die Untervermietung erforderten, so gehen Rechtsexperten davon aus, dass auch die akute Frage der Flüchtlingsunterbringung ein – gesellschaftlich betrachtet – berechtigtes Interesse an der Untervermietung darstellt. Einschlägige Urteile gibt es noch nicht, dazu ist die Frage zu neu. Einwände kann ein Vermieter aber vorbringen, wenn es zu einer Überbelegung der Wohnung kommen würde und wenn nachvollziehbare Gründe gegen die Person des vorgesehenen Untermieters vorliegen.
uh
Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk, Informationen und Dokumente zur Vermietung an Flüchtlinge: www.ejf.de
E-Mail: wohnungen-fuer-fluechtlinge@ejf.de
Bundesweite Initiative zur Vermittlung von Zimmern und Teilwohnungen: www.fluechtlinge-willkommen.de
BMV-Info Nr. 8: „Untermiete und Untervermietung“ unter www.berliner-mieterverein.de/recht/infoblaetter/info-8-untermiete-und-untervermietung-hauptmieter-und-untermieter.htm
05.01.2018