Leitsätze:
Eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Zwischenmieter – nach dem Zweck des mit dem Eigentümer abgeschlossenen Vertrages – die Weitervermietung zu Wohnzwecken mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausüben soll (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 3.7.1996 – VIII ZR 278/95, BGHZ 133, 142, 148).
Hieran fehlt es, wenn der Eigentümer mit einer Mieter-Selbsthilfegenossenschaft einen Mietvertrag abschließt, der die Weitervermietung des Wohnraums an deren Mitglieder zu einer besonders günstigen Miete vorsieht. Bei einem derartigen Handeln des Zwischenmieters im Interesse der Endmieter kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer der gewerblichen Weitervermietung vergleichbaren Interessenlage der Beteiligten fehlt.
BGH vom 20.1.2016 – VIII ZR 311/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter eines Mehrfamilienhauses verlangte die gerichtliche Feststellung, dass zwischen ihm und dem Endmieter eines Zwischenmietvertrags keine Mietverhältnisse bestehen.
Er hatte das stark sanierungsbedürftige Haus für 20 Jahre an eine Selbsthilfegenossenschaft vermietet, die umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen musste und nur einen Mietpreis von 1,50 DM pro Quadratmeter und Monat an ihn zahlte. Die Selbsthilfegenossenschaft schloss im Laufe der Zeit mit ihren Mitgliedern Mietverträge über die einzelnen Wohnungen zu einer Miete zwischen 1,80 und 2,86 Euro pro Quadratmeter.
Gemäß des Hauptmietvertrages war die Selbsthilfegenossenschaft nach Ablauf des Nutzungsvertrages berechtigt, bisherige Nutzer als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen. Dabei sollte die Eigentümerin verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.
Nach Ablauf der 20 Jahre stellten sich die Endmieter auf den Standpunkt, der Vermieter sei in diese Endmietverträge nach § 565 BGB eingetreten, sie müssten weiterhin nur die niedrigen Mieten zahlen.
Der BGH entschied anders: Der Vermieter sei nicht gemäß § 565 BGB in die zwischen der Genossenschaft und den Endmietern abgeschlossenen Mietverträge eingetreten.
§ 565 BGB regele den Fall, dass der Mieter (hier: die Genossenschaft) nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten (hier: den Endmietern) zu Wohnzwecken weitervermieten soll. Sie ordne insoweit an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrages in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintrete.
Die Voraussetzungen für einen solchen Eintritt des Vermieters seien hier nicht gegeben. Denn bei der im Hauptmietvertrag vorgesehenen Weitervermietung an die Mitglieder der als Zwischenmieterin handelnden Selbsthilfegenossenschaft handele es sich nicht um eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 565 BGB. Der Regelungszweck dieser Vorschrift ziele nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschalte, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolge. In einem solchen Fall stelle § 565 BGB den Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewähre ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Eine grundlegend andere Interessenlage bestehe hingegen, wenn – wie hier – der Vertragszweck des Hauptmietvertrages nicht die gewerbliche Weitervermietung ist, sondern der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke – wie hier in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder (der Bewohner des Gebäudes) durch die aus ihnen bestehende Selbsthilfegenossenschaft – verfolge. Denn die Zwischenvermietung erfolge dann vor allem im Interesse des Endmieters. Da der Zwischenmieter in diesem Fall die Interessen des Endmieters in der Regel bereits bei der Gestaltung des Hauptmietvertrags wahrnehme, bestehe nicht die Notwendigkeit, den Mieter darüber hinaus bei Beendigung des Hauptmietvertrages zusätzlich dadurch zu schützen, dass der Eigentümer gemäß § 565 BGB als Vermieter in den Mietvertrag eintritt. Vielmehr seien derartige Fälle aufgrund des engen Verhältnisses zwischen dem Endmieter und dem Zwischenmieter eher mit der klassischen Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages ebenfalls keinen Kündigungsschutz genieße.
Im vorliegenden Fall diente die Weitervermietung nicht der Gewinnerzielung oder sonst einem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Genossenschaft, sondern vielmehr dem Interesse ihrer Mitglieder – der Bewohner des Gebäudes – und der Verwirklichung eines Sanierungskonzeptes, das zwischen den Interessen der Eigentümer und der bisherigen Nutzer einen Ausgleich unter Zuhilfenahme öffentlicher Fördergelder herbeiführen sollte. Hierbei habe die Genossenschaft bei Abschluss des Hauptmietvertrages die Interessen ihrer Mitglieder, nämlich der Endmieter, wahrgenommen. Sie habe dafür gesorgt, dass der Wohnraum den bisherigen Nutzern erhalten blieb und diese in der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung Mietverträge zu einer ungewöhnlich niedrigen Miete erhielten. Zugleich habe sie in dem von ihr abgeschlossenen Hauptmietvertrag Vorsorge dafür getroffen, dass die bisherigen Nutzer auch nach Beendigung des Hauptmietvertrages zu angemessenen Bedingungen in den Wohnungen bleiben könnten.
Bei dieser Sachlage komme weder eine direkte Anwendung des § 565 BGB noch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht.
22.11.2016