Das Bezirksamt Neukölln gibt nach und nach seinen Widerstand gegen den Milieuschutz auf. Zwei erste Gebiete werden in Kürze ausgewiesen. In diesem Jahr wird ganz Nord-Neukölln daraufhin überprüft, ob die Voraussetzungen für einen Milieuschutz vorliegen. Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert allerdings mehr Biss.
Für die Gebiete Reuterplatz und Schillerpromenade wird die soziale Erhaltungsverordnung – so der offizielle Name des Milieuschutzes – im Sommer rechtskräftig. Dort werden dann übermäßig teure Modernisierungen, Wohnungszusammenlegungen, Abrisse und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagt. Ziel des Milieuschutzes ist es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten und die Verdrängung der Bewohner zu vermeiden.
2013 hatte der Bezirk Forderungen aus dem Reuterkiez nach einem Milieuschutz noch eine kategorische Absage erteilt. Erst unter dem anhaltenden Druck des „Neuköllner Mietenbündnisses“ fasste der Bezirk im Herbst 2015 die Aufstellungsbeschlüsse für Reuterplatz und Schillerpromenade. Das bis zur endgültigen Festlegung noch einmal Monate vergehen, liegt an der Personalsituation. Der Bezirk muss erst neue Mitarbeiter einstellen.
Für drei weitere Kieze laufen zurzeit die Untersuchungen. In den Gebieten Flughafenstraße/Donaustraße, Rixdorf und Rollberg/Körnerpark wurde im April an jeden dritten Haushalt ein Fragebogen verschickt. Mit den Angaben der Bewohner zu Wohndauer, Miethöhe und Einkommen wird ermittelt, ob der Milieuschutz auch hier ein sinnvolles Instrument ist. „Unser Ziel ist es, vor der Sommerpause die Untersuchungen abgeschlossen zu haben“, sagt Oliver Türk vom Stadtplanungsamt. Im Herbst sind dann die Untersuchungen für die letzten beiden Gebiete Treptower Straße/Hertzbergplatz und Silbersteinstraße/Glasower Straße vorgesehen.
Die Neuköllner Hinwendung zum Milieuschutz hat auch Schwachstellen. So will das Bezirksamt das Vorkaufsrecht nicht ausüben – anders als beispielsweise Friedrichshain-Kreuzberg. Dort wird gegenüber einem Eigentümer, der sich nicht an die Milieuschutz-Vorgaben halten will, dieses Recht ausgeübt. Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) über seinen Amtskollegen: „Was Herr Panhoff in Kreuzberg macht, ist eine ganz, ganz schwierige Sache. Und er ist damit auch noch nicht durch.“ Der BMV hält den Verzicht auf das Vorkaufsrecht für falsch. „Oft genügt schon die Drohung, und man muss das Vorkaufsrecht gar nicht anwenden“, sagt der Neuköllner BMV-Bezirksleiter Willi Laumann. „Uns ist auch wichtig, dass für die drei Untersuchungsgebiete noch vor der Sommerpause Aufstellungsbeschlüsse gefasst werden.“ Mit einem solchen Beschluss kann die Verwaltung dort Bauanträge zurückstellen. Die BMV-Bezirksgruppe hat nämlich beobachtet, dass einige Eigentümer vor dem Milieuschutz schnell noch versuchen, umfangreiche Modernisierungen durchzusetzen.
Jens Sethmann
03.03.2018