In Berlin ist die Zahl der Baugenehmigungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das heißt aber nicht, dass entspechend viele Wohnungen neu gebaut wurden. Rund 40 Prozent der Baugenehmigungen bleiben ungenutzt. Es ist offensichtlich, dass mit den Baugrundstücken spekuliert wird. Mit einem positiven Bauvorbescheid oder einer erteilten Baugenehmigung sind Grundstücke deutlich mehr wert. Wie kann man diese Spekulation stoppen?
Zwischen 2010 und 2014 wurden rund 54.500 Wohnungen zum Bau genehmigt, aber nur 29.600 tatsächlich fertig gestellt (siehe Diagramm). Viele Eigentümer, die gar nicht daran denken, selbst zu bauen, lassen sich vom Bauamt eine Baugenehmigung ausstellen, damit sie das Grundstück deutlich teurer verkaufen können. Durch diese Spekulation wird nicht nur der Bau neuer Wohnungen erheblich verzögert, sondern auch stark verteuert, denn derjenige, der am Ende tatsächlich die Wohnungen baut, muss den spekulativ hochgetriebenen Grundstückspreis refinanzieren.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat deshalb eine „Spekulationssteuer“ angekündigt. Wie das gehen kann, lotet er zurzeit zusammen mit dem Finanzsenator aus. Eine Möglichkeit bietet sich durch eine Reform der Grundsteuer, wie sie seit langem auf Bundesebene diskutiert wird. Die Grundsteuer errechnet sich heute kompliziert aus einem jahrzehntealten Einheitswert, einer Grundsteuermesszahl und einem lokal festgelegten Hebesatz. Unbebaute Grundstücke werden in diesem System nur sehr gering besteuert. Einen großen Anreiz zum Bauen gäbe eine Bodensteuer, die sich allein nach dem Bodenrichtwert berechnet. Somit würde jedes Grundstück nach der dort zulässigen Bebauung und Nutzung besteuert. Ein innerstädtisches Baulückengrundstück zu horten, würde damit eine teure Angelegenheit werden. Dieses Modell wird von Umweltverbänden, vielen Bürgermeistern und vom Deutschen Mieterbund unterstützt.
Berlin fürchtet Rechtsstreitigkeiten
Der Berliner Mieterverein fordert schon seit einem Jahr, Baugebote auszusprechen, um die Spekulation mit unbebauten Grundstücken zu unterbinden. Nach Paragraph 176 des Baugesetzbuches können Eigentümer verpflichtet werden, ihr brachliegendes oder untergenutztes Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist – meist drei Jahre – zu bebauen. Der Neubau muss dann dem Bebauungsplan der Stadt entsprechen oder sich nach Größe und Nutzung in die Umgebung einfügen. Mit einer solchen Anordnung kann man also wirksam durchsetzen, dass Baulücken geschlossen werden.
Allerdings ist es einer der vielen Paragrafen aus dem Baugesetzbuch, die Berlin aus Angst vor Rechtsstreitigkeiten mit den Eigentümern nicht anwendet. Das Gesetz macht es den Bauverwaltungen auch nicht leicht. So können sie kein Baugebot aussprechen, wenn dies dem Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Wenn der Eigentümer glaubhaft machen kann, dass ihn ein Neubau finanziell überfordern würde, kann er von der Stadt verlangen, dass sie ihm das Grundstück abkauft. Berlin hat für solche Fälle aber keine Geldreserven beiseite gelegt. „Wenn das Instrument aus Sicht der Kommunen nicht handhabbar ist, dann muss der Bund schleunigst mit einer Novelle des Baugesetzbuches reagieren“, fordert der Berliner Mieterverein.
Dennoch ist es unverständlich, dass Berlin das Instrument des Baugebots überhaupt nicht nutzt. Andere Städte wie etwa Hamburg sind nicht so zurückhaltend. Dabei genügt häufig schon die Androhung eines Baugebots, um den Grundbesitzern Beine zu machen.
Jens Sethmann
Grunderwerbsteuer gegen heißlaufenden Immobilienhandel
Ein weiteres Instrument, spekulative Grundstücksgeschäfte unattraktiv zu machen, wäre die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Bei jedem Verkaufsvorgang zahlt der Käufer in Berlin sechs Prozent des Kaufpreises an das Finanzamt. Die Höhe legt jedes Bundesland für sich fest. Die Steuersätze reichen von 3,5 bis 6,5 Prozent. Verglichen mit der Mehrwertsteuer, die bei fast allen Verkaufsgütern, jedoch nicht bei Immobilien erhoben wird, ist das wenig. Die Grunderwerbsteuer greift im Übrigen nicht beim Verkauf von Unternehmensanteilen: Wenn eine Immobilienfirma weniger als 95 Prozent eines anderen Unternehmens aufkauft, wechseln möglicherweise tausende Wohnungen faktisch den Besitzer, ohne dass der Fiskus einen einzigen Cent sieht.
js
09.06.2016