Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wachsen: durch Neubau, aber auch durch Einkäufe am Berliner Immobilienmarkt. Dabei kaufen sie auch Bestände zurück, die ihnen schon einmal gehört haben – eine Strategie, die zwar keine neuen Wohnungen schafft, aber auf den Markt stabilisierend und preisdämpfend wirkt, argumentiert der Senat. Allerdings: Immer höhere Preise machen Zu- und Rückkäufe für die Wohnungsunternehmen schwierig. Die Politik gerät nun stärker unter Druck: „Wir wollen unsere Wohnungen zurück“, fordert beispielsweise die Mieterinitiative Kotti & Co.
Am Ende dieses Jahres – so das erklärte wohnungspolitische Ziel des Senats – sollen die landeseigenen Gesellschaften 300.000 Wohnungen in ihrem Bestand haben. Neubau steht an allererster Stelle, aber die kommunalen Wohnungsunternehmen sollen auch auf Einkaufstour gehen. Insgesamt 14.346 Wohnungen haben die sechs städtischen Gesellschaften zwischen 2014 und 2016 aus vorhandenen Beständen bereits erworben.
Etliche der angekauften Wohnungen, vor allem in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, aber auch Mitte, waren schon einmal im Besitz kommunaler Wohnungsbaugesellschaften gewesen und in den 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre privatisiert worden. Dass sie nun zurückgekauft werden, trage zur Stabilisierung des Marktes bei und wirke mietpreisdämpfend, so begründete der Senat die Investments.
Es gibt nicht wenige, die dem zustimmen und darauf drängen, dass neben der Ankurbelung des Neubaus auch der Kauf von Bestandswohnungen im Focus bleibt. Fehlen doch gerade Wohnungen im niedrigen Preissegment. So werden circa 130.000 Wohneinheiten für Menschen gebraucht, die über höchstens 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen, weiß der Stadtsoziologe Andrej Holm. Für sie dürften die Unterkünfte nicht viel teurer sein als 5 Euro pro Quadratmeter und Monat. Mit Neubau ist dieses Preisniveau nicht zu realisieren.
100.000 Sozialwohnungen in Privatbesitz
Ein Aufkauf und vor allem die Zurückführung einst kommunaler Bestände könnte viele Probleme an der Wurzel packen. So würde auch Spekulationen mit dem Auf- und Verkauf von Mietshäusern der Boden entzogen. „In Berlin befinden sich etwa 100.000 Wohnungen aus dem Sozialen Wohnungsbau in Privatbesitz. Die sollten wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden“, fordert Jan Kuhnert, Kommunal- und Unternehmensberater. Er berät die Mieterinitiative Kotti & Co seit deren Gründung. „Am Kottbusser Tor bündelt sich vieles von dem, was es im Moment in Berlin an wohnungspolitischen Problemen gibt“, sagt der Stadtsoziologe Sigmar Gude vom Planungsbüro Topos.
Die zentrale Wohnanlage an einem der Brennpunkte der Stadt zählt rund 1300 Wohnungen. Die gehören drei verschiedenen Eigentümern. Errichtet mit Fördermitteln aus dem Sozialen Wohnungsbau wurden die Bestände in den zurückliegenden Jahren privatisiert. Eigentümerin des südlichen Teils beispielsweise, der einmal dem seinerzeit städtischen Wohnungsunternehmen GSW gehörte, ist nun die Deutsche Wohnen. Noch immer leben hier vor allem jene Mieter, die einst in die Sozialwohnungen eingezogen sind.
Immer höhere spekulative Preise
Viele haben einen türkischen oder anderen Migrationshintergrund, nahezu alle verfügen über einen Wohnberechtigungsschein (WBS), etwa 50 Prozent sind Transferleistungsempfänger. „Wir wollen unsere Häuser zurück“, so lautet die klare Forderung von Kotti & Co.
Aber wie das geschehen kann und vor allem zu welchem Preis, das sei dabei schon die Frage, gibt Rainer Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zu bedenken. „Wir sind durchaus der Meinung, dass der städtische Bestand erweitert werden muss – mittelfristig sogar auf 500.000 Wohnungen“, so Reiner Wild. Wenn es jedoch um Rückkäufe geht, dann müsse es erst einmal einen Verkäufer geben und zum anderen könnten und dürften kommunale Unternehmen nicht zu jedem Preis kaufen. „Viele ehemalige kommunale Bestände sind in den zurückliegenden Jahren durch mehrere Hände gegangen und das hat zu immer höheren spekulativen Preisen geführt“, so Wild. „Soll das Land zu diesen Konditionen zurückkaufen?“
Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) hat in den zurückliegenden zwei Jahren 2716 Wohnungen auf dem Berliner Immobilienmarkt gekauft, darunter viele ehemals eigene Bestände. Es waren Rückkäufe, die schon beim Verkauf vorbereitet worden waren, wie Bereichsleiter Steffen Helbig vom städtischen Wohnungsunternehmen WBM erklärt: „Die Häuser mussten damals dringend saniert werden und unsere finanziellen Mittel dazu waren begrenzt.“ So hat die WBM die Objekte verkauft mit der vertraglich vereinbarten Option, sie einmal wieder ins Unternehmen zurückholen zu können. Helbig: „Wir haben ab 2010 begonnen, unseren Bestand zu erweitern – erst einmal fast ausschließlich durch den Kauf von Wohnungen.“ Im vergangenen Jahr erwarb die WBM in der Siedlung Rehberge im Afrikanischen Viertel noch einmal über 500 Wohnungen. „Das war wohl unser letzter großer Ankauf. Künftig werden wir unsere Bestände erweitern, indem wir zu 70 Prozent neu bauen und nur noch zu 30 Prozent zukaufen“, erklärt der Prokurist. Denn eins ist klar: Durch den Kauf entstehen keine neuen Wohnungen, die für die wachsende Stadt dringend gebraucht werden. Aber eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die enorm gestiegenen Preise, die am Berliner Immobilienmarkt vor allem in der Innenstadt nunmehr beim Kauf von Beständen zu zahlen sind.
Bei der Frage, ob sich ein Kauf lohnt oder ob die Investition verantwortungslos wäre, geht es bei privaten wie kommunalen Unternehmen um das Verhältnis zwischen Kaufpreis, Mieteinnahmen, Finanzierungs- sowie Instandhaltungskosten. Bis maximal zum 20-fachen der Jahresnettokaltmiete, so der Berliner Immobilienexperte Kurt Flesch, lohne der Kauf.
Die Mieterinitiative Kotti & Co will die Berliner Politik in die Pflicht nehmen. Die Bestände am Kottbusser Tor sollen durch den Senat rekommunalisiert und in die Verwaltung der Mieter übergeben werden. „Wir sind dabei, ein Konzept für unsere Idee auszuarbeiten“, sagt Alexander Kaltenborn von Kotti & Co. Er ist überzeugt, mit den vorhandenen gut funktionierenden Nachbarschaftsnetzwerken die Bestände sogar in Eigenregie effektiv und preiswert erhalten zu können.
Rosemarie Mieder
Der Ausverkauf der Spät-90er
Nachdem in den Jahren nach der Wiedervereinigung eine regelrechte Metropolen-Euphorie aufkam, die auch zu einem Bauboom führte, setzte Ende der 1990er Jahre erst einmal Ernüchterung ein. Der prognostizierte Bevölkerungsboom blieb aus, Leerstand war das Thema. Studien gingen von bis zu 150.000 leeren Wohnungen aus. Eine aktive Wohnungsversorgungspolitik schien den politisch Verantwortlichen verzichtbar. Mehr noch: Mit dem Verkauf von öffentlichen Wohnungsbeständen versuchte Berlin wie auch viele andere Kommunen, sich zu sanieren. Die Privaten griffen gerne zu: Lukrativstes Paket war die größte Berliner Wohnungsbaugesellschaft, die GSW. Sie wurde 2004 privatisiert. Mit ihr und anderen Beständen gab die Stadt in dieser Zeit die Hälfte ihrer Wohnungen aus der Hand.
rm
12.10.2016