In seltener Einmütigkeit unterstützen Mieter- und Vermieterverbände eine Kampagne des BUND für Umwelt- und Naturschutz zum Erhalt der Hoftonnen für Altglas. Auch das Abgeordnetenhaus spricht sich fraktionsübergreifend für die haushaltsnahe Glassammlung aus. Ungeachtet dessen will der zuständige Betreiber die Umstellung auf Straßencontainer vorantreiben.
Die Erfahrungen in den drei Testgebieten sind eindeutig: Seit die meisten Bewohner von Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf ihr Altglas zu Containern im öffentlichen Straßenland schleppen müssen, ist die gesammelte Menge um 19 Prozent zurückgegangen. Das belegt ein begleitendes Gutachten. Gerade für ältere Menschen ist der Weg zu den Glas-Iglus zu weit. Das Gurkenglas oder die Weinflasche wird dann eben wieder in die Restmülltonne geworfen – mit Mehrkosten für den Geldbeutel und die Umwelt.
Dasselbe Szenario drohe nun auch in anderen Teilen der Stadt, heißt es beim BUND: „Aktuell laufen die Verhandlungen zur Ausschreibung für die Sammelgebiete Mitte, Pankow und Reinickendorf“, sagt Tobias Quast vom Berliner Landesverband. Zuständig für das Altglasrecycling ist das Duale System Deutschland DSD. Dort verweist man auf die miserable Qualität des in der Hauptstadt gesammelten Glases. Die „Berliner Extrawurst“ (DSD)– fast überall im Bundesgebiet muss das Glas zu Iglus gebracht werden – führe zu einer schlechteren Farbreinheit. In den Hoftonnen wird nämlich nur nach zwei Farben sortiert statt nach drei (grün, braun und weiß). Dazu kommen Fehleinwürfe. Die Glasindustrie habe bereits Alarm geschlagen und will das Hauptstadt-Glas nicht mehr annehmen, so das DSD. Ziel sei es daher, in Berlin wieder mehr Glas in den Containern auf öffentlichem Straßenland zu sammeln. „Es war aber nie geplant, alle Hoftonnen in Berlin abzuziehen“, erklärt ein Sprecher.
Beim BUND hält man die Argumente für vorgeschoben. In Wirklichkeit gehe es um Kosteneinsparungen, so Tobias Quast: „Absurderweise sollen gleichzeitig auch die Mittel für die Instandhaltung und Säuberung der Straßen-Iglus gekürzt werden, was zu einer weiteren Vermüllung führt.“ Es gebe andere Möglichkeiten, die Qualität zu verbessern, etwa verstärkte Bürgerinformation oder abschließbare Glastonnen mit kleinerer Einwurföffnung. Das Berliner Modell sei historisch gewachsen, zudem gebe es Platzprobleme: „Die Bezirke können gar nicht so viel Stellplätze für Iglus genehmigen.“
Der BUND will nun Druck machen und hat zur Aktion „Ich will meine Altglastonne behalten!“ aufgerufen. Mit einem Klick gelangt man zu einem Briefentwurf, der direkt über die Website an die verantwortlichen dualen Systeme verschickt werden kann.
Birgit Leiß
28.09.2022