Um die Berliner Altglassammlung ist ein heftiger Streit entbrannt. Wenn es nach dem Willen des Dualen System Deutschland (DSD) geht, müssen die Berliner ihre Flaschen demnächst zu Iglu-Containern schleppen. Die Haus- und Hoftonnen sollen abgezogen werden. Dagegen regt sich nicht nur Protest bei den Bürgern, auch die Parlaments-Fraktionen lehnen die Umstellung in seltener Einmütigkeit ab. Vom Tisch ist die stadtweite Einführung des „Bringsystems“ dennoch nicht.
„Jahrelang haben wir uns darum bemüht, den Bürgern die Abfalltrennung nahezubringen“, ärgert sich Gisbert Schmidt von der Mietergemeinschaft Springbornstraße. In dem Wohngebiet in Johannisthal hat man bereits Erfahrungen mit den Iglus gemacht. Anfang 2014 wurde im Bezirk Treptow-Köpenick ebenso wie in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg das sogenannte Bringsystem als Pilotprojekt eingeführt. Tausende von Glastonnen wurden aus den Wohnanlagen abgezogen und durch Glas-Großcontainer im öffentlichen Straßenland ersetzt. „Seitdem landet wieder mehr Glas in der Restmülltonne“, sagt Schmidt. Die Mieter seien gleichgültiger geworden. Im Hinblick auf die Trennungsbereitschaft sei das Pilotprojekt „ein Schuss in den Ofen“.
Ähnlich sieht es Henry Baumfelder von der Bezirksgruppe Treptow-Köpenick im Berliner Mieterverein: „300 bis 400 Meter bis zum nächsten Glascontainer zu laufen, ist für ältere und gehbehinderte Menschen zu viel.“ Auch er hat beobachtet, dass wieder mehr Leute ihre Flaschen in die Graue Tonne werfen. Die Folge: steigende Betriebskosten, weil zusätzliche Restmüllbehälterbestellt werden müssen.
Eine Auswertung des Modellversuchs belegt die negativen Auswirkungen. Um 19 Prozent ist die gesammelte Menge an Altglas zurückgegangen. Auch die Qualität hat sich nicht verbessert. Beides waren Hauptargumente gegen das – übrigens nur in Berlin praktizierte – Holsystem.
In keiner Stadt Deutschlands werde ein höherer Aufwand bei der Glassammlung betrieben, dennoch seien Qualität und Quantität weit unterdurchschnittlich, so Bernd Schneider, Berliner Vertreter des DSD bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses. Die in der Untersuchung genannten Zahlen zweifelte Schneider an. Klar ist: Die Abholung der Hoftonnen ist wesentlich kostenintensiver für das Unternehmen.
Das Qualitätsargument sei nur vorgeschoben, meint Daniel Affelt vom Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
Das Pilotprojekt hat nach Einschätzung des Umweltverbandes viel Unheil angerichtet: „Mülltrennung ist ein sehr sensibler Bereich – die Bürger müssen bei jeder Änderung einbezogen und informiert werden, sonst fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen.“ Um Druck für die Beibehaltung der haushaltsnahen Altglassammlung zu machen, will der BUND demnächst eine Kampagne starten.
Zwar hat sich der Senat klar für die Hoftonnen positioniert. Doch dem einstimmigen Beschluss des Abgeordnetenhauses, die abgezogenen Hoftonnen in den drei Modell-Bezirken wieder zurückzustellen, ist das DSD bislang nicht nachgekommen. Das Problem: Die Altglassammlung wurde 1991 in Berlin privatisiert. Der Senat kann den Betreibern des Dualen Systems daher die Art und Weise der Altglassammlung nicht vorschreiben. Allerdings wird mittlerweile sogar der Entzug der Genehmigung für das DSD geprüft.
Birgit Leiß
Protokoll der Anhörung im Abgeordnetenhaus:
www.parlament-berlin.de/ados/17/StadtUm/protokoll/su17-073-wp.pdf
09.05.2017