Im Herbst 2016 haben die neuen Mieterräte der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihre Arbeit aufgenommen. Die erste Bilanz fällt durchwachsen aus. Während einige von einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Unternehmen berichten, fühlen sich andere ausgebremst. Sogar Rücktritte gab es schon.
„Vieles muss sich noch einspielen“, sagt Jan Kuhnert von der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) – Anstalt öffentlichen Rechts. Das laufe bei einigen Wohnungsunternehmen besser, bei anderen schlechter. Es gebe unterschiedliche Haltungen dazu, welche Aufgaben und Rechte die Mieterräte in der Praxis haben. Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) will man sich offiziell nicht zu den bisherigen Erfahrungen äußern. Hinter vorgehaltener Hand ist von „unklaren Strukturen und Ansprechpartnern“ die Rede.
Ein anderes Problem, so der BBU, sei die Überschneidung mit den Aufgabenbereichen der sogenannten Mieterbeiräte. In der Tat bestätigen fast alle Mieterräte, dass immer wieder Anfragen an sie herangetragen werden, die eigentlich für den Mieterbeirat bestimmt sind. „Wir sind fürs Große, Übergeordnete inklusive Investitionsplanung zuständig, der Mieterbeirat ist dagegen auf den Kiez bezogen und kümmert sich vor allem um Umgestaltungen und das nachbarschaftliche Miteinander“, erklärt Andreas Becker vom Mieterrat der Degewo.
Kein Geheimnis ist, dass es bei einigen Mieterräten heftig rumort. Der Knackpunkt: Will man lediglich Sprachrohr der Mieter sein oder positioniert man sich darüber hinaus wohnungspolitisch, etwa für bezahlbare Mieten und maßvolle Modernisierungen? Die im Wohnraumversorgungsgesetz festgelegte Aufgabenbeschreibung ist sehr vage. Entsprechend unterschiedlich bewerten Mieterräte die bisherige Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugesellschaften. „Am Anfang begegnete man uns skeptisch. Jetzt, wo klar ist, dass wir keine nervigen Dummköpfe sind, sondern am selben Strang wie die Geschäftsführung ziehen, werden die Beschränkungen langsam zurückgefahren“, sagt Henry Henning vom Mieterrat der Wohnungsbaugesellschaft Mitte. „Wir müssen aufpassen, dass uns die Gewobag nicht als Aushängeschild für ein mieterfreundliches und soziales Unternehmen benutzt“, findet Bernd Heßlein. Er fühlt sich von der Gewobag weder unterstützt noch ernst genommen. „Für beide Seiten, Gewobag und Mieterrat, ist die Situation noch neu, man muss sich kennenlernen und manche Rechte wohl auch noch erkämpfen“, sagt die Mieterrats-Vorsitzende Marina Makowski. Der bisherige Vorsitzende hat dagegen sein Mandat niedergelegt, aus Frust darüber, dass das gewählte Gremium nur beratende Funktion habe.
„Wir haben endlich Mitspracherechte, das wollen wir nutzen“, heißt es beim Mieterrat der Gesobau. „Das Ziel muss erst einmal sein, die Mietermitbestimmung zu etablieren“, sagt Dr. Heike Külper. „Wir wollen etwas für die Mieter erreichen, eine Anti-Haltung wäre da kontraproduktiv“, betont ihr Mitstreiter Gerhard Florschütz. Man arbeite nicht gegen die Gesobau, sondern wolle einen konstruktiven Dialog.
Antihaltung wäre kontraproduktiv
Erstaunlich reibungslos läuft die Mitarbeit in den Aufsichtsräten – hier hatte es vonseiten der Unternehmen die größten Bedenken gegeben. Man sei fair und offen aufgenommen worden, so Dr. Külper. „Es war deutlich spürbar, dass diese Situation für alle Beteiligten etwas Neues ist und eine gewisse Kennenlernphase nötig ist“, erklärt Klemens Witte vom Mieterrat der Gewobag. Die neue Perspektive, die die Mieter einbringen, sei etwas, das dem Gremium bisher gefehlt habe. Die entscheidende Frage sei doch, welche Rechte der Mieterrat habe, meint Andreas Becker: „Es bringt ja nichts, Stellung zu beziehen zu allen möglichen Themen, wenn wir keinen Einfluss haben.“ Nur als Feigenblatt zu dienen – dafür wäre ihm seine Zeit zu schade.
Birgit Leiß
Nachbesserung bei künftigen Wahlen
Um die ersten Wahlen zu den Mieterräten gab es viel Aufregung, vor allem wegen des Ausschlusses einiger unbequemer Mieter. Daraufhin wurde die WVB mit einer Evaluation beauftragt. Noch ist die Überprüfung nicht abgeschlossen, und es ist unklar, ob die Wahlen bei einigen Unternehmen wiederholt werden müssen. Als problematisch hat sich zudem die sehr weitgehende Verschwiegenheitserklärung erwiesen, die einige Gesellschaften von den Mietervertretern verlangen. Das behindere den Informationsfluss innerhalb des Mieterrates und gegenüber den Mietern, so Kuhnert.
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Einige Mieterräte haben eigene Websites:
www.mieter-rat.de (Mieterrat der Gesobau)
Ansonsten finden sich Infos, etwa zur Satzung, zu den Sprechstunden sowie Kontakte zu den gewählten Vertretern auf den Internetseiten der Wohnungsbaugesellschaften.
06.03.2023