Die Mieterräte sind gewählt, der Ärger geht weiter. Auf den Skandal um den Ausschluss unliebsamer Kandidaten folgte eine E-Mail-Affäre, über die der langjährige Pressesprecher eines Wohnungsunternehmens stolperte. Ungeachtet dessen ziehen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine rundum positive Bilanz.
Es war die Krönung einer von Pleiten, Pech und Pannen begleiteten Wahl. Der Sprecher der Wohnungsbaugesellschaft Degewo, Lutz Ackermann, wurde suspendiert, weil seine Rundmail versehentlich auch bei einem Redakteur der Berliner Zeitung gelandet war. Darin hieß es, es sei die Position der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, kritische Berichte zur Mieterratswahl vor der Abgeordnetenhauswahl „möglichst zu unterbinden“. „Nordkorea lässt grüßen“, erklärte Andreas Otto von den Grünen.
108 Mieter wurden als Bewerber für die neuen Mitbe stimmungsgremien zurückgewiesen. Teilweise waren es Mieter, die als besonders kritisch bekannt sind, etwa vom Mieterforum Pankow. Das MieterMagazin hat in seiner Ausgabe 10/2016 bereits über den umstrittenen Ausschluss berichtet (Seite 11: „Nur Ja-Sager erwünscht?“).
Mittlerweile sind insgesamt 47 Mieterräte gewählt. Sie vertreten die Interessen der Mieter gegenüber der Unternehmensleitung und entsenden einen Vertreter in den jeweiligen Aufsichtsrat. Die Wahlbeteiligung war mit 15 bis 20 Prozent „bemerkenswert hoch“, wie es beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) heißt. „Auch die hohe Anzahl von 997 zur Wahl stehenden Kandidaten beweist, dass diese ersten Mieterratswahlen mit rund 300.000 wahlberechtigten Haushalten transparent, fair und professionell durchgeführt worden sind“, erklärt der Sprecher des BBU.
„Aus unserer Siedlung wird kein einziger Vertreter in diesem wichtigen Gremium sein“, ärgert sich Andreas Hoepfner vom Mieterbeirat Ernst-Thälmann-Park – der nicht zu verwechseln ist mit dem Mieterrat. In der Siedlung haben schätzungsweise 300 Mieter keine Wahlunterlagen von der Gewobag erhalten. Hier legte man offiziell Widerspruch gegen das Wahlergebnis ein. Demnächst soll sich eine Sondersitzung der Wahlkommission mit dem Thema befassen.
Der Berliner Mieterverein (BMV), der ausdrücklich zur Beteiligung bei den Wahlen aufgerufen hatte, fordert Konsequenzen. Die bekannt gewordenen Ablehnungsgründe für die Wählbarkeit seien willkürlich und entsprachen nicht der Wahlordnung, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Die Wohnungsunternehmen sollten künftig selber über den Ausschluss von Kandidaten entscheiden und dafür nicht die Wahlkommission vorschieben.“ Bisher ist dies Sache der mehrheitlich mit Mietern besetzten Wahlkommission, wobei diese bei der Einschätzung der Kandidaten durch die Unternehmen beeinflusst worden sein dürften. Der BMV schlägt vor, dass künftig eine Schiedskommission über den Ausschluss von Kandidaten entscheiden soll. Diese soll jeweils aus einem Vertreter des BBU, des BMV und einem pensionierten Richter bestehen.
Birgit Leiß
28.10.2016