Leitsatz:
Bei der Klausel „Bei seinem Auszug hat der Mieter die Mieträume in sauberem und renoviertem Zustand und mit allen Schlüsseln zurückzugeben …“ handelt es sich um eine unwirksame Auszugsrenovierungsklausel.
LG Berlin vom 27.1.2017 – 65 S 338/16 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Urteilstext
Gründe:
I.
Auf die Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
II.
Die gemäß §§ 511ff. ZPO zulässige Berufung ist auch in der Sache erfolgreich und führt zu einer anderen Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
I. a. Die Feststellungsklage ist zulässig.
Das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, d. h. das rechtlich schützenswerte Interesse an der begehrten Feststellung, ist zu bejahen.
Der strittige Schadenersatzanspruch ist ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. § 256 Rn. 4 m. w. N.). Auch ein strittiger rechtlicher Streitpunkt innerhalb eines umfänglicheren Rechtsverhältnisses kann Gegenstand der Feststellungsklage sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. § 256 Rn. 3), wenn er nicht auf andere Weise für die Kläger wirksam geklärt werden kann.
Der Beklagte berühmte sich dieses Schadenersatzanspruchs gegenüber den Klägern, indem er diesen mit Schreiben vom 06.07.2015 forderte. Ausweislich der Nachtragsvereinbarung vom 28.01.2014 war Vermieter ausschließlich der Beklagte, vertreten durch seine „N.-Hausverwaltung“. Diese hat das Schreiben vom 06.07.2015 im Nachgang zur Wohnungsübergabe verfasst. Ihre Erklärungen sind ausweislich des Inhalts gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 BGB namens des Beklagten erfolgt.
Von dieser Schadenersatzforderung ist der Beklagte nicht klar abgerückt (vgl. BGH, Urt. vom 10. Okt. 1991 – IX ZR 38/91, Rn. 21, zit. nach juris).
Das folgende Schreiben der Gegenseite vom 11.09.2015, ließ nicht eindeutig werden, ob die Vermieterseite tatsächlich endgültig von der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen Abstand nehmen wollte. Aus der Formulierung, dass nochmals geprüft werde, ob ein Anspruch geltend gemacht werde, lässt sich eine Abstandnahme nicht klar erkennen. Die Ausführung, dass es einer negativen Feststellungsklage nicht bedürfe, ist keine deutliche Aussage dahin, dass Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden sollen.
Entscheidend ist aber, dass der Beklagte in dem Schreiben vom 06.04.2016 zur Begründung eines Vergleichsvorschlags wieder auf diese Forderung zurückkam, indem dort die Absicht angekündigt wurde, die Kautionsrückzahlungsforderung der Kläger mit der Schadenersatzforderung zu verrechnen, ferner wurde der Vorbehalt erklärt, die verbleibende Restschadenersatzforderung gesondert geltend zu machen. Das kann nicht anders verstanden werden, als dass die Vermieterseite nicht Abstand von diesem Anspruch genommen hatte und sich dieses Anspruchs tatsächlich sogar noch im Verlaufe des Rechtsstreits berühmte.
I. b. Die Feststellungsklage ist auch begründet.
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, selbst einen entsprechenden Anspruch nicht geltend gemacht zu haben. Ausweislich der Nachtragsvereinbarung vom 28.01.2014 ist Vermieter nach Auflösung der Grundstücksgemeinschaft K.-Damm ?? ausschließlich der Beklagte, vertreten durch die N.-Hausverwaltung. Das Schreiben vom 06.07.2015 wurde von der N.-Hausverwaltung verfasst, nach Inhalt und Anlass augenscheinlich gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 BGB in Vertretung des Beklagten. Alle Erklärungen in den anwaltlichen Schreiben vom 27.08.2015 und 07.09.2015 erfolgten für die Vermieterseite, waren damit gemäß §§ 133,157 BGB so zu verstehen, dass sie nicht namens der nicht mehr existierenden Grundstücksgemeinschaft, sondern namens des hiesigen Beklagten abgegeben wurden.
Eine andere Auslegung verbietet sich auch, wenn man die Ausführungen der Beklagtenseite im Schreiben vom 06.04.2016 berücksichtigt, die auf einen Vergleich in diesem Rechtsstreit gerichtet waren, folglich der Prozessbevollmächtigte sein Mandat nur vom Beklagten hatte. Gleichwohl wurden gerade in diesem Schreiben die hier strittigen Ansprüche der Vermieterseite in den Raum gestellt. Auch in diesem Schreiben wird von „unserer Mandantin“ und „Vermieterin“ gesprochen, obgleich es um die Befriedung des Rechtsstreits mit dem Beklagten, dem Mandanten und dem Vermieter ging. Eine Verwechselung des Geschlechts in der Parteibezeichnung liegt auch deshalb, weil der Beklagte die Hausverwaltung unter der Firma „N- Hausverwaltung“ (weiblich) führt, durchaus nahe.
Einen Schadenersatzanspruch hat der Beklagte gegenüber den Klägern nicht. Die Kläger waren nicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen in der im 3. Obergeschoss im K.-Damm ?? in Berlin gelegenen Wohnung verpflichtet.
Die formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen war auch nach der Vereinbarung über den 1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 28.01.2014 nicht wirksam. Dort hatten die Mietvertragsparteien die Klausel über die laufenden Schönheitsreparaturen zwar den Anforderungen, die sich gemäß der Rechtsprechung des BGH ergeben hatten, angepasst. Unverändert blieb indessen die formularmäßige Regelung in § 20 Nr. 1 des Mietvertrags. ln diesem heißt es „Bei seinem Auszug hat der Mieter die Mieträume in sauberem und renoviertem Zustand und mit allen Schlüsseln zurückzugeben …“
Diese Klausel erweckt dem Mieter gegenüber den Eindruck als müsse er die Wohnung bei Ende des Mietverhältnisses ungeachtet des tatsächlichen Zustands infolge eines vertragsgemäßen Grads der Abnutzung renovieren. Die Formulierung „renovierter Zustand“ lässt insoweit keine Differenzierung erkennen. Der Bundesgerichtshof hat für einen vergleichbaren Sachverhalt, indem die Formulierung „Bei Auszug ist die Wohnung fachgerecht renoviert zurückzugeben“ verwendet wurde, Folgendes überzeugend ausgeführt:
Es „kann zwar auch eine länger zurück liegende fachgerechte Renovierung gemeint sein, aufgrund derer eine umfassende Neurenovierung noch nicht erforderlich ist. Näher liegt aus der Sicht eines durchschnittlichen Mieters jedoch ein Verständnis dahin, dass die Wohnung bei Auszug in jedem Fall frisch renoviert sein muss (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2003 – VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 = NZM 2003, 594, unter 111, und vom 25. Juni 2003 – VIII ZR 335/02 Versäumnisurteil NJW 2003, 3192 = NZM 2003, 755, unter III 2) oder jedenfalls seit der letzten Renovierung keine Abnutzungsspuren aufweisen darf.
Die formularmäßige Übertragung sowohl der laufenden Schönheitsreparaturen und darüber hinaus die formularmäßige Verpflichtung zur Endrenovierung führt in der Summe und ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Mieters. Die Formularklauseln sind damit in der Gesamtheit unwirksam. Auch dieses ist seit längerem durch die Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 14. Mai 2003 – VIII ZR 308/02, juris) geklärt. Eine unangemessene Benachteiligung einer Vertragspartei – und damit eine Unwirksamkeit der Gesamtregelung – kann sich aus dem Zusammenwirken zweier Klauseln auch dann ergeben, wenn eine dieser Klauseln schon für sich gesehen unwirksam ist (BGHZ 127, 245, 253 f.), wie das bei der Endrenovierungsklausel der Fall ist. Beide Klauseln sind wegen ihrer inneren Zusammengehörigkeit nicht teilbar. Denn der Verwender einer aus zwei Teilen bestehenden Klausel, deren einer Teil nur Bestand haben kann, wenn der andere Teil unwirksam ist, kann sich wegen des Gebotes der Transparenz vorformulierter Vertragsbedingungen nicht zu seinen Gunsten auf die Unwirksamkeit des anderen Klauselteils berufen“ (BGH, VIII ZR 308/02, a.a.O. Rn. 21).
Die vom Beklagten zitierte Entscheidung (richtig XII ZR 308/13, Urteil vom 12.03.2014) rechtfertigt keine andere Bewertung, vielmehr stützt sie (vgl. Rn. 21, zit. nach juris) ausdrücklich die vorstehend wiedergegebene Bewertung des für Wohnungsmietsachen zuständigen 8. Zivilsenats. Im Übrigen ist die Rückgabe nicht in „renoviertem Zustand“, sondern in „bezugsfertigem Zustand“ anders, als es der Beklagte meint, durchaus etwas anderes, wie sich aus der vom 12. Zivilsenat in der zitierten Entscheidung vorgenommenen Auslegung ergibt.
II. Der Anspruch der Kläger auf Freistellung von den ihnen entstehenden Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 257, 249, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Der Beklagte verhielt sich schuldhalt vertragswidrig, indem er von den Klägern nach Beendigung des Mietverhältnisses Schadenersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen in der Wohnung verlangte, auf den er keinen Anspruch hatte. Zwar ergibt sich ein Schadenersatzanspruch aus der Verwendung unwirksamer Formularklauseln nur soweit die Verwendung im Vertrag trotz vorhandener oder zu verlangender Kenntnis ihrer Unwirksamkeit erfolgt. Ein Schadenersatzanspruch aus dem Berühmen auf nicht bestehende Ansprüche besteht, wenn der Anspruchssteller, weiß oder wissen muss, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Der Anspruchssteller hat mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt zu prüfen, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist (BGH, Urt. vom 11.06.2014 – VIII ZR 349/13, NJW 2014,2717, Rn. 33; Urt. vom 1.3.2013 – V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028, Rn. 64, beides zit. nach juris). Der von dem Beklagten innegehaltene Rechtsstandpunkt war angesichts der seit Jahren geklärten Rechtsfragen in Bezug auf die Wirksamkeit der verwendeten Formularklauseln nicht mehr plausibel.
Für den Beklagten mit eigener Hausverwaltung war es geboten, die Rechtsprechung des BGH zu Wohnungsmietfragen und den einschlägigen Formularklauseln im Wohnungsmietrecht zu verfolgen. Diese wird nicht nur in der juristischen Fachpresse, sondern auch in Zeitschriften der Grundstücks- und Immobilienwirtschaft veröffentlicht. Schließlich wird sie auch durch allgemeine Presseveröffentlichungen und im Internet jedermann zugänglich gemacht. Dabei hätte der Beklagte erkennen müssen, dass die maßgeblichen Vereinbarungen in Klauselform unwirksam sind und auch geblieben sind. Eine Unklarheit der Rechtslage ergab sich hier nach der oben zitierten Rechtsprechung bereits seit vielen Jahren – spätestens seit 2003 – nicht mehr.
Der Beklagte hat die Kläger auch in der geltend gemachten Höhe von der Honorarforderung freizustellen. Unerheblich ist, dass der Gegenstandswert des in Rechnung gestellten Honorars weitere geschätzte 400,00 EUR für die Aufforderung zur Abrechnung über die Kaution umfasste. Mangels Gebührensprungs ergibt sich keine Auswirkungen auf die Honorarhöhe.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Auslegung von Willenserklärungen ist anhand der Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter vorzunehmen. Rechtsfragen grundsätzlicher über den Einzelfall hinausgehender Art sind nicht betroffen, vielmehr sind diese, soweit es die Wirksamkeit von mietvertraglichen Formularklauseln betrifft, bereits vom BGH geklärt.
21.03.2018