Am 6. April startete die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Passenderweise hatte die Deutsche Wohnen drei Wochen zuvor milliardenschwere Gewinne vermeldet. Derweil irritiert der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) mit dem Eifer, mit dem er sich für die Deutsche Wohnen ins Zeug legt.
Das Volksbegehren will die Wohnungsbestände privater Vermieter, die in Berlin mehr als 3000 Wohnungen besitzen, vergesellschaften und anschließend im Sinne des Gemeinwohls ohne Gewinnerzielung bewirtschaften. Weil der zugrundeliegende Artikel 15 des Grundgesetzes noch nie angewandt wurde, ist das Vorhaben juristisch umstritten. Dass die für die erste Stufe des Volksbegehrens notwendigen 20.000 Unterschriften innerhalb von sechs Monaten zusammen kommen, gilt angesichts der Brisanz des Themas als sicher.
Das mit 160.000 Wohnungen deutschlandweit zweitgrößte Wohnungsunternehmen Deutsche Wohnen – in Berlin mit 110.000 Wohnungen mit Abstand größter Vermieter – hat seine Jahresbilanz vorgelegt und seinen Jahresgewinn um 5,6 Prozent auf knapp 1,9 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Die Mieteinnahmen wuchsen in Berlin um 3,6 Prozent. Die Aktionäre dürfen sich auf eine Dividende von 87 Cent pro Aktie freuen – fast neun Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) tut sich besonders mit einer Kampagne gegen das Volksbegehren hervor. Die Organisation, der neben der Deutschen Wohnen vor allem kommunale und genossenschaftliche Vermieter angehören, hat beim ehemaligen Berliner Verfassungsrichter Helge Sodan ein 108-seitiges Gutachten in Auftrag gegeben, das belegen soll, dass das Volksbegehren in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig sei. „Enteignung führt ins Abseits“, meint der BBU und fordert vom Senat nachdrücklich eine klare Absage an des Volksbegehren, das sich gegen die soziale Marktwirtschaft richte. „Schon allein wegen der Diskussion schrecken bereits Wohnungsunternehmen vor einem Engagement am Berliner Wohnungsmarkt zurück“, behauptet BBU-Vorstand Maren Kern. Der Verband hat sogar eigens eine Internetseite mit Argumenten gegen die Vergesellschaftung aufgebaut.
Über 100 Mieter von BBU-Mitgliedsunternehmen haben in einem Brief gegen das einseitige Engagement des BBU für die Interessen der Deutschen Wohnen protestiert. Auch die Vorsitzenden der Berliner Linken-Fraktion, Carola Bluhm und Udo Wolf, zeigten sich irritiert, „wie ein Verband mit mehrheitlich kommunalen und landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in dieser Debatte nicht versachlichend, sondern zuspitzend eingreift.“
Jens Sethmann
- Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ mit Auslagestellen der Unterschriftenlisten:
www.dwenteignen.de - Gegenargumente des BBU:
www.weiterdenken-statt-enteignen.de - Berliner Mieterverein unterstützt Volksbegehren/Volksentscheid
zu Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen
09.07.2019