Zum Thema „Faire Miete statt Fair Value“ diskutierten Ende August rund 40 Gäste mit Experten und Vertretern des Berliner Mietervereins (BMV). Es war die dritte Veranstaltung im Rahmen des „Forums Wohnungspolitik“ des BMV.
Die Frage „Gehören Wohnungen an die Börse?“ – so der Untertitel – war wohl eher rhetorisch gemeint und wurde von allen Diskussionsteilnehmern klar verneint. Zur Einführung wies BMV-Geschäftsführer Reiner Wild darauf hin, dass mittlerweile rund 200.000 Wohnungen in Berlin börsennotierten Unternehmen gehören. Das sind 12 Prozent aller Mietwohnungen. Angeblich geht jeder dritte Euro der Miete an Anleger.
Der Wirtschaftsprofessor Heinz-J. Bontrup, der im letzten Jahr mit seiner Studie zur Vonovia Aufsehen erregt hat, versuchte die komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge zu erklären. Nur im Immobiliensektor können Finanzinvestoren eine Zinsbereinigung vornehmen, was automatisch das Eigenkapital erhöht. Diese „Fair-Value“-Anpassung ist ein reiner Buchwert, der die Profitrate extrem erhöht und gleichzeitig für einen massiven Druck auf die Mieten sorgt. „Unanständig“ nannte der Wirtschaftswissenschaftler diese rein fiktiven Werte.
Bontrup, der nicht als Anhänger von staatlichen Eingriffen in den Wohnungsmarkt gilt, forderte gleichwohl ein öffentliches Bau- und Investitionsprogramm. Mit seiner kämpferisch vorgetragenen Forderung nach kompletter Abschaffung der Share Deals überflügelte er dann sogar Forderungen des Mietervereins. Dort hat man im Übrigen die Erfahrung gemacht, dass die großen privaten Player den börsennotierten in nichts nachstehen: Regelmäßige Mieterhöhungen, schlampige Mängelbeseitigung, Nicht-Erreichbarkeit der Hotline – all das kommt auch bei ihnen vor.
Das bestätigte auch der Vortrag von Susanna Raab. Die Stadtaktivistin und Sozialwissenschaftlerin hat in ihrer Masterarbeit den Einfluss der Eigentümerstrukturen auf den Wohnungsbestand am Beispiel des Köpenicker Kosmosviertels untersucht. Ergebnis: Die Wohnblocks der „Schönefeld Wohnen GmbH & Co. KG“ mit ihrem schlechten Instandhaltungszustand waren schon rein äußerlich von denen der Genossenschaft sowie der städtischen Wohnungsbaugesellschaft im gleichen Quartier zu unterscheiden. Weil Luxusmodernisierung am Stadtrand ausscheidet, wurde ein „Hartz-IV-Geschäftsmodell“ betrieben und die höchst zulässige Miete genommen.
Der praktischen Frage „Was tun?“ widmete sich anschließend Sebastian Bartels, stellvertretender BMV-Geschäftsführer. Er schlug sieben Instrumente vor – von steuerrechtlichen Änderungen über die Rekommunalisierung bis hin zu öffentlichem Druck und Mieterprotest. Eine Verschärfung der Mietpreisbremse sowie die Beschränkung der Mieterhöhungsmöglichkeiten könnten die Rendite-Gier bremsen.
„Der Kleinkrieg mit börsennotierten Vermietern wird erst einmal weitergehen, aber wir müssen uns zur Wehr setzen, juristisch und politisch“, lautete denn auch das Fazit von BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Birgit Leiß
24.09.2019