Leitsatz:
Die Vorschriften der Heizkostenverordnung zur verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung sind analog auch auf Nachtstromspeicherheizungen anzuwenden.
LG Berlin vom 30.4.2019 – 63 S 214/18 –
Mitgeteilt von Lindemann Rechtsanwälte
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter war der Auffassung gewesen, da sich in der Wohnung Nachtspeicherheizungen befänden, habe eine verbrauchsabhängige Abrechnung nicht zu erfolgen. Das Landgericht sah dies anders.
Denn die Heizkostenverordnung sei analog auch in den Fällen, in denen zwar keine gemeinsame Wärmeerzeugung, jedoch eine gemeinsame Energieversorgung und -erfassung vorliegt, anzuwenden.
Zwar spreche gegen eine analoge Anwendung der Heizkostenverordnung, dass die Nutzer bei der vorliegenden Beheizungsart gerade nicht mit Wärme, sondern nur mit der dafür erforderlichen Energie versorgt würden. Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HeizkostenVO gelte die Heizkostenverordnung dann, wenn es um die Verteilung der Kosten des Betriebs zentraler Heizungsanlagen und zentraler Warmwasserversorgungsanlagen gehe. In der einschlägigen Kommentarliteratur werde bei dem Begriff der zentralen Anlage dabei auf die Erzeugung beziehungsweise Versorgung mit Wärme oder Warmwasser abgestellt.
Danach wäre die Anwendbarkeit der Heizkostenverordnung zu verneinen, da ein Gesamtzähler gerade keine Wärme erzeugt beziehungsweise die Nutzer mit Wärme versorgt, sondern diese nur zentral erfasst. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Heizkostenverordnung um eine Verbotsverordnung mit Ausnahmecharakter handele, käme danach eine analoge Anwendung vor dem Hintergrund der planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
Gegen die letztgenannte Auffassung und für eine analoge Anwendung spreche jedoch der Zweck der Heizkostenverordnung. Die Heizkostenverordnung verfolge das Ziel, Heizenergie dadurch einzusparen, dass dem jeweiligen Verbraucher mit der konkreten, auf ihn bezogenen Abrechnung nicht nur sein Energieverbrauch, sondern auch die dadurch verursachten Kosten vor Augen gehalten werden sollen. Dem jeweiligen Nutzer werde dadurch ermöglicht, seinen Verbrauch individuell zu gestalten, um dadurch für ihn Kosten und für die Volkswirtschaft Energie zu sparen. Vor dem Hintergrund, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen einen im Grundgesetz verankerten Auftrag sowohl an die Gesetzgebung als auch nach Maßgabe von Gesetz und Recht an die Rechtsprechung erteilt (Artikel 20 a Grundgesetz), sei im Hinblick auf den schonenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und die damit bezweckte Einsparung von Heizenergie eine planwidrige Regelungslücke gegeben, die eine analoge Anwendung gebiete.
Den Mietern stehe danach gemäß § 12 HeizkostenVO ein Kürzungsrecht in Höhe von 15 Prozent zu.
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten eine Restforderung aus der Heizkosten-/Betriebskostenabrechnung 2016 in Höhe von 277,96 €.
Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 19.04.2014 die streitgegenständliche Wohnung in der P.-Str. x, 1xxxx Berlin. Nach § 5 des Mietvertrages sind neben der Grundmiete Vorauszahlungen für die Betriebs- und Heizkosten zu entrichten, über welche jährlich abzurechnen ist. Aus der Abrechnung vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 macht die Klägerin den noch offenen Restbetrag in Höhe von 277,96 € hier klageweise geltend. Ausweislich der Abrechnung der Betriebs- und Heizkosten vom 24.04.2017 wurden Gesamtwärmekosten von 28.906,84 € für das Mehrfamilienhaus … abgerechnet, die ausschließlich nach der Heizfläche umgelegt worden sind. In der Wohnung befinden sich Nachtspeicherheizungen. Die Mieter schließen keine Einzelverträge mit dem Stromanbieter ab. Der von allen Mietern verbrauchte Strom wird vielmehr zentral über einen Gesamtzähler gemessen und abgerechnet. Wohnungsbezogene Zähler existieren nicht.
Die Klägerin sind der Auffassung gewesen, da sich in der Wohnung Nachtspeicherheizungen befänden, habe eine verbrauchsabhängige Abrechnung nicht zu erfolgen.
Die Beklagten sind der Auffassung gewesen, dass auf die streitgegenständliche Heizkostenabrechnung die Heizkostenverordnung anzuwenden sei. Danach stünde ihnen ein Kürzungsrecht von 15 % (283,92 €) zu.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Heizkostenverordnung anwendbar sei, da für das Objekt ein Gesamtzähler installiert sei, der den Heizungsstrom aller Wohnungen erfasse. Die Stromkosten würden danach auch „zentral“ erfasst werden. Denn es läge eine gemeinschaftliche Versorgung mehrerer selbstständiger Nutzer mit Wärme und Warmwasser durch eine Anlage vor, ähnlich einer zentralen Heizungsanlage mit Einzelkörpern. Da hier unstreitig verbrauchsunabhängig abgerechnet wurde, stehe den Beklagten ein Kürzungsrecht in Höhe von 15% (283,92 €) zu.
Mit der Berufung rügt die Klägerin, dass eine Nachtspeicherheizung weder eine zentrale Heizungsanlage noch eine gewerbliche Lieferung von Wärme und Warmwasser darstelle. Von einer zentralen Wärmeerzeugung könne hier gerade nicht die Rede sein. Die Heizkostenverordnung sei auch nicht analog anzuwenden.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Spandau vom 12. Juni 2018 zu verurteilen als Gesamtschuldner an die Klägerin 277,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten meinen, dass vom Wortlaut der „zentralen Heizungsanlage“ des § 7 Heizkostenverordnung auch ein gemeinsamer Stromzähler erfasst sei.
…
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf die Restforderung aus der Heizkosten-/Betriebskostenabrechnung 2016 in Höhe von 277,96 € gemäß § 535 Abs. 2 BGB zu. Denn den Beklagten steht gemäߧ 12 Heizkostenverordnung ein Kürzungsrecht von 15 % zu, da die Klägerin gegen ihre Pflicht zur verbrauchsabhängigen Kostenverteilung gemäß § 6 Heizkostenverordnung verstoßen hat.
Nach Auffassung der Kammer ist die Heizkostenverordnung analog auch in den Fällen, in denen zwar keine gemeinsame Wärmeerzeugung, jedoch eine gemeinsame Energieversorgung und -Erfassung vorliegt, anzuwenden.
Zum einen kann vertreten werden, dass eine analoge Anwendung der Heizkostenverordnung auch dann in Betracht kommt, wenn zwar keine Wärme/Warmwasser in einer gemeinschaftlichen Anlage erzeugt, sondern der Energieverbrauch durch einen Gesamtzähler vielmehr nur festgehalten wird. Maßgeblich käme es danach auf den Sinn und Zweck der Heizkostenverordnung an, der darauf gerichtet ist, Heizenergie einzusparen und das Nutzerverhalten dahingehend zu beeinflussen.
Zum anderen kann hier vertreten werden, dass es entscheidend auf den Wortlaut der Heizkostenverordnung ankomme, da es sich dabei um eine Verbotsverordnung handele, die auf die hier festgestellte Beheizungsart keine, auch keine analoge Anwendung finde.
Die Kammer schließt sich der ersten Auffassung an. Zwar spricht gegen eine analoge Anwendung der Heizkostenverordnung, dass die Nutzer bei der vorliegenden Beheizungsart gerade nicht mit Wärme, sondern nur mit der dafür erforderlichen Energie versorgt werden. Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HeizkostenV gilt die Heizkostenverordnung dann, wenn es um die Verteilung der Kosten des Betriebs zentraler Heizungsanlagen und zentraler Warmwasserversorgungsanlagen geht. In der einschlägigen Kommentarliteratur wird bei dem Begriff der zentralen Anlage dabei auf die Erzeugung bzw. Versorgung mit Wärme oder Warmwasser abgestellt (vgl. Lammel, 4. Aufl. 2015, HeizkostenV § 1 Rn. 5, 6; MüKoBGB/Schmid/Zehelein, 7. Aufl. 2016, BetrKV § 1 Rn. 2 ).
Danach wäre die Anwendbarkeit der Heizkostenverordnung zu verneinen, da ein Gesamtzähler gerade keine Wärme erzeugt bzw. die Nutzer mit Wärme versorgt, sondern diese nur zentral erfasst. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Heizkostenverordnung um eine Verbotsverordnung mit Ausnahmecharakter handelt, käme danach eine analoge Anwendung vor dem Hintergrund der planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
Gegen die letztgenannte Auffassung und für eine analoge Anwendung spricht jedoch der Zweck der Heizkostenverordnung. Die Heizkostenverordnung verfolgt das Ziel, Heizenergie dadurch einzusparen, dass dem jeweiligen Verbraucher mit der konkreten, auf ihn bezogenen Abrechnung nicht nur sein Energieverbrauch, sondern auch die dadurch verursachten Kosten vor Augen gehalten werden sollen. Dem jeweiligen Nutzer wird dadurch ermöglicht, seinen Verbrauch individuell zu gestalten, um dadurch für ihn Kosten und für die Volkswirtschaft Energie zu sparen (Schmidt-Futterer/Lammel, 13. Aufl. 2017, HeizkostenV § 1 Rn. 1; Lammel, 4. Aufl. 2015, HeizkostenV § 1 Rn. 1, beck-online; Senatsurteile vom 19. Juli 2006 – VIII ZR 212/05, NZM 2006, 652 Rn. 14; vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 9/14, NZM 2015, 205 Rn. 21; vom 6. Mai 2015 – VIII ZR 193/14, NZM 2015, 589, Rn. 29; vom 16. Januar 2019 – VIII ZR 113/17, Rn. 16, juris). Vor dem Hintergrund, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ein im Grundgesetz verankerten Auftrag sowohl an die Gesetzgebung als auch nach Maßgabe von Gesetz und Recht an die Rechtsprechung erteilt (Art. 20a GG), ist im Hinblick auf den schonenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und die damit bezweckte Einsparung von Heizenergie nach Auffassung der Kammer eine planwidrige Regelungslücke gegeben, die eine analoge Anwendung gebietet.
Den Beklagten steht danach gemäß § 12 HeizkostenV ein Kürzungsrecht in Höhe von 15 % zu. Daraus ergibt sich für die Beklagten die folgende Kürzung: Heizkosten: 15 % von 1.892,82 € = 283,923 €. Die Beklagten zahlten unter Abzug dieses Kürzungsbetrages den restlichen Nachforderungsbetrag in Höhe von 422,08 € (Nachforderung in Höhe von 706 € abzüglich des Kürzungsbetrages in Höhe von 283,92). Die klageweise geltend gemachte Restforderung ist danach bereits nicht entstanden, da in dieser Höhe ein Kürzungsrecht der Beklagten besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war bezüglich der Frage, ob die Heizkostenverordnung analog anzuwenden ist, wenn zwar eine gemeinsame Energieversorgung, jedoch keine gemeinsame Anlage zur Wärmeerzeugung vorliegt, zuzulassen.
Eine Entscheidung des BGH ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO erforderlich, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Frage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.
23.09.2019