Der Senat hat im Januar die Aufstellung von neuen Quartiersmanagements (QM) verkündet. Ab Anfang 2021 fließen Gelder aus dem Programm Sozialer Zusammenhalt in acht neue QM-Gebiete, außerdem wird ein bestehendes Gebiet vergrößert. Gleichzeitig wird Ende 2020 das Quartiersmanagement in neun Gebieten abgeschlossen. Das QM wandert dabei mehr und mehr an den Stadtrand.
Als das Berliner Quartiersmanagement und das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt vor 20 Jahren aufgelegt wurden, war schon klar, dass diese Hilfe für benachteiligte Stadtviertel nur eine Unterstützung auf Zeit sein wird. Professionell arbeitende Quartiersmanager sollten die Fördergelder so effektiv einsetzen, dass das jeweilige Quartier sich dauerhaft stabilisiert und die Bewohnerschaft auf lange Sicht ohne besondere Förderprogramme auskommt. Ein erfolgreiches Quartiersmanagement macht sich also über kurz oder lang selbst überflüssig.
In Hinblick auf das 20-jährige Jubiläum des Quartiersmanagements haben die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Bezirke zum einen die Entwicklung der 34 bestehenden Quartiere unter die Lupe genommen und zum anderen geprüft, welche weiteren Quartiere eine Unterstützung benötigen. Berücksichtigt wurden Gebiete, in denen einerseits die sozialen Rahmenbedingungen der Bewohnerschaft ungünstig sind – also die Arbeitslosigkeit hoch ist, viele Menschen von Transferleistungen leben und viele Kinder in Armut aufwachsen. Andererseits wurde auch nach notwendigen Verbesserungen im Stadtraum dieser Wohnviertel Ausschau gehalten.
Folgende neun Gebiete werden 2021 neu in das Förderprogramm aufgenommen:
- Thermometersiedlung (Steglitz-Zehlendorf)
- Nahariyastraße (Tempelhof-Schöneberg)
- Germaniagarten (Tempelhof-Schöneberg)
- Glasower Straße (Neukölln)
- Harzer Straße (Neukölln)
- Gropiusstadt Nord (Neukölln)
- Alte Hellersdorfer Straße (Marzahn-Hellersdorf)
- Titiseestraße (Reinickendorf)
- Germersheimer Platz (Erweiterung des Quartiers Falkenhagener Feld Ost, Spandau)
„Damit wird das Programm Soziale Stadt in Berlin ab 2021 in gleichem Umfang wie bisher fortgesetzt – und durch zusätzliche Fördermittel des Landes, des Bundes und der EU wird ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in diesen Gebieten erfolgen“, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke).
Die Bundesregierung hat die Städtebauförderung Änderungen unterzogen. Das bisherige Programm Soziale Stadt ist dabei im neuen Programm „Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“ aufgegangen.
Soziales und Bauliches Hand in Hand
Die Förderung wird auch weiterhin vom Bund und von den Ländern gemeinsam getragen. Dabei gehen soziale und bauliche Ziele Hand in Hand: Gefördert werden sowohl Beratungsangebote, Nachbarschaftstreffs, Streetworkereinsätze und Aktionen in Kitas – genauso aber auch Umbauten an Schulen, die Umgestaltung von Straßen und Plätzen oder das Aufmöbeln eines in die Jahre gekommenen Spielplatzes.
Die Auswahl der neuen Quartiere in Berlin zeigt, wie sich die Stadt verändert: Sechs der neun Gebiete sind Nachkriegsgroßsiedlungen am Stadtrand. Zwei weitere Gebiete – Germaniagarten und Glasower Straße – befinden sich am Zentrumsrand außerhalb des S-Bahn-Rings. Nur noch eins der neuen Quartiere, die Harzer Straße in Neukölln, ist ein innerstädtisches Altbauviertel. Vor 20 Jahren konzentrierten sich die sozialen Probleme noch massiv in den Innenstadtbezirken Wedding, Tiergarten und Kreuzberg. Die Armut wurde seither offensichtlich an den Stadtrand gedrängt.
Das lässt sich auch daran ablesen, welche Gebiete jetzt aus dem QM entlassen werden. Es sind überwiegend Innenstadtviertel, die das Programm nicht mehr benötigen. In folgenden Gebieten endet das QM am 31. Dezember 2020:
- Ackerstraße (Mitte, seit 2005)
- Bülowstraße/Wohnen am Kleistpark (Tempelhof-Schöneberg, seit 1999)
- Mariannenplatz (Friedrichshain-Kreuzberg, seit 2005)
- Werner-Düttmann-Siedlung (Friedrichshain-Kreuzberg, seit 2005)
- Schillerpromenade (Neukölln, seit 1999)
- Körnerpark (Neukölln, seit 2005)
- Lipschitzallee/Gropiusstadt (Neukölln, seit 2005)
- Marzahn-Nord (Marzahn-Hellersdorf, seit 1999)
- Mehrower Allee (Marzahn-Hellersdorf, seit 2005)
Außerdem werden die Neuköllner Gebiete Ganghoferstraße und Richardplatz-Süd zum neuen Gebiet Rixdorf zusammengelegt und das Gebiet Moabit-West auf die Bereiche Beussel- und Huttenkiez verkleinert.
Bereits im Jahr 2017 wurde festgestellt, dass in den neun zur Auflösung des QM anstehenden Gebieten die Hauptkriterien für eine erfolgreiche Quartiersarbeit weitgehend erfüllt sind: Es gibt dort stabile Netzwerke engagierter Bewohner und Institutionen, es sind Orte für Nachbarschaftsarbeit und Begegnung entstanden, und es wurden attraktive öffentliche Räume geschaffen. Um dies zu festigen, leitete man die Quartiere in eine zweijährige Verstetigungsphase, bevor die Förderung ganz ausläuft.
Statistische Verbesserung bei den Innenstadtquartieren
Die Aufwärtsentwickung eines Kiezes ist nicht immer nur auf das QM zurückzuführen, sondern auch auf den deutlichen Wandel der Stadt. Wo es vor 20 beziehungsweise 15 Jahren noch erhebliche Leerstände gab, sind heute Wohnungen und Ladenräume begehrte und teure Mangelware. Während Mieter mit wenig Geld nach Mieterhöhungen oder Modernisierungen in am Stadtrand gelegene Wohngebiete ausweichen mussten, sind in die innerstädtischen Viertel wohlhabendere Bewohner eingezogen. Diese meiden auch nicht mehr die vormals noch verschmähten Neubauten aus den 60er bis 80er Jahren wie etwa am Mariannenplatz, in der Werner-Düttmann-Siedlung oder in der Weddinger Ackerstraße, sondern verfahren bei der Wohnraumsuche nach dem Motto: Hauptsache zentral. Statistisch verbesserten sich mit dieser Entwicklung auch die Sozialdaten dieser Gebiete. Hinzu kommen weitere äußere Einflüsse. So ist das Quartier Schillerpromenade enorm aufgewertet worden, als der Flugbetrieb in Tempelhof eingestellt und anschließend das abgeschottete Flugfeld als riesige Grünanlage eröffnet wurde.
In Neukölln lässt sich die Randwanderung der Problemlagen im Kleinen beobachten: Das Quartiersmanagement begann dort im Norden und dehnte sich in den ersten zehn Jahren auf weite Teile des Ortsteils aus. Mittlerweile wurden im Norden schon die ersten QMs wieder aufgehoben, während nun südlich der Ringbahn neue Quartiere hinzukommen.
Jens Sethmann
Wie arbeitet das Quartiersmanagement?
Um ärmeren Stadtteilen gezielt unter die Arme zu greifen, hob die Bundesregierung 1999 das Programm Soziale Stadt aus der Taufe. Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ stellen die Quartiersmanager zusammen mit den Bewohnern ein Integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzept (IHEK) auf. Daraus entwickeln die QM-Teams konkrete Projekte, die mit Soziale-Stadt-Geldern den Kiez stärken sollen, zum Beispiel die Einrichtung eines Elterncafés, der Umbau eines Stadtplatzes oder erweiterte Öffnungszeiten eines Jugendklubs. Abgestimmt werden alle Projekte mit dem Quartiersrat – ein gewähltes Gremium, in dem Kiezbewohner und Vertreter von im Kiez wichtigen Institutionen sitzen. Außerdem gibt es in jedem Kiez einen Aktionsfonds mit Geld für kleine, spontane Nachbarschaftsideen, über dessen Vergabe eine Anwohnerjury entscheidet. In den 34 aktuellen Berliner Quartieren leben 423.000 Einwohner. Seit 1999 sind insgesamt 472 Millionen Euro aus dem Programm Soziale Stadt dorthin geflossen. Bis 2016 sind schon acht Stadtviertel aus dem QM entlassen worden.
js
www.quartiersmanagement-berlin.de
01.03.2020