Berlin ist nicht nur eine Stadt, sondern auch die Summe seiner Kieze. Doch die Stadtteile entwickeln sich immer mehr auseinander. Einigen gefeierten Gewinnerkiezen steht eine wachsende Anzahl von Verlierern gegenüber. Es gibt für benachteiligte Quartiere zwar mehr Instrumente und Programme denn je – neben den klassischen Sanierungs- und Erhaltungsgebieten gibt es mittlerweile Quartiersmanagement, Soziale Stadt, Urban II sowie Stadtumbau Ost und West -, doch in vielen Gebieten entfalten sie keine durchschlagende Wirkung. Wieder anderen Vierteln wurde noch nie eine dieser Segnungen zuteil, sie scheinen schlicht „vergessen“. Um die voranschreitende Spaltung der Stadt aufzuhalten, darf der Senat seine Stadterneuerungspolitik nicht aufgeben, sondern muss sie ernsthafter verfolgen als in den letzten Jahren.
Fast alle Läden stehen leer, Schaufenster sind mit mehreren Lagen Plakaten zugeklebt, die Wohnungsfenster darüber sind von einer dicken Staubschicht überzogen – dort wohnt schon lange niemand mehr. Auf vier Spuren dröhnen Autos und Lastwagen vorbei, zwischendrin rumpelt die Straßenbahn, es gibt nur schmale Bürgersteige und keinen Radweg, kein Baum mildert die Unwirtlichkeit dieser Szenerie. Die Edisonstraße in Oberschöneweide ist laut „B.Z.“ „Berlins traurigste Straße“. Auch wenn bei den Schlagzeilen der Boulevardpresse Skepsis angesagt ist – hier dürfte die Einschätzung des Blattes zutreffen.
Die Edisonstraße war einmal die Geschäftsstraße von Oberschöneweide. Doch während in den Nebenstraßen Häuser, Straßen und Plätze erneuert wurden, ging die Sanierung an der Edisonstraße vorbei. Nach und nach gaben die Einzelhändler auf, während die Verkehrsbelastung anstieg. Was bleibt, ist eine Verkehrsschneise von Treptow nach Lichtenberg, die den gebündelten Verkehr der wenigen Spreebrücken aufnimmt. An einer solchen Lärm- und Abgasquelle zu wohnen, ist kaum noch zumutbar.
„Die Häuser gehören überwiegend Einzeleigentümern, die nichts in ihre Objekte investieren, weil sie die Wohnungen anschließend wegen des Verkehrs nicht vermieten können“, erklärt Theo Killewald, der sowohl für den Sanierungsbeauftragten „Stattbau“ als auch für das Quartiersmanagement in Oberschöneweide tätig ist. „Unser Einfluss ist da sehr begrenzt.“ Bis 2009 soll allerdings eine Umgehungsstraße mit einer neuen Spreebrücke in Höhe des Britzer Zweigkanals entstehen. „Das Ziel ist, den Durchgangsverkehr komplett aus der Edisonstraße herauszuholen“, sagt Theo Killewald. „Dann kann sie wieder zu einer normalen Wohn- und Geschäftsadresse werden.“
Kein Mut zu verkehrspolitischen Eingriffen
An viel befahrenen Straßen stehen auffällig viele sanierungsbedürftige und verlassene Häuser. Das gilt nicht nur für eher unterprivilegierte Stadtteile wie Oberschöneweide. Selbst in den erfolgreichen Vorzeigesanierungsgebieten von Mitte und Prenzlauer Berg, wo ein großer Teil der Wohngebäude schon erneuert wurde, sieht man an den Hauptverkehrswegen noch viele unsanierte Fassaden mit blinden Fenstern. Ganz offensichtlich stoßen Wohnungen an lauten, abgasgeschwängerten und schmutzigen Straßen wie etwa der Brunnen-, Tor-, Eberswalder, Danziger oder Greifswalder Straße bei Mietern auf wenig Interesse, weshalb die Eigentümer in diesen Lagen weniger in Instandsetzung und Modernisierung investieren. Das Problem des ausufernden Autoverkehrs und seine negativen Auswirkungen auf die angrenzenden Wohnlagen wird bislang kaum ernst genommen. Verkehrspolitische Eingriffe scheut der Senat wie der Teufel das Weihwasser. Die Umweltzone, mit der ab 2008 besonders umweltverschmutzende Fahrzeuge aus dem inneren S-Bahn-Ring herausgehalten werden sollen, greift zu kurz und dürfte wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen für Anwohner wohl kaum eine spürbare Verbesserung bewirken.
Auch nach vier Jahrzehnten intensiver Stadterneuerung gibt es im Westteil Berlins immer noch Altbaugebiete, die noch nie in den Genuss irgendeines Sanierungsprogramms gekommen sind. Besonders in Nord-Neukölln, Wedding und Tiergarten gab es – abgesehen von den Kahlschlagsanierungen der 60er und 70er Jahre wie etwa an der Weddinger Brunnenstraße oder im Neuköllner Rollbergviertel – nur unwesentliche Erneuerungsversuche. Die „behutsame Stadterneuerung“ fand in den 80er Jahren hauptsächlich in Kreuzberg statt, in den anderen Bezirken wurden nur Kleinstsanierungsgebiete ausgewiesen. Nach der Wende hatte dann der marode Altbaubestand im Ostteil Vorrang. Im Westteil blicken nicht nur die benachteiligten Wohnviertel bis heute in die Röhre, auch in den eher „bürgerlichen“ Bezirken werden einige Quartiere zunehmend vernachlässigt, etwa der Mierendorffplatz in Charlottenburg oder die „Rote Insel“ in Schöneberg. Die Wohngebiete der „Insel“ wurden auch beim kürzlich festgelegten Stadtumbaugebiet „Südkreuz“ ausgespart.
Vergessen wurden lange Zeit die West-Berliner Großsiedlungen aus den 60er und 70er Jahren. Während im Ostteil der Stadt die meisten Plattenbauten nach der Wende mit Sonderprogrammen modernisiert, wärmegedämmt und aufgewertet wurden, geschah im Westen vergleichsweise wenig. Noch heute haben viele Wohnungen in der Gropiusstadt, im Märkischen Viertel, auf dem Falkenhagener Feld oder in der Thermometersiedlung keine ausreichende Wärmedämmung und veraltete Heizungsanlagen. Im Jahr 2005 wurden für eine ganze Reihe von West-Berliner Neubaugebieten Quartiersmanagementverfahren zur Intervention beziehungsweise Prävention eingeleitet, darunter Lipschitzallee/Gropiusstadt und Dammwegsiedlung in Neukölln, Heerstraße, Falkenhagener Feld-Ost und -West in Spandau, Brunnenviertel und Ackerstraße in Wedding sowie Werner-Düttmann-Siedlung, Wassertorplatz und Mehringplatz in Kreuzberg. Dabei hat man vor allem soziale Fragen wie Nachbarschaft, Integration, Bildung, Ausbildung und Arbeit im Blick. Außerdem kümmert man sich um das Wohnumfeld und das Image des Stadtteils. Auf Verbesserungen in den Wohnungen und Häusern hat das Quartiersmanagement hingegen keinen Einfluss.
Stadtumbau West: Wohnen hat keine Priorität
Auch das 2005 als Pendant zum Stadtumbau Ost aufgelegte Programm Stadtumbau West konnte noch kaum Wirkung entfalten. Ohnehin ist unter den fünf Berliner Stadtumbau-West-Gebieten mit dem Falkenhagener Feld nur ein Wohngebiet vertreten, das obendrein nicht die höchste Priorität genießt. Gefördert wird zunächst nur der Stadtumbau am Kreuzberger Spreeufer. Anders als im Ost-Programm geht es hier hauptsächlich darum, brachliegende Gewerbeflächen wieder nutzbar zu machen und trennende Verkehrstrassen zu überbrücken.
Zu den eher schlecht erhaltenen Beständen zählen auch die Siedlungen aus der Nazizeit. Vor allem im Ostteil der Stadt haben die Wohnungen nicht selten noch die karge Ausstattung aus der Zeit ihrer Erbauung. Die sehr knapp bemessenen Grundrisse und das oft eher abweisende Äußere der Häuser machen diese Bestände nicht gerade beliebt. Von teuren Investitionen waren diese Quartiere lange Zeit ausgeschlossen, was zwar die Mieten niedrig hielt, aber die Bausubstanz langsam verfallen ließ. Nach dem Verkauf der GSW, der die meisten Siedlungen aus dieser Zeit gehören, an einen renditeorientierten Finanzinvestor wird hier saniert. Am Grazer Damm in Schöneberg und in der „Grünen Stadt“ in Prenzlauer Berg wurden im Hauruck-Verfahren neue Bäder eingebaut, Fenster ausgetauscht und Balkone angebaut, ohne auf die Bedürfnisse der Mieter Rücksicht zu nehmen.
In einigen gemischt genutzten Gebieten hat man die Wohnnutzung ganz aufgegeben. In der Lichtenberger Herzbergstraße stehen zwischen Gewerbeflächen und Industriebrachen mehrere Wohnhäuser seit Jahren völlig leer. Mit Metallplatten verrammelt, gammeln sie langsam vor sich hin. Auch in der Wartenbergstraße stehen drei Ruinen, durch deren löchrige Dächer es schon so lange hereinregnet, so dass sie wohl nur noch auf ihren Abriss warten.
Der Senat hat schon seit Jahren die Absicht bekundet, sich so schnell wie möglich aus der Stadterneuerung zu verabschieden. Dennoch bestehen Chancen, dass neue Sanierungsgebiete ausgewiesen werden. Denn nach der Entlassung eines Sanierungsgebietes werden von den Grundstückseigentümern die sogenannten Ausgleichsbeträge kassiert, die den Wertzuwachs des Grund und Bodens, der durch die Sanierung eingetreten ist, abschöpfen sollen. Ein guter Teil dieser Einnahmen stünde dem Bund zu, der jedoch dem Land Berlin das Geld überlässt, wenn der Senat diese Einnahmen wieder im Bereich der Stadterneuerung reinvestiert. Doch wo soll Berlin das Geld ausgeben, wenn es ab 2010 in der Stadt keine Sanierungsgebiete mehr gibt? Aus den kürzlich aufgehobenen fünf kleinen Sanierungsgebieten erwartet man zwar nur 4,5 Millionen Euro an Ausgleichsbeträgen, bei den übrigen, meist größeren Gebieten wird aber mit weit mehr gerechnet. Insgesamt kann sich der Senat auf Einnahmen in Höhe von bis zu 90 Millionen Euro freuen.
Senat will Sanierungsverfahren vereinfachen
Um dieses Geld nicht verfallen zu lassen und um die speziellen Steueranreize, die es für Eigentümer in Sanierungsgebieten gibt, weiter anzubieten, prüft die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Ausweisung neuer Gebiete. „Zurzeit wird eine Vorstudie durchgeführt, die den Bedarf ermittelt“, erklärt Jochen Hucke von der Senatsverwaltung. Die bisherige Praxis der flächenhaften Stadterneuerung soll allerdings nicht fortgeführt werden. In der Überlegung ist bei allen neuen Gebieten ein vereinfachtes Verfahren der Sanierung.
Werden neue Sanierungsgebiete nur aus dem Grund festgesetzt, weil man sie für die Reinvestierung der Ausgleichsbeträge braucht, würden wenige kleine Gebiete genügen. 90 Millionen Euro sind schnell verbaut. Mit einer nachhaltigen Stadterneuerungspolitik hätte das nichts zu tun.
Sanierung kann für die Bewohner allerdings eine zweischneidige Sache sein. Die Modernisierung von Wohnungen und die Aufwertung der Quartiere hat immer auch eine Erhöhung des Mietpreisniveaus zur Folge. Sanierung geht mit Verdrängung einher. Der Anteil einkommensschwacher Bewohner geht im Laufe der Sanierung langsam, aber sicher zurück. Die sozialen Schutzinstrumente, die eingeführt worden sind, um die Verdrängung armer Bewohner zu verhindern, wurden immer stumpfer: Die Festlegung von Mietobergrenzen ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr zulässig und der Senat sieht keine Notwendigkeit, Ersatz zu schaffen. Die Belegungsbindungen sind schwer durchzusetzen und Eigentümer, die diese vertraglich vereinbarten Verpflichtungen nicht einhalten, brauchen nicht mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen. Die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung und die „Gentrifizierung“ der Stadtteile muss dabei gar nicht so extrem verlaufen wie etwa in der Spandauer Vorstadt in Mitte oder am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, wo sich heute ein gänzlich anderer Menschenschlag tummelt als noch vor zehn Jahren. Selbst in den weniger edel sanierten Vierteln hat sich die Wohnbevölkerung oft zur Hälfte oder mehr ausgetauscht. Das allein ist noch nicht dramatisch. Bevorstehende Bauarbeiten im Haus geben vielen Bewohnern Veranlassung umzuziehen – unter Berliner Mietern herrscht ohnehin eine vergleichsweise hohe Fluktuation. Doch die deutlich höheren Mieten, die in einigen sanierten Quartieren verlangt werden, erzeugen soziale Verwerfungen in der Stadt: Es bilden sich reiche und arme Stadtteile heraus, die soziale Mischung geht verloren.
Der Berliner Mieterverein (BMV) plädiert für die Ausweisung neuer Sanierungsgebiete. Die Verfahrensweisen müssten aber wieder stärker an den Bedürfnissen der Mieter ausgerichtet und die Modernisierung von Wohngebäuden gezielt mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. „Wichtig ist ein Sozialplanverfahren, mit dem die Sanierungsfolgen für die meist einkommensschwachen Mieter abgefedert werden können“, erklärt Reiner Wild, stellvertretender BMV-Hauptgeschäftsführer. Der Glaube der Senatsverwaltung, man könne ohne öffentliche Anstoßfinanzierungen auskommen, sei „illusionär“, so Wild. Gerade in den weniger gefragten Lagen habe sich erwiesen, dass der Leitspruch des Senats „Öffentliches Geld nur für öffentliches Eigentum“ nicht funktioniert. „Der Senat legt die Hände in den Schoß“, so Reiner Wild. „Für das soziale Gleichgewicht ist das brisant und gefährlich.“ Das Quartiersmanagement, auf das die Senatsverwaltung in diesem Zusammenhang immer verweist, hält der Berliner Mieterverein für „nicht ausreichend“.
Ohne öffentliche Gelder geht es nicht
Mittlerweile gibt es in 32 Stadtteilen ein Quartiersmanagement. Neukölln ist dabei mit acht Quartieren fast flächendeckend versorgt. Traurige Berühmtheit als Müllkippe erlangte der dortige Sasarsteig. Der kurze Verbindungsweg zwischen Mainzer Straße und Reuterstraße war bevorzugte Ablagerungsstätte für alte Kühlschränke, Möbelruinen, Bauschutt und sonstigen Unrat. „Auf dem Spielplatz gab es keine Spielgeräte mehr, das war nur noch eine Hundetoilette“, sagt Thomas Helfen, Quartiersmanager im Gebiet Flughafenstraße. Mit Sanierungsgeldern des Bezirks begann nun die Umgestaltung zu einer „attraktiven Gehwegverbindung“. Die Bäume wurden ausgelichtet, neue Straßenleuchten wurden aufgestellt und ein Teil der Fläche wurde dem Hof einer benachbarten Schule zugeschlagen. Auf diese Weise versucht Neukölln, mit baulichen Mitteln dem Bild der Verwahrlosung Schritt für Schritt Herr zu werden.
Der Faktor „Image“ ist nicht zu unterschätzen. Uralte Klischees wie „Arbeiterviertel“ oder „Beamtenviertel“ halten sich bis heute, auch wenn sie längst jeder Grundlage entbehren. Die mühsame Imageverbesserungsarbeit von Quartiersmanagern kann mit einem Schlag dahin sein, wenn etwa Vorgänge wie an der Rütli-Schule von Boulevardmedien aufgegriffen werden. Differenzierte Betrachtungen sind da nicht gefragt, Neukölln wird mit „Ghetto“ oder gar „Slum“ gleichgesetzt. Ein positiver Imagewandel gelingt nur selten. Wedding oder Neukölln werden ihr Arbeiter- oder Arbeitslosenviertel-Image so schnell nicht loswerden. Selbst das schlichte, schon zu DDR-Zeiten gebräuchliche Wortspiel „Oberschweineöde“ hat für Oberschöneweide lange wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung gewirkt. Hohe Erwartungen setzt man hier auf die Ansiedlung der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW). Nach und nach soll der FHTW-Campus an der Wilhelminenhofstraße von derzeit 1000 auf rund 6000 Studenten ausgebaut werden. In jedem Stadtteil wird man allerdings keine Hochschule ansiedeln können.
Fazit: Sanierung kann viel bewegen, reicht aber allein nicht aus. Die Hoffnung aus den fortschrittsgläubigen 60er und 70er Jahren, dass mit der Sanierung der Häuser auch die sozialen Probleme der Bewohner verschwinden, hat sich längst als falsch erwiesen. Um die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern, müssen auch der Verkehr, die Abgas- und Lärmbelastung im Zaum gehalten werden, die Erhaltung und die Pflege von Grünflächen muss dauerhaft gesichert werden, Integrations- und Bildungschancen müssen erhöht werden, und nicht zuletzt wollen die Bürger von Politik und Verwaltung ernst genommen werden. Senat und Bezirke ha-ben noch einiges nachzuarbeiten.
Jens Sethmann
* Name geändert
Die Stadterneuerung – einst Vorzeigeprojekt der Berliner Baupolitik – ist in den letzten Jahren zu einem Mauerblümchen verkümmert. Der Senat zieht sich immer mehr zurück. Gerade wurden die ersten fünf Sanierungsgebiete aus dem ersten Gesamtberliner Stadterneuerungsprogramm aufgelöst, für alle übrigen 17 Gebiete ist der Ausstieg bis spätestens 2010 fest terminiert. Viele der Sanierungsgebiete werden dann kürzer als die ursprünglich geplanten 15 Jahre existiert haben. Möglich ist das nur, weil die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Sanierungsziele deutlich abgesenkt hat. Wenn in einem Gebiet 60 Prozent der Ziele erreicht sind, soll die Sanierungssatzung aufgehoben werden. Im Klartext: Es werden weniger Wohnungen modernisiert, weniger Straßen verkehrsberuhigt, weniger Spielplätze und Grünflächen angelegt und weniger Schulen und Kitas saniert – und trotzdem gilt die Stadterneuerung als „erfolgreich“ abgeschlossen.
Schon seit Jahren nimmt die Bedeutung der Stadterneuerung ab: Die Geschichte der 1993 gestarteten ehrgeizigen Sanierungsvorhaben ist ein beständiges Zurückfahren von Fördergeldern und Einstellen von Förderprogrammen. Die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen wird seit 2001 vom Senat nicht mehr gefördert und allein in die Hände privater Eigentümer gelegt. Die Erneuerung der öffentlichen Infrastruktur wird fast nur noch aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“ oder aus EU-Programmen wie EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) oder ESF (Europäischer Sozialfonds) bezahlt, bei denen Berlin nur einen Teil kofinanzieren muss. Das deutliche Signal, das der Senat damit aussendet: Die Sanierung ist ein Auslaufmodell.
js
Der Bezirk Pankow, in dem sieben auslaufende Sanierungsgebiete liegen, setzt sich für neue Sanierungsgebiete ein. „Da eine flächendeckende Ausweisung von Sanierungsgebieten weder möglich noch sinnvoll ist, ist eine klare Schwerpunktsetzung notwendig“, heißt es in dem Antrag der Bezirks-SPD. Vorgeschlagen werden sechs – zum Teil doch sehr groß bemessene – Bereiche: Buch, Heinersdorf, Blankenfelde, Weißensee-Langhansstraße, Pankow-Süd und Prenzlauer Berg-Humannplatz. In diesen Gebieten gebe es städtebauliche Defizite, außerdem sei die soziale und verkehrliche Infrastruktur verbesserungsbedürftig. „Das sind sehr unterschiedliche Gebiete, für die man neue Verfahren anwenden muss“, sagt Michail Nelken (Linke.PDS), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. „Hauptziel wird hier nicht die Sanierung des Wohnungsbestands sein.“ Ausnahme sei Buch, wo mit Städtebaufördermitteln Anreize für die Erneuerung der dortigen Plattenbauten geschaffen werden könnten. Ansonsten dürfte vor allem in die Infrastruktur, also in Schulen, Kitas, Straßen, Wege und Grünflächen investiert werden, um so die Quartiere zu stabilisieren. Das in den bisherigen Sanierungsgebieten aufgetretene Problem der Verdrängung der angestammten Bewohner fürchtet Nelken daher nicht.
Auch Neukölln engagiert sich für ein neues Sanierungsgebiet. Die rot-grün-rote Bezirksmehrheit will mit Hilfe einer Sanierungssatzung die Karl-Marx-Straße attraktiver gestalten. Mit der Fertigstellung der parallel verlaufenden Teltowkanal-Autobahn braucht die Einkaufsstraße keinen Fernverkehr mehr zu bewältigen und soll deshalb eventuell sogar zu einer Fußgängerzone umgebaut werden.
js
MieterMagazin 5/07
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alle Fotos: Christian Muhrbeck
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05.02.2018