Leitsätze:
1. Wird die Abweisung einer Räumungsklage darauf gestützt, dass der Vermieter die Ernsthaftigkeit und hinreichende Verfestigung des Eigennutzungswunsches nicht habe beweisen können, erwächst damit nicht in Rechtskraft, dass der im Kündigungsschreiben beschriebene Eigenbedarf die Beendigung des Mietverhältnisses nicht rechtfertigen könne. Kündigt der Vermieter in so einem Fall erneut und strengt eine weitere Räumungsklage an, liegt keine unzulässige „Wiederholungskündigung“ im Sinne einer Kündigung vor, die auf eben jene Gründe gestützt wird, die bereits in einem früheren Verfahren rechtskräftig als materiell unzureichend beurteilt wurden.
2. Mit dem Argument, der Vermieter hätte für die Befriedigung seines Eigenbedarfs eine andere vermietete Wohnung aussuchen und das Mietverhältnis eines anderen Mieters kündigen müssen, kann die Abwehr einer Eigenbedarfskündigung nicht gelingen; weder muss der Vermieter eine „Sozialauswahl“ vornehmen, noch handelt er deshalb treuwidrig, wenn seine Wahl unter mehreren vergleichbaren Wohnungen auf diejenige mit dem ältesten Mietverhältnis und der niedrigsten Quadratmetermiete fällt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Mieters ist vielmehr erst auf seinen Widerspruch im Rahmen der Härteprüfung nach Maßgabe der §§ 574 ff. BGB zu berücksichtigen.
3. Da die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition des Mieters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch einen eingeschränkten Bestandsschutz gerade auch für die Absprachen über die Höhe der Miete umfasst, kann der Verlust besonders günstiger Mietkonditionen sich für den Mieter als Härte im Sinne der §§ 574 ff. BGB darstellen. Bietet der Vermieter dem Mieter eine Alternativwohnung im selben Haus zu im Wesentlichen den bisherigen entsprechenden Mietkonditionen an und weist der Mieter dieses Angebot ohne triftige Begründung zurück, kann er sich im Rahmen der Härtefallprüfung aber nicht mehr darauf berufen, dass er keinen ihm nach Lage, Ausstattung und Preis zumutbaren Ersatzwohnraum anmieten könne.
4. Das Gericht ist zur Aufklärung einer behaupteten Räumungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nur dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet, wenn der Zusammenhang zwischen einem erzwungenen Wohnungswechsel und schwerwiegenden Gesundheitsgefahren hinreichend substanziiert und schlüssig vorgetragen wird. Beschränken sich die vorgelegten ärztlichen Atteste auf eine Auflistung der aktuellen, überwiegend chronischen Gesundheitsbeeinträchtigungen des Mieters und die Mitteilung, ihm sei ein Umzug nicht möglich oder nicht zuzumuten, ist damit noch nicht schlüssig dargetan, dass dem Mieter selbst ein Umzug um eine Etage innerhalb ein und desselben Miethauses nicht möglich oder zuzumuten sei.
LG Berlin vom 18.12.2019 – 64 S 91/18 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Nichtzulassungsbeschwerde der beklagten Mieterin ist anhängig zu BGH – VIII ZR 11/20 –.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung der ihr seit xxx 1970 vermieteten Wohnung in Anspruch. Ebenso wie im Rahmen des früheren Verfahrens AG Charlottenburg 233 C 206/15 = LG Berlin 18 S 40/16 stützt sie sich auf Eigenbedarf ihres Gesellschafters xxx, der die Wohnung gemeinsam mit seinem langjährigen Lebensgefährten xxx künftig zu Wohnzwecken nutzen wolle.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der im ersten Rechtszug zur Verhandlung gestellten Sachanträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, das der Klägerin am 18. April 2018 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht hat die Kündigung vom 1. Dezember 2016 als unwirksam angesehen; wie schon im Vorverfahren habe es sich auf Grund der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Eigennutzungswunsch hinreichend konkretisiert und verfestigt sei, um das Räumungsbegehren tragen zu können.
Mit der am 16. April 2018 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Juli 2018 an diesem Tag begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil in vollem Umfang an und will weiterhin Räumung sowie Herausgabe der Wohnung erreichen.
Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Mieterin xxx, die eine Wohnung im Gebäude xxx im 3. OG rechts bewohnte, geendet; diese stand seit dem 31. Juli 2018 leer und wird jedenfalls seit November 2019 durch den Gesellschafter xxx der Klägerin genutzt.
Die Klägerin trägt vor, die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei fehlerhaft und sein Schluss, der Klage liege eine bloße Vorratskündigung zu Grunde, sei zu korrigieren. Die Kündigung sei auch nicht missbräuchlich erfolgt, denn die Klägerin sei darin frei, welche Wohnung aus ihrem Bestand sie ihrem Gesellschafter zur Verfügung stellen wolle. Die Wohnungsauswahl beruhe auf vernünftigen Erwägungen, insbesondere seien die Wohnungen im Hause xxx im 3. OG rechts und die Ende Juli 2018 frei gewordene Wohnung im Gebäude xxx im 3. OG rechts nach Schnitt, Ausstattung und Lage für die Zwecke ihres Gesellschafters xxx und seines Lebensgefährten nicht vergleichbar gut geeignet wie die streitgegenständliche Wohnung. Erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019 hat die Klägerin geltend gemacht, dass eine Wohnung oberhalb des zweiten Obergeschosses für ihren Gesellschafter xxx auch deswegen nicht geeignet sei, weil dieser leidenschaftlicher Rennrad- und Radfahrer sei. Er nehme sein Fahrrad stets mit in die Wohnung, wozu er die Treppe benutzen müsse, da der Fahrstuhl zu klein sei. Dem Räumungsverlangen stünden Härtegründe nicht entgegen. Den von der Beklagten vorgelegten Attesten sei nicht zu entnehmen, dass in Folge eines Umzuges eine Gesundheitsverschlechterung eintreten könne. Die Beklagte habe im Übrigen nicht dargetan, dass sie sich überhaupt auf Wohnungssuche begeben und sich um eine Ersatzwohnung bemüht habe, könne sich mithin nicht darauf berufen, dass es an angemessenen Ersatzwohnraum fehle. Das Angebot der Klägerin, die Wohnung im Gebäude xxx im 3. OG rechts zu den für die aktuelle Wohnung vereinbarten Mietkonditionen anzumieten habe sie nicht wahrgenommen, sondern gegenüber ihrem Gesellschafter xxx geäußert, sie sei zu alt und wolle nicht mehr umziehen. Hilfsweise, müsse das Mietverhältnis auf den Härteeinwand der Beklagten auch nur befristet fortgesetzt werden, sei dies der Klägerin jedenfalls nur dann zuzumuten, wenn die Miete angemessen erhöht werde, sodass sie sich der ortsüblichen Vergleichsmiete zumindest annähere.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, der Beklagten eine großzügige Räumungsfrist zu gewähren.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Begründung der Eigenbedarfskündigung vom 1. Dezember 2016 decke sich mit derjenigen im Vorprozess; die Kündigung sei schon deswegen rechtswidrig und missbräuchlich. Die Angaben des Zeugen xxx, er habe sich gemeinsam mit dem Geschäftsführer xxx der Klägerin für die von der Beklagten gemietete Wohnung entschieden, sei daher unglaubhaft und widerspreche den Angaben im Vorprozess, wonach Herr xxx die Wohnung allein ausgesucht habe; der Zeuge xxx habe die Wohnung nach wie vor nicht besichtigt und wisse nicht mal, ob zur Wohnung ein Keller gehöre oder nicht. Tatsächlich habe der Zeuge gar kein Interesse daran, mit Herrn xxx zusammen in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Er wohne in Wahrheit weiterhin in der Wohnung xxx in 1xxx Berlin, die er auch weiterhin als Geschäftssitz nutze. Dass er tatsächlich weiterhin alleine wohnen wolle, habe er durch seine Angabe offenbart, er hoffe, seine Mutter nur vorübergehend unterstützen zu müssen und bald wieder „selbstständig“ wohnen zu können. Auch die Gründe für die Auswahl der von der Beklagten gemieteten Wohnung seien offensichtlich vorgeschoben; tatsächlich gehe es der Klägerin nur darum, das älteste aller von ihr geführten Mietverhältnisse mit der niedrigsten Quadratmetermiete zu beenden, um wirtschaftlich zu profitieren. Die Angabe, Herr xxx und sein Partner wollten aus persönlichen Gründen nicht höher als im zweiten Obergeschoss wohnen, könne darüber nicht hinwegtäuschen; die erst im Termin vom 20. November 2019 verspätet vorgeschobene Begründung, für den Geschäftsführer der Klägerin sei es zu unbequem, sein Fahrrad regelmäßig bis in die dritte Etage oder noch höher zu tragen, entbehre nicht einer gewissen Pikanterie, nachdem das Haus xxx über einen selbstverständlich auch für Fahrräder geeigneten Fahrstuhl verfüge und zudem auch Wohnungen im 3. OG mit Kellerraum vermietet seien. Tatsächlich seien sowohl die Dreizimmerwohnung im 3. OG rechts im Aufgang xxx als auch die Vierzimmerwohnung im 3. OG rechts im Aufgang xxx ohne Einschränkungen geeignet, den von der Klägerin behaupteten Eigennutzungswunsch zu befriedigen, sodass das Räumungsverlangen rechtsmissbräuchlich sei. In Wahrheit habe der Geschäftsführer xxx der Klägerin die Wohnung in der xxx jedenfalls für geschäftliche Gründe genutzt, was der Geschäftsführer der xxx GmbH gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten telefonisch bestätigt habe. Unstreitig wohne er nunmehr in der Vierzimmerwohnung in der xxx. Die Behauptung, der Eigenbedarf sei nur in der von der Beklagten genutzten Wohnung im zweiten Obergeschoss zu verwirklichen, stütze die Klägerin auf die abstrusen Begründungen, man könne in Wohnungen im ersten Obergeschoss von der Straße aus hineinsehen und es sei unzumutbar, ein Fahrrad höher als in das zweite Obergeschoss zu tragen; das Vorbringen sei nicht nur widersprüchlich und gegenläufig, sondern bestätige im Ergebnis, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben sei. Das Mietverhältnis müsse jedenfalls deswegen fortgeführt werden, weil der Verlust der Wohnung für die Beklagte eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Der Hinweis der Kammer vom 10. Juli 2019, die vorgelegten Atteste der Ärzte Dr. xxx vom 29. November 2017 (vgl. Anlage B11, Bl. I/104 d. A.), vom 20. Mai 2019 (vgl. Bl. II/121 d. A.) und vom 20. August 2019 (vgl. Bl. II/218 d. A.) sowie Dr. xxx vom 20. November 2017 (vgl. Anlage B10, Bl. I/103 d. A.), vom 19. August 2019 (vgl. Anlage B14, Bl. II/217 d. A.) und vom 18. November 2019 (vgl. Bl. III/37 d. A.) reichten nicht aus, sei unverständlich. Die Ärzte hätten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte weder physisch noch psychisch in der Lage sei, einen Umzug durchzuführen; ein erzwungener Wohnungswechsel würde zu erheblichen Aufregungen führen, denen die Beklagte körperlich nicht mehr gewachsen sei. Dem müsse die Kammer nachgehen und die benannten Ärzte als Zeugen hören sowie ein Sachverständigengutachten einholen. Der Bundesgerichtshof habe wiederholt ausgeführt, dass immer dann, wenn von dem Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend gemacht würden, das Gericht sich mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche kratzendes Bild davon zu verschaffen habe, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden seien. Ein Umzug in die von der Klägerin angebotene Ausweichwohnung im 3. OG rechts im Hause xxx komme mithin von vorne herein nicht in Betracht. Die Annahme der Kammer, der Beklagten sei es zuzumuten, diese Wohnung zu den angebotenen Konditionen anzumieten, sei aber ohnehin unverständlich. Wenn die Wohnung wegen ihres ungünstigen Schnitts für den Gesellschafter der Klägerin keine zumutbare Alternative darstelle, müsse dies auch für die Beklagte gelten. Eine Alternativwohnung müsse schließlich auch die Möbel der Beklagten aufnehmen können, was aber im Hinblick auf ihre große Einbauküche und mehrere größere Einbauschränke angesichts der kleinen Zimmer und der kleinen Küche für die angebotene Wohnung nicht zutreffe. Die 82jährige Beklagte sei Vertriebene und solle nun nach über fünf Jahrzehnte währender Verwurzelung in ihrer ersten und einzigen Wohnung erneut vertrieben werden. Die Klägerin habe zudem mit Schreiben vom 27. Mai 2019 eine „Mieterhöhung“ erklärt, um zusätzlichen Druck auf ihre schwer kranke Mieterin auszuüben, damit aber zugleich offenbart, dass sie natürlich auch selber vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgehe.
Die Kammer hat die Akten AG Charlottenburg 233 C 206/15 = LG Berlin 18 S 40/16 sowie AG Charlottenburg 216 C 289/15 = LG Berlin 18 S 49/16 beigezogen. Mit Beschluss vom 5. März 2019 (vgl. Bl. II/60 f. d. A.) hat sie darauf hingewiesen, dass sie die Bedenken des Amtsgerichts gegen die Ernsthaftigkeit und Verfestigung des behaupteten Eigennutzungswunsches an Hand der protokollierten Angaben des Zeugen xxx nicht teile, jedoch den Härteeinwand der Beklagten für schlüssig halte. Die Beklagte werde eine vergleichbar großzügige Alternativwohnung zu annähernd vergleichbar günstigen Mietbedingungen wohl nicht finden können, während sich der Eigennutzungswunsch des Gesellschafters der Klägerin ohne wesentliche Einschränkungen auch in einer anderen Wohnung der Klägerin verwirklichen lasse. Gleichzeitig hat die Kammer die Sache dem Vorsitzenden als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Die Klägerin hat der Beklagten mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 „vorsorglich und äußerst hilfsweise“ angeboten, die Wohnung im 3. OG rechts im Hause xxx zur gleichen Bruttokaltmiete je Quadratmeter Wohnfläche anzumieten, die die Beklagte für die aktuelle Wohnung bezahlt (vgl. Bl. II/163 f. d. A.). Die Beklagte hat daraufhin angekündigt, sie wolle sich dem Angebot nicht grundsätzlich verschließen und die Alternativwohnung „Ende August / Anfang September“ einmal besichtigen. Am 8. August 2019 hat der Gesellschafter xxx der Klägerin die Beklagte sodann ohne vorherige Terminansprache persönlich aufgesucht, an der Wohnungstür geklingelt, eine sofortige Besichtigung der Wohnung im dritten Obergeschoss angeboten und die Beklagte aufgefordert, sich die Wohnung anzusehen. Die Beklagte hat dies abgelehnt. Sie trägt vor, sie sei auf Grund des Verhaltens des Gesellschafters der Klägerin verängstigt; dieser habe sich nicht vorgestellt, sondern sie bedrängt. Sie leide deswegen, wegen der Kündigungen und wegen modernisierungsbedingter Lärmbeeinträchtigungen im Haus unter Angstzuständen und habe sich in psychiatrische Behandlung begeben müssen; ihr sei daher kurzfristig ohnehin kein Umzug möglich.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 10. Juli 2019 (vgl. Bl. II/173 ff. d. A.) weitere Hinweis erteilt. Sie hat sodann Beweis erhoben über die von der Klägerin behaupteten Eigenbedarfsgründe durch Parteivernehmung ihres Gesellschafters xxx und durch Vernehmung des Zeugen xxx. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019 (vgl. Bl. III/39 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2. Die Berufung hat auch Erfolg, denn die Klage ist zulässig und begründet. Der vorangegangene Räumungsrechtsstreit steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin die von der Beklagten genutzte Wohnung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB für ihren Gesellschafter xxx benötigt; die Kündigung vom 1. Dezember 2016 führte folglich zur Beendung des Mietverhältnisses. Das beendete Mietverhältnis ist auf den Widerspruch der Beklagten nicht gemäß §§ 308a ZPO, 574, 574a BGB befristet oder unbefristet fortzusetzen, denn die Härteeinwände der Beklagten greifen nicht durch. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargetan, dass ihr ein Umzug in eine andere Wohnung aus gesundheitlichen Gründen von vorne herein unzumutbar sei. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass kein Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen verfügbar sei. Sie hat nicht dargetan, dass sie sich überhaupt um eine Ausweichwohnung bemüht hätte; die ihr von der Klägerin zu jedenfalls akzeptablen Mietkonditionen angebotene Alternativwohnung hat sie ohne triftige Begründung abgelehnt.
a) Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage als zulässig angesehen, obwohl das in dem vorangegangenen Verfahren rechtskräftig zurückgewiesene Räumungsbegehren auf die auch vorliegend geltend gemachten Eigenbedarfsgründe gestützt war. Eine unzulässige „Wiederholungskündigung“ im Sinne einer Kündigung, die auf eben jene Gründe gestützt wird, die bereits in einem früheren Verfahren rechtskräftig als materiell unzureichend beurteilt wurden (vgl. BAG – 2 AZR 867/11 -, Urt. v. 20.12.2012, NZA 2013, 1003 ff., zitiert nach juris), liegt hier nicht vor. Das gilt schon deswegen, weil die Klage im vorangegangenen Prozess gerade nicht mit der Begründung abgewiesen wurde, der im Kündigungsschreiben bezeichnete Eigenbedarf könne die Beendung des Mietverhältnisses nicht tragen. Die Klageabweisung wurde vielmehr darauf gestützt, dass die Klägerin die Ernsthaftigkeit und hinreichende Verfestigung des Eigennutzungswunsches nicht beweisen konnte. Es liegt auf der Hand, dass sich ein (noch) nicht hinreichend verfestigter Eigenbedarf weiter ausbilden und dann womöglich eine Kündigung tragen kann.
b) So liegt es hier; die neuerliche Eigenbedarfskündigung ist wirksam. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der im Kündigungsschreiben vom 1. Dezember 2016 beschriebene Eigenbedarf vorliegt und die Klägerin die von der Beklagten genutzte Wohnung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB benötigt, um sie ihrem Gesellschafter xxx zu Wohnzwecken zu überlassen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die neuerliche Eigenbedarfskündigung der Klägerin weder widersprüchlich, noch offensichtlich vorgeschoben oder rechtsmissbräuchlich. Die Kammer hat bereits mit Beschluss vom 5. März 2019 (vgl. Bl. II/60 f. d. A.) darauf hingewiesen, dass der zweite Rechtsstreit mit im Wesentlichen gleichen, lediglich an Verlauf und Ausgang des ersten Verfahrens angepassten und konkretisierten Vortrag nicht zwingend auf einen Missbrauch des Kündigungsrechts hindeutet, sondern ebenso gut den Schluss zulässt, dass es dem Gesellschafter der Klägerin und seinem Lebenspartner wirklich ernst damit sei, die Wohnung für sich zu nutzen.
Der Zeuge xxx hat den Eigennutzungswunsch des Gesellschafters xxx der Klägerin schon im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung bestätigt. Die Bedenken des Amtsgerichts gegen dessen Verfestigung hält die Kammer, wie im Beschluss vom 5. März 2019 ausgeführt, nicht für durchgreifend und hat deswegen gemäß § 448 ZPO von Amts wegen angeordnet, den Gesellschafter xxx der Klägerin ergänzend als Partei zu hören. Dieser sowie der nochmals gehörte Zeuge xxx haben einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie haben jeder für sich und ohne einander zu widersprechen glaubhaft geschildert, dass sie schon seit mehreren Jahren beabsichtigten, zusammen eine Wohnung zu beziehen, Herr xxx großen Wert darauf lege, nicht mehr zur Miete, sondern in dem Familienanwesen zu wohnen und dies maßgebliche Motivation für die erste Kündigung und den ersten Räumungsrechtsstreit gewesen sei. Auch die weitere Schilderung, dass beide gemeinsam die Auswahl ihrer Wunsch-Wohnung unter dem Eindruck des ersten Rechtsstreits überprüft und an Hand der im einzelnen genannten Kriterien zusammen nachvollzogen hätten, bevor die neuerliche Kündigungserklärung ausgebracht worden sei, hält die Kammer für nachvollziehbar und glaubhaft.
Der streitige Eigenbedarf liegt damit tatsächlich vor. Denn die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind schon dann erfüllt, wenn der Eigennutzungswunsch tatsächlich besteht und auf vernünftigen, der Rechtsordnung nicht widersprechenden Erwägungen beruht (vgl. BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87 -, BGHZ 103, 91 ff.; BVerfG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 1 BvR 308/88 -, BVerfGE 79, 292 ff.). Daran bestehen hier keine Zweifel. Die Kammer hält nach deren zeugenschaftlichen Vernehmung für ausgeschlossen, dass der Gesellschafter xxx der Klägerin und der Zeuge xxx tatsächlich kein Paar seien, in Wirklichkeit nicht zusammen wohnen wollten, dafür in Wahrheit nicht die an die Beklagte vermietete Wohnung ausgewählt oder diese Wahl nur getroffen hätten, um der Beklagten zu schaden und ein ertragsarmes Mietverhältnis zu beenden; für ihre Behauptung, der Zeuge xxx bewohne entgegen seinen Angaben vom 20. November 2019 weiterhin die Wohnung in der xxx und wolle gar nicht mit Herrn xxx zusammen ziehen, hat die Beklagte keine nachvollziehbare Grundlage. Dass die beiden Herren bis heute nicht zusammen wohnen, obwohl sie nach ihren Angaben bereits seit Weihnachten 2013 den Wunsch dazu hegen, haben sie glaubhaft erläutert; der Zeuge xxx hat dazu nachvollziehbar auf die für sie unerwartete Entwicklung des ersten Räumungsrechtsstreits und die ebenfalls überraschenden weiteren Verzögerungen im Zuge der gerichtlichen Durchsetzung des Eigenbedarfs verwiesen. Zur Überzeugung der Kammer beigetragen hat auch die verhaltene Empörung des Zeugen xxx über die Gründe für die Abweisung der Klage im ersten Räumungsrechtsstreit, die nach Wahrnehmung der Kammer echt und nicht gespielt gewesen ist.
Die Kammer vermag bei alledem ungeachtet der entgegen stehenden Beteuerung des Gesellschafters xxx der Klägerin nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass die von der Beklagten gezahlte niedrige Miete bei der Auswahl unter den übereinander befindlichen postalisch „links“ gelegen Wohnungen im Hause xxx , die identische Grundrisse aufweisen dürften, nicht doch eine Rolle gespielt haben könnte. Ebenso wie die Beklagte hält auch die Kammer die Darstellung, der Eigenbedarf könne ausschließlich im zweiten Obergeschoss verwirklicht werden, nicht für überzeugend; weder eine nicht stichhaltig begründete Abneigung gegen höher gelegene Wohnungen noch ein Unwille, Fahrräder mit dem Fahrstuhl zu transportieren, könnten für sich genommen eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen. Darauf kommt es jedoch nicht an, da auch die anderen postalisch „links“ gelegenen Wohnungen vermietet waren und weiterhin vermietet sind. Mit dem Argument, der Vermieter hätte für die Befriedigung seines Eigenbedarfs eine andere vermietete Wohnung aussuchen und das Mietverhältnis eines anderen Mieters kündigen müssen, kann die Abwehr einer Eigenbedarfskündigung nicht gelingen; weder muss der Vermieter eine „Sozialauswahl“ vornehmen (vgl. BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 6. Juli 1994 – VIII ARZ 2/94 -, BGHZ 126, 357 ff., Rn. 29, zitiert nach juris), noch handelt er deshalb treuwidrig, wenn seine Wahl unter mehreren vergleichbaren Wohnungen auf diejenige mit dem ältesten Mietverhältnis und der niedrigsten Quadratmetermiete fällt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Mieters ist vielmehr erst auf seinen Widerspruch im Rahmen der Härteprüfung nach Maßgabe der §§ 574 ff. BGB zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 103, 91 ff., zitiert nach juris).
Die Eigenbedarfskündigung oder die Durchsetzung des Eigenbedarfs sind schließlich auch nicht deswegen im Sinne des § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, weil vor ihrem Ausspruch, im Verlauf der Kündigungsfrist oder danach im weiteren Verlauf des Rechtsstreits andere objektiv für ein gut situiertes Paar geeignete Wohnungen der Klägerin frei geworden sind, die Klägerin aber gleichwohl weiterhin die Beklagte auf Räumung in Anspruch nimmt. Der Vermieter kann nur dann auf eine unvermietete oder nachträglich frei gewordene Wohnung in seinem Bestand verwiesen werden, wenn er den von ihm bestimmten „Wohnbedarf in den Alternativobjekten ohne wesentliche Abstriche“ befriedigen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 1 BvR 308/88 -, BVerfGE 79, 292 ff., Rn. 39, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind hier weder in Bezug auf die Dreizimmerwohnung im 3. OG rechts im Aufgang xxx noch hinsichtlich der Vierzimmerwohnung im 3. OG rechts im Aufgang xxx gegeben, worauf die Kammer bereits mit ihrem Beschluss vom 10. Juli 2019 (vgl. Bl. II/173 ff. d. A.) hingewiesen hat. Die Wohnungen sind nach Ausstattung und Schnitt schon objektiv nicht mit der von der Beklagten genutzten Wohnung vergleichbar. Die von der Beklagten genutzte Wohnung ist namentlich besser zur Einrichtung einer Wohnküche geeignet als die Vierzimmerwohnung im 3. OG rechts im gleichen Gebäude. Daran, dass sie dies beabsichtigen, hat die Kammer auf Grund der übereinstimmenden und näher erläuterten Angaben des als Partei vernommenen Gesellschafters xxx und des Zeugen xxx keinen Zweifel.
c) Das mithin inzwischen beendete Mietverhältnis ist auch nicht auf den Widerspruch der Beklagten gemäß §§ 574, 574a BGB befristet oder unbefristet fortzusetzen. Die Beklagte kann sich nicht wirksam darauf berufen, dass der Verlust der Wohnung für sie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht gerechtfertigt werden könne.
Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Unter einer Härte sind alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können. Der Eintritt solcher Nachteile muss nicht mit Sicherheit feststehen. Es genügt, wenn solche Nachteile mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., § 574 Rn. 20 m. w. N.). Sind gesundheitliche Nachteile zu befürchten, so genügt bereits die ernsthafte Gefahr ihres Eintritts (BGH NZM 2013, 824).
aa) Nach diesen Maßstäben dürfte sich die Beendung des Mietverhältnisses im vorliegenden Fall insofern als Härte darstellen, als die Beklagte sich im Sinne des § 574 Abs. 2 BGB angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen auf dem Berliner Mietmarkt wohl nicht wird beschaffen können. Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 10. Juli 2019 (vgl. Bl. II/173 ff. d. A.) darauf hingewiesen, dass die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition des Mieters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch einen eingeschränkten Bestandsschutz gerade auch für die Absprachen über die Höhe der Miete umfasst, sodass der Verlust besonders günstiger Mietkonditionen sich für den Mieter als Härte darstellen kann. Das durch die Eigenbedarfskündigung beendete Mietverhältnis der Beklagten zeichnet sich nicht nur durch die vereinbarte Bruttokaltmiete aus, die derzeit mit 5,00 €/m² (686,69 € / 137,45 m²) deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete für große voll ausgestattete Altbauwohnungen in guter Wohnlage liegt; nach dem Berliner Mietspiegel 2019 ergibt sich schon für die ortsübliche Nettokaltmiete ohne Nebenkosten eine Spanne von 5,48 €/m² bis 10,48 €/m² bei einem Mittelwert von 7,33 €/m². Hinzu kommt, dass die Parteien ausweislich der Beiakte AG Charlottenburg 216 C 289/15 = LG Berlin 18 S 49/16 die Wohnung bisher im Rahmen von Mieterhöhungsverlangen als solche ohne Sammelheizung behandelten, weil die vorhandene Heizung nicht von Vermieter-, sondern von Mieterseite eingebaut wurde. Es erscheint ausgeschlossen, dass die Beklagte anderweitig einen Mietvertrag zu auch nur annähernd vergleichbar günstigen Konditionen abschließen kann.
Nachdem die Klägerin der Beklagten vergeblich angeboten hat, die Vierzimmerwohnung im 3. OG rechts im Hause xxx zu vergleichbaren Mietkonditionen, namentlich zur gleichen Bruttokaltmiete je Quadratmeter Wohnfläche, anzumieten, kann die Beklagte sich auf das Vorliegen eines solchen Härtefalls aber nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht berufen. Die Beklagte ist wegen des erstmals mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 unterbreiteten Angebots noch nicht einmal in ernsthafte Verhandlungen mit der Klägerin eingetreten, sondern hat zunächst lediglich in Aussicht gestellt, die Wohnung „Ende August / Anfang September 2019“ zusammen mit ihrem Sohn zu besichtigen. Eine Besichtigung ist dann tatsächlich erst auf Aufforderung der Klägerin am 24. Oktober 2019 durch den Sohn der Beklagten erfolgt, ohne dass die Beklagte Interesse an der Anmietung der Wohnung geäußert hätte. Im Ergebnis hat die Beklagte sich dem Angebot der Klägerin ohne triftigen Grund verschlossen, obwohl die angebotenen Mietkonditionen objektiv geeignet waren, die der Beklagten drohende Härte abzuwenden. Nachdem die Klägerin sich geweigert hat, an dieser ihr zumutbaren Lösung des Streits mitzuwirken, hat sie sich den nunmehr drohenden Eintritt des Härtefalls selbst zuzuschreiben und kann ihn nicht mehr zum Anlass nehmen, eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die von der Klägerin angebotene Alternativwohnung ungünstiger als ihre aktuelle Wohnung geschnitten sei und sie ihre große Einbauküche sowie mehrere große Einbauschränke womöglich nicht in der Alternativwohnung hätte unterbringen können, begründete dies noch keine Härte, sodass sie das Angebot der Klägerin mit dieser Begründung nicht hätte ablehnen dürfen. Die Beklagte steht zu Unrecht auf den Standpunkt, dass im Hinblick auf eine Ausweichwohnung für den Gesellschafter der Klägerin und für sie der gleiche Maßstab gelten müsse; es ist gerade nicht so, dass sie sich ebenfalls nicht auf die Ausweichwohnung verweisen lassen müsse, wenn diese wegen ihres ungünstigen Schnitts für den Gesellschafter der Klägerin keine zumutbare Alternative darstelle. Die Beklagte übersieht, dass ihr Mietverhältnis durch die Eigenbedarfskündigung beendet worden ist und das Gesetz einen Wohnungsmieter unter solchen Umständen nicht davor schützt, die mit der Suche und Anmietung einer neuen Wohnung sowie einem Umzug verbundenen Nachteile und Einschränkungen zu erdulden. Die Vorschriften der §§ 574 ff. BGB dienen nur dazu, unzumutbare Härten zu vermeiden. Die von der Beklagten geschilderten Nachteile der ihr angebotenen Alternativwohnung einschließlich der Unannehmlichkeiten eines Umzugs stellen aber keine Härte dar, sondern halten sich im üblichen Rahmen der mit einem Wohnungswechsel einhergehenden Nachteile.
bb) Die Weigerung der Beklagten, das Angebot der Klägerin auch nur ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wäre nur dann abweichend zu würdigen, wenn der Beklagten, wie sie behauptet, ein Umzug in eine andere Wohnung schon ganz grundsätzlich nicht zugemutet werden könnte, also selbst der Umzug in die angebotene Alternativwohnung im selben Haus schon für sich genommen eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
In der Rechtsprechung wird vertreten, dass schon das hohe Alter eines Mieters eine Härte begründen kann, wenn der Mieter auf ein langjähriges Mietverhältnis zurückblickt und deshalb fest in seinem Umfeld einschließlich der Wohnung verwurzelt ist (vgl. LG Berlin – 67 S 345/18 -, Urt. v. 12.03.2019, WuM 2019, 209 ff., zitiert nach juris). Diesem Ansatz hat jedoch der Bundesgerichtshof jüngst eine klare Absage erteilt und entschieden, dass Alter und Verwurzelung für sich genommen noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen können, wenn sie für den Mieter nicht im Einzelfall zu schwerwiegenden Folgen im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels führen (vgl. BGH – VIII ZR 180/18 -, Urt. v. 22.05.2019, GE 2019, 905 ff., Leitsatz 1.b) und Rn. 30, zitiert nach juris).
Die Beklagte macht insoweit unter Bezugnahme auf die vorgelegten ärztlichen Atteste geltend, ihr sei ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten; sie leide außerdem unter Angstzuständen und habe sich in psychologische Behandlung begeben müssen, sodass ein kurzfristiger Umzug außer Frage stehe. Sie meint, die Kammer müsse dem nachgehen und aufklären, welche gesundheitlichen Folgen ihr im Falle eines Umzuges drohten. Der Bundesgerichtshof habe wiederholt ausgeführt, dass immer dann, wenn von dem Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend gemacht würden, das Gericht sich mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild der drohenden Gesundheitsbeeinträchtigungen zu verschaffen habe.
Die Beklagte übersieht dabei, dass nach der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Gericht nur dann zur weiteren Sachaufklärung und Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet ist, wenn der Zusammenhang zwischen dem erzwungenen Wohnungswechsel und den schwerwiegenden Gesundheitsgefahren hinreichend substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BGH – VIII ZR 180/18 -, Urt. v. 22.05.2019, GE 2019, 905 ff., Leitsatz 1.c) und Rn. 45 ff., zitiert nach juris). Im Fall des BGH hatte die Mieterin ein Attest vorgelegt, wonach „im Falle eines Umzugs mit einer sich beschleunigenden Verschlechterung des mit Beeinträchtigungen in der örtlichen und zeitlichen Orientierung, des Kurzzeitgedächtnisses, aller höheren kognitiven Funktionen und der psychischen Verfassung verbundenen Gesundheitszustandes der Beklagten zu 1 zu rechnen ist und dass Einbußen in ihren Alltagsaktivitäten einschließlich der Gefahr von Stürzen und Delirien zu befürchten stehen“ (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 48). Im Fall der am gleichen Tag verkündeten Sache VIII ZR 167/17 litt die Schutzperson an Schizophrenie und durch Alkoholmissbrauch verursachten Verhaltensstörungen, Inkontinenz und Demenz; gleichzeitig lag ein Attest vor, wonach ein erzwungener Wohnungswechsel unweigerlich zu einer erheblichen Verschlechterung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen und zu einer Zunahme der Behinderung führen werde (vgl. BGH – VIII ZR 167/17 -, Urt. v. 22.05.2019, GE 2019, 913 ff. Rn. 40, zitiert nach juris). Auch nur annähernd vergleichbar konkrete Angaben über den Einfluss eines Wohnungswechsels auf die Erkrankungen der Beklagten und ihren Gesundheitszustand sind aber den hier von der Beklagten vorgelegten Attesten nicht zu entnehmen, worauf die Kammer bereits mit Beschluss vom 10. Juli 2019 (vgl. Bl. II/173 ff. d. A.) hingewiesen hat; erst recht lassen die Atteste keinen Rückschluss darauf zu, dass ein Umzug von der im 2. OG links gelegenen Wohnung in die im gleichen Gebäude im 3. OG rechts gelegene angebotene Alternativwohnung sich nachteilig auf den Gesundheitszustand der Beklagten hätte auswirken können. Die Atteste beschränken sich vielmehr auf die Auflistung der aktuellen, überwiegend chronischen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beklagten und die Mitteilung, dass ihr ein Umzug nicht möglich oder nicht zuzumuten sei. Es ist aber schlicht nicht nachvollziehbar, dass Erkrankungen wie Bluthochdruck, Hepatitis C und Arthrose eine Räumungsunfähigkeit bedeuten sollen oder sich durch einen Wohnungswechsel erheblich zu verschlimmern drohen.
3. Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die mit etwas mehr als drei Monaten bemessene Räumungsfrist beruht auf § 721 ZPO und erscheint den Umständen nach angemessen. Die Kammer hat berücksichtigt, dass die Kündigungsfrist schon lange abgelaufen ist und die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, sich überhaupt um eine andere Wohnung bemüht zu haben. Der Klägerin ist es gleichwohl zuzumuten, die Räumung der Wohnung noch für einen überschaubaren Zeitraum zurückzustellen, um der Gefahr einer Obdachlosigkeit der Beklagten vorzubeugen und es ihr zu ermöglichen, eine andere Wohnung anzumieten und umzuziehen.
4. Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Grundsätzliche, ihrer Bedeutung nach über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen sind nicht betroffen. Eine Revisionszulassung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten; obergerichtliche Entscheidungen, von deren Rechtssätzen die Kammer mit dem vorliegenden Urteil abweicht, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und sind der Kammer auch nicht bekannt.
27.03.2022