Leitsätze:
1. Der Tendenz in der landgerichtlichen Rechtsprechung, jegliche Minderung wegen Bauarbeiten in der Nachbarschaft mit Hinweis auf eine zu erwartende Bautätigkeit bei Mietbeginn auszuschließen, ist nicht zu folgen. Voraussetzung für den Ausschluss einer Mietminderung ist nach wie vor, dass bei Vertragsabschluss aufgrund konkreter Umstände mit einer Beeinträchtigung durch Bauarbeiten zu rechnen war (hier 15 Prozent Mietminderung wegen Ministeriumsneubau in der Wilhelmstraße).
2. Die Miete kann wegen „hotelähnlicher Nutzung“ einzelner Wohnungen im Miethaus gemindert werden (hier: 10 Prozent).
AG Mitte, Versäumnis- und Schlussurteil vom 2.12.2009 – 17 C 134/09 –
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Miete.
Zwischen den Parteien besteht aufgrund eines Mietvertrages zwischen der W. GmbH und der Beklagten vom 11. Februar 1992 ein Mietverhältnis über eine Drei-Zimmer-Wohnung im Hause W-Straße in Berlin-Mitte. Die Wohnung hat eine Fläche von 87,63 Quadratmeter, für die monatlich eine Nettokaltmiete in Höhe von 399,59 Euro sowie eine Vorauszahlung Heizung/Warmwasser in Höhe von 36,79 Euro, eine Vorauszahlung in Höhe von 43,58 Euro für Kaltwasser und eine Vorauszahlung für sonstige Betriebskosten in Höhe von 100,41 Euro, insgesamt also eine Bruttowarmmiete von 580,37 Euro zu zahlen sind. Die Klägerin erwarb das Grundstück von der früheren Eigentümerin, der W. GmbH und wurde am 9. Juni 2005 im Grundbuch eingetragen. Der Beklagte zu 2. wohnt seit 2006 nicht mehr in der Wohnung, seine aktuelle Anschrift ist unbekannt.
Seit November 2006 finden auf dem Nachbargrundstück umfangreiche Bauarbeiten statt, die der Errichtung eines sechsgeschossigen Anbaus an das dort bestehende Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) mit einem Untergeschoss auf einer Grundfläche von ca. 1600 Quadratmetern dienen. Auf dem Grundstück befand sich ein Palais, welches Sitz des Reichsjustizministeriums war. Wegen schwerer Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude 1950/51 abgerissen. Seitdem war das Grundstück unbebaut und wurde zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt. Die Wohnung der Beklagten grenzt mit Wohn- und Schlafzimmer sowie Wintergarten unmittelbar an die Baustelle an. Mit Schreiben vom 13. November 2006 gewährte die damalige und jetzige Hausverwaltung der Klägerin eine Mietminderung in Höhe von 58,04 Euro mit Wirkung ab November 2006 wegen der lärmintensiven Baumaßnahmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 35 d.A. Bezug genommen. Nach einem Wechsel der Hausverwaltung widersprach die zwischenzeitliche Hausverwaltung u. a. mit Schreiben vom 5. Januar 2007 und 25. Mai 2007 der Mietminderung.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2007 zeigte die Beklagte zu 1. den Baulärm sowie einzelne damit einhergehende Beeinträchtigungen an. … Die Beklagte zu 1. führte außerdem ein Lärmprotokoll wegen Baulärm.
Seit einiger Zeit vermietet die Klägerin über die D GmbH leer stehende Wohnungen im Haus kurzfristig sowohl an Touristen als auch an Geschäftsreisende und sonstige Personen, die sich für einen vorübergehenden Zeitraum in Berlin aufhalten. Im Rahmen dieser Kurzzeit-Mietverträge erhalten die Mieter die Schlüssel und nach Abreise erfolgt eine Reinigung der Wohnungen. Die D GmbH preist das Objekt im Internet ständig als Ferienappartements an. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2008 kündigte die Beklagte zu 1. wegen einer hotelähnlichen Nutzung des Gebäudes und des damit einhergehenden gesteigerten Müllaufkommens und von Lärmbelästigungen bei der zwischenzeitlichen Hausverwaltung der Klägerin eine Mietminderung an. Auch bezüglich der kurzfristigen Vermietung der Wohnungen fertigte die Beklagte zu 1. ein Lärmprotokoll an.
Seit Januar 2007 entrichten die Beklagten eine geminderte Miete. Im Januar 2007 erfolgte eine Minderung in Höhe von 100,37 Euro, in den Monaten Februar bis Juni 2007 eine Minderung in Höhe von jeweils 100,00 Euro, von Juli bis Oktober 2007 eine Minderung von jeweils 116,07 Euro. Von November 2007 bis September 2008 minderten die Beklagten die Miete um jeweils 100,00 Euro, und von Oktober 2008 bis März 2009 jeweils um einen Betrag von 200,00 Euro.
Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 ergab ein Guthaben der Beklagten in Höhe von 5,91 Euro. Dieses verrechnete die Klägerin mit dem Mietrückstand aus Januar 2007 in Höhe von 100,37 Euro, so dass sich insoweit ein Betrag von 94,45 Euro ergab.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 forderte die Klägerin die Beklagten auf, den Rückstand des Mietkontos in Höhe von 2184,28 Euro bis zum 12. Dezember 2008 auszugleichen.
Die Klägerin ist der Ansicht, eine Mietminderung aufgrund des Baulärms sei ausgeschlossen, da für die Beklagten bereits bei Abschluss des Mietvertrags aufgrund der besonderen baulichen, historischen und politischen Situation sowie aufgrund von touristischen Gesichtspunkten erkennbar gewesen sei, dass in der Zukunft mit Bautätigkeit in der weiteren räumlichen Umgebung der Wohnung gerechnet werden müsse. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, auch die Kurzzeit-Vermietung und das Verhalten der Appartement-Nutzer stelle keinen Grund für eine Mietminderung dar. Sie behauptet, hoteltypische Leistungen würden nicht erbracht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 3358,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 6. März 2009 zu zahlen.
Gegen den in der mündlichen Verhandlung am 11. November 2009 trotz ordnungsgemäßer Ladung (durch öffentliche Zustellung) nicht erschienenen Beklagten zu 2. beantragt die Klägerin den Erlass eines Versäumnisurteils.
Die Beklagte zu 1. beantragt, die Klage abzuweisen.
Bezüglich der wegen Baulärms geltend gemachten Mietminderung behauptet die Beklagte zu 1., bei der nunmehr bebauten Fläche habe es sich nicht um eine Freifläche gehandelt, sondern um einen Parkplatz für das angrenzende Ministerium. Das Gelände sei durch eine Schranke abgesperrt und nur für berechtigte Personen zu befahren gewesen. Sie ist der Ansicht, angesichts des zwischen dem Abschluss des Mietvertrages und dem Beginn der Bauarbeiten liegenden Zeitraums von über 14 Jahren seien die Bauarbeiten für sie nicht vorhersehbar gewesen. Auch mit einer Erweiterung des Ministeriums sei nicht zu rechnen gewesen, da erst nach Abschluss des Mietvertrages der Umzug der Ministerien nach Berlin beschlossen und das BMELV auch erst später überhaupt gebildet wurde.
Die Beklagte zu 1. behauptet, aufgrund des Hotelbetriebs sei die Wohnqualität sehr stark beeinträchtigt. Der Hausflur sei ständig verdreckt und die Mieter der Appartements verursachten erheblich mehr Lärm, Müll und Schmutz als herkömmliche Mieter. Der Fahrstuhl sei häufig verdreckt, kaputt und stinke, der Müllraum sei permanent überfüllt und Müll liege im Hausflur. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der Miete für den Zeitraum Januar 2007 bis einschließlich März 2009 in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe gemäß § 535 BGB zu.
Die vereinbarte Miete betrug in dem Forderungszeitraum unstreitig monatlich 580,37 Euro brutto. Die Miete war allerdings in der Zeit von Januar 2007 bis September 2008 um 15 % und im Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 um insgesamt 20 % gemindert.
1. Die Beklagte zu 1. konnte gemäß § 536 Abs. 1 BGB die Miete wegen der Beeinträchtigungen aufgrund der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück ab Januar 2007 um 15 % mindern, d.h. um 87,06 Euro monatlich.
Die Wohnung der Beklagten war gemäß § 536 Abs. 1 BGB mit einem Mangel behaftet. Baulärm, der von Nachbargrundstücken ausgeht, stellt bei Mietverhältnissen über Wohnraum einen Fehler der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift dar, wenn er so erheblich ist, dass die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch als Wohnung gemindert ist. Die Wohnung der Beklagten zu 1. grenzt mit Wohn- und Schlafzimmer sowie dem Wintergarten unmittelbar an die Baustelle an. Die Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Beklagten zu 1. sind naturgemäß mit erheblichen Immissionen, wie insbesondere Lärmbelästigung, Erschütterungen sowie Gerüchen und Staubentwicklung verbunden. Nach der unstreitigen Art des Bauprojekts sind solche Beeinträchtigungen auch ohne weiteren Vortrag anzunehmen (vgl. KG, GE 2039, 719 [721]). Da hier ein kompletter Neubau errichtet wird und sich die Baustelle direkt vor den Fenstern der Wohnung der Beklagten befindet, kann insoweit eine Minderung von 15 % der Bruttomiete angenommen werden. Die Klägerin hat nicht dargelegt und bewiesen, dass es – abweichend vom normalen Geschehensablauf bei der Errichtung eines Neubaus – nicht zu Emissionen von Lärm, Geruch und Staub gekommen sei. Sie hat den Vortrag der Beklagten zu 1. lediglich pauschal bestritten. Dies genügt jedoch nicht. Erforderlich gewesen wäre der Vortrag konkreter Tatsachen seitens der Klägerin, dass der Vortrag der Beklagten zu 1. unzutreffend und/oder überzogen sei. Angesichts des unstreitigen Bauprojekts und der konkret von der Beklagten zu 1. vorgetragenen Beeinträchtigungen ist das Bestreiten der Klägerin unzureichend.
Eine Anzeige des Mangels war nicht erforderlich, da die damalige Hausverwaltung der Klägerin von den Bauarbeiten wusste und sich die Klägerin das Wissen ihrer Hausverwaltung zurechnen lassen muss.
Durch die Beeinträchtigungen der Wohnung ist der Wohnwert beeinträchtigt, das Äquivalenzverhältnis des Mietvertrages ist gestört. Zu Beginn des Mietverhältnisses musste mit einer Bebauung des Grundstücks nicht gerechnet werden, die Vereinbarung über die Miethöhe hat die Gefahr einer Bebauung nicht berücksichtigt. Grundsätzlich berechtigt die Beeinträchtigung der Mietsache durch Bauarbeiten in der Nachbarschaft auch im Innenstadtbereich zu einer Minderung. Der Tendenz in der landgerichtlichen Rechtsprechung, jegliche Minderung wegen Bauarbeiten in der Nachbarschaft mit Hinweis auf eine zu erwartende Bautätigkeit bei Mietbeginn auszuschließen, ist das Kammergericht in dem im Grundeigentum (GE 2009, 719 [721]) veröffentlichten Hinweis zu Recht entgegengetreten. Voraussetzung ist insoweit nach wie vor, dass bei Vertragsabschluss aufgrund konkreter Umstände mit einer Beeinträchtigung durch Bauarbeiten zu rechnen war. Es ist auch – entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin (GE 2009, 847) – nicht darauf abzustellen, ob der Vermieter eine „Garantie“ für das Unterbleiben der Bebauung eines Nachbargrundstücks übernehmen wollte, das ist in den wenigsten Fällen anzunehmen. Darauf kommt es aber auch nicht an, entscheidend ist, welche Faktoren bei der Verhandlung über den Vertragsinhalt mehr oder weniger offen Einfluss auf das Äquivalenzverhältnis genommen haben. Gehörte das Risiko der Beeinträchtigung durch Bauarbeiten in der Nachbarschaft aufgrund der Umstände dazu, wäre eine weitere Minderung ausgeschlossen. Hier aber musste die Beklagte zu 1. nicht damit rechnen, dass auf der als Parkplatz genutzten Fläche auf dem Nachbargrundstück der Anbau eines Ministeriums errichtet werden würde. Es ist nicht ersichtlich, dass sich für die Vertragsparteien bereits im Jahre 1992 konkrete Anhaltspunkte dafür ergaben, dass es in Zukunft zu einer Bautätigkeit kommen würde, schon gar nicht zur Errichtung eines sechsgeschossigen Neubaus samt Untergeschoss. Das ergibt sich bereits aufgrund des Umstandes, dass zwischen dem Abschluss des Mietvertrages und dem Beginn der Bauarbeiten mehr als 14 Jahre lagen, so dass schwerlich davon die Rede sein kann, dass die Vertragsparteien mit den Bauarbeiten bei Mietvertragsabschluss gerechnet haben. Vielmehr spricht ein derartig langer Zeitraum bis zum Beginn der Bauarbeiten dafür, dass zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht mit einer Bautätigkeit gerechnet werden musste und sich eine derartige Planung erst im Laufe der Jahre ergab. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses war noch nicht absehbar, ob Bundesministerien nach Berlin umziehen würden, der sogenannte Hauptstadtbeschluss war erst wenige Monate vor Abschluss des Vertrages erfolgt. Jedenfalls musste nicht befürchtet werden, dass auf dem Grundstück ein Ministeriumsanbau erfolgen würde. Aufgrund der historischen Vorbelastung war völlig offen, ob Ministerien – bei einem etwaigen Umzug nach Berlin – tatsächlich an vorangegangene Ministeriumsstandorte angesiedelt werden würden oder eher an unvorbelastete „neutrale“ Standorte in Berlin. Es gab also bei Vertragsabschluss keine Umstände, die überhaupt die Gefahr der Bebauung des Grundstücks begründen konnten. Auf die Vereinbarung über die Miethöhe konnte eine solche Gefahr deshalb keinen Einfluss haben. Durch die Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung ist das Äquivalenzverhältnis des Vertrages gestört, eine Minderung ist eingetreten. Offensichtlich sind auch beide Parteien von einer solchen Störung des Äquivalenzverhältnisses ausgegangen, wie die Gewährung der Minderung durch die Vertreterin der Vermieterin ab November 2006 zeigt. Auch daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Gewichtungen der äußeren Umstände bei Abschluss des Mietvertrages ziehen.
Schließlich würde ein faktischer Ausschluss der Gewährleistungsrechte der Beklagten bei einer Lärmbelastung zu einer Aushöhlung der Gewährleistungsrechte aufgrund von Umweltmängeln führen. Denn er würde dazu führen, dass dem Mieter nicht nur bei bereits eingetretenen, sondern auch bei möglichen zukünftigen Mängeln Gewährleistungsrechte nicht zustehen würden. Dies widerspricht der Intention des § 536 b BGB, der einen derartigen Ausschluss eben nur bei Vorsatz oder bei grob fahrlässiger Unkenntnis und damit für den Fall vorsieht, dass dasjenige unbeachtet gelassen wird, was jedem hätte einleuchten müssen. Dies ist bei einem zukünftigen Umweltmangel, insbesondere bei einem Zeitabstand von 14 ½ Jahren, nicht der Fall.
2. Die Beklagte zu 1. konnte die Miete darüber hinaus wegen der „hotelähnlichen Nutzung“ einzelner Wohnungen in ihrem Wohnhaus gemäß § 536 Abs. 1 BGB um weitere 10 % der Bruttomiete mindern. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Nutzung mit Beeinträchtigungen für die Langzeitmieter verbunden ist und zu einer Minderung der Wohnqualität führt, die nicht sanktionslos hinzunehmen ist. Die einzelnen mit der Vermietung als Ferienwohnung einhergehenden Beeinträchtigungen stellen Mängel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar. Die insoweit zur Beweiserhebung vernommenen Zeuginnen sind glaubwürdig. Anhaltspunkte, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln, bestehen für das Gericht nicht.
Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen ist davon auszugehen, dass es durch die Vermietung mehrerer Wohnungen an Touristen und Kurzzeitmieter zu Beeinträchtigungen der Langzeitmieter insbesondere durch Lärm, Ausfälle des Fahrstuhls und eine Überfüllung des Müllraums kommt. Allerdings haben die Aussagen der Zeugen nicht die Häufigkeit und Intensität der Störungen durch Gäste bestätigt, die von der Beklagten zu 1. vorgetragen worden war. Nach der Aussage der Zeugin R. ist es in den letzten Jahren zu vier bis fünf massiven Lärmstörungen in den Abend- und Nachtstunden gekommen, nach den Aussagen der Zeugin T. etwa ein Mal pro Monat. Insoweit besteht kein Widerspruch zwischen den Aussagen, da die Zeugin R. nach ihren weiteren Bekundungen häufiger in den Sommermonaten für längere Zeiträume verreist war und den weiteren Bekundungen der Zeugin T. gerade in den Sommermonaten schon wegen der oft offen stehenden Fenster die Belastungen besonders intensiv waren. Hinzu kommt die glaubhafte Aussage der Zeuginnen R. und T., wonach es insbesondere in den Jahren 2007/2008 häufig vorgekommen ist, dass Touristen auf der Suche nach ihrer Wohnung bei den Bewohnern teilweise nachts geklingelt haben, wodurch es zu einer erheblichen Störung der Nachtruhe der Mieter gekommen ist.
Damit wird zwar das Maß an Beeinträchtigungen überschritten, das bei einem Zusammenleben in einem Mehrfamilienhaus üblich ist, dennoch wäre auch sonst mit einzelnen Beeinträchtigungen durch Feiern etc. durch Mitmieter des Hauses zu rechnen. Gleiches gilt für die Nutzung des Fahrstuhls durch andere Mieter. Insoweit ist nach den Aussagen der Zeuginnen jedoch davon auszugehen, dass die Häufigkeit des Ausfalls des Fahrstuhls das übliche Maß deutlich übersteigt und dass dieses auch zum Teil auf die Beschädigungen durch jugendliche Touristen zurückzuführen ist. Insoweit genügten die Bekundungen der Zeuginnen, dass seit der Vermietung an Touristen die „Ausfallquote“ des Fahrstuhls deutlich gestiegen sei, um einen Ursachenzusammenhang herzustellen. Ferner ist nachvollziehbar, dass der Fahrstuhl häufiger in Gebrauch genommen wird, wenn Putzkräfte mit Putzwagen im Haus unterwegs sind.
Schließlich ist auch die Überfüllung des Müllraums nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bewiesen. Insoweit kann an sich dahinstehen, ob dieser Zustand auf die Vermietung an Touristen und andere Kurzzeitmieter zurückzuführen ist, da allein der festgestellte Zustand zur Minderung berechtigt. Die Zeuginnen R. und T. haben übereinstimmend ausgesagt, dass sich die Müllsituation nach der Vermietung an Touristen erheblich verschlechtert habe. Insoweit ist das Gericht davon überzeugt, dass es aufgrund der kurzzeitigen Vermietung der Wohnungen zu einer Verschärfung der Situation kam, die eine ordnungsgemäße Entsorgung des Mülls erheblich erschwerte. Nach Angaben der Zeugin R. wusste sie teilweise kaum noch, wohin sie den Müll legen solle. Nach Aussage der beiden Zeuginnen steht der Müll häufig auch vor dem Müllraum. Dies stimmt auch überein mit der Aussage der Zeugin W., die den Müllraum allerdings erst im April/Mai 2009 sah.
Es ist insgesamt eine Minderung wegen der unterschiedlichen Beeinträchtigungen durch die Kurzzeitvermietung anzunehmen, da die Summe der Beeinträchtigungen erst die Minderung rechtfertigt. Hinsichtlich des Müllraums tritt die Beeinträchtigung nur zu Tage, wenn dieser betreten wird, ist also nicht ständig präsent. Auch die Störungen des Fahrstuhls wirken sich nicht direkt auf den Gebrauch der Wohnung selbst aus. Insgesamt führen diese Beeinträchtigungen, auch wenn diese in unterschiedlicher Intensität zu unterschiedlichen Zeiten auftreten, zu einer gleich bleibenden pauschalen Minderung von 10 % der Bruttomiete (58,04 Euro). Eine weitergehende Minderung erscheint jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt.
Nachdem die Beklagte zu 1. mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2008 die Vermietung der Wohnungen im Haus an Touristen als Mangel gerügt hatte, war sie ab Oktober 2008 bis jedenfalls März 2009 berechtigt, die Miete wegen dieses Umstandes um insgesamt 10 % zu mindern, also um 58,04 Euro monatlich.
Die Beklagte zu 1. war somit aufgrund des durch die Baustelle verursachten Baulärms seit Januar 2007 bis März 2009 durchgehend zu einer Mietminderung in Höhe von 15 % sowie aufgrund der mit der Kurzzeit-Vermietung der Wohnungen einhergehenden Beeinträchtigungen von Oktober 2008 bis März 2009 zu einer weiteren Minderung in Höhe von 10 % berechtigt. Sie konnte somit die Mieten in den Monaten Januar 2007 bis September 2008 um jeweils 87,06 Euro und in den Monaten Oktober 2008 bis einschließlich März 2009 um jeweils 145,10 Euro mindern. Unter Berücksichtigung der Zahlungen der Beklagten zu 1. und der Gutschrift aus der Nebenkostenabrechnung von 5,91 Euro ergibt sich so ein Rückstand der Beklagten zu 1. von 7,40 Euro für Januar 2007, von jeweils 12,94 Euro für die Monate Februar bis Juni 2007, von jeweils 29,01 Euro für die Monate Juli 2007 bis Oktober 2007, von jeweils 12,94 Euro für die Monate November 2007 bis September 2008 und von jeweils 54,90 Euro für die Monate Oktober 2008 bis März 2009, insgesamt ein Rückstand von 659,88 Euro.
Insoweit haften die Beklagten als Gesamtschuldner. Im Übrigen ist gegenüber dem Beklagten zu 2. gemäß § 331 Abs. 1 ZPO der Vortrag der Klägerin als zugestanden anzusehen und dieser, da der Vortrag den Anspruch trägt, durch Versäumnisurteil zu verurteilen. …
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14.06.2016