Die Bezirke haben in den letzten Jahren über 130 Abwendungsvereinbarungen getroffen. An was genau sich die jeweiligen Eigentümer zwecks Abwendung eines Vorkaufs ihrer Häuser durch die Bezirksämter halten müssen, erfahren die Mieter nicht. Eine Kampagne will nun mehr Transparenz erzwingen.
Eine Abwendungsvereinbarung wird in Milieuschutzgebieten geschlossen, um die Käufer auf die Vorgaben des Milieuschutzes zu verpflichten. Es ist die – von Mietern wenig geliebte – Alternative zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Eine Kopie davon bekommen die betroffenen Mieter in der Regel nicht – auch nicht in Friedrichshain-Kreuzberg, wo die Abwendungsvereinbarung oft und gerne vom Bezirksamt angewendet wird: „Wir informieren aber umfassend über die wesentlichen Inhalte“, erklärt der dortige Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Neben datenschutzrechtlichen Bedenken führen die Bezirke auch taktische Erwägungen für die Geheimhaltung der Vertragsregelungen an. Mitunter vereinbare man im Interesse der Mieter Dinge, die juristisch streitbar seien, etwa den Verbleib einer Kita im Haus.
Arne Semsrott von „FragDenStaat“ überzeugen diese Gründe nicht: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass vereinbarte Maßnahmen von den Vermietern nicht eingehalten werden und in den Bezirken die Kapazitäten fehlen, um das zu kontrollieren“, kontert er. Das Portal für Informationsfreiheit hat Mitte Juli eine Kampagne zur Veröffentlichung der Vereinbarungen gestartet. „Wir brauchen die Mieter als Hauptkontrolleure. Nur wenn die Vereinbarungen schwarz auf weiß vorliegen, kann man damit zum Anwalt gehen oder sich in einer Kiezversammlung austauschen“, sagt Semsrott.
FragDenStaat hat eine Liste sämtlicher Häuser mit Abwendungsvereinbarungen online gestellt – inklusive Vorlagen, mit denen die betroffenen Mieter eine Anfrage an den Bezirk stellen können. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz müssen die Bezirke eine mit dem Eigentümer getroffene Vereinbarung offen legen. Doch oft werde erst nach einer Untätigkeitsklage reagiert. Ziel der Kampagne ist es, dass die Bezirke ihre Geheimhaltung von sich aus beenden – ohne dass die Mieter jedes Mal einen Antrag stellen müssen.
Der Wunsch nach maximaler Transparenz sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, heißt es aus dem Pankower Bezirksamt. Aber nachdem nun zunehmend eine Veröffentlichung auch in Fällen erzwungen wurde, in denen es eine Vertraulichkeitsklausel gibt, seien die Käufer immer weniger bereit, solche Vereinbarungen abzuschließen, argumentiert Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). „Insoweit ist das Engagement unter dem Strich leider als kontraproduktiv zu bewerten.“
Den Berliner Mieterverein überzeugen diese Argumente nicht. „Wir unterstützen das Anliegen, denn nur wenn die Mieter ihre Rechte kennen, können sie sie durchsetzen“, so Geschäftsführer Reiner Wild.
Birgit Leiß
26.08.2020