Leitsätze:
1. Eine Modernisierung von Wohnraum ist umfassend im Sinne des § 556 f Satz 2 BGB, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt erscheinen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Modernisierung einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht. Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht.
2. Ein im Rahmen des § 556 f Satz 2 BGB zu prüfender wesentlicher Bauaufwand liegt vor, wenn er (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen finanziellen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreicht.
a) In die Berechnung des wesentlichen Bauaufwands dürfen lediglich Kosten einfließen, die aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555 b BGB angefallen sind. Kosten für (reine) Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555 a Abs. 1 BGB zählen hierzu nicht.
b) Werden im Zuge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555 b BGB Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555 a Abs. 1 BGB miterledigt, ist bei der im Rahmen des § 556 f Satz 2 BGB erforderlichen Bestimmung des wesentlichen Bauaufwands ein (zeitanteiliger) Abzug der angefallenen Kosten insoweit vorzunehmen, als Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt werden (sogenannte modernisierende Instandsetzung; im Anschluss an BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2020 – VIII ZR 81/19, NZM 2020, 795 Rn. 36 ff.).
3. Bei der Prüfung der qualitativen Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen ist von maßgebender Bedeutung, ob die Wohnung durch die Arbeiten in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen beziehungsweise energetische Eigenschaften) so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist.
BGH vom 11.11.2020 – VIII ZR 369/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter rügte die vereinbarte Nettokaltmiete in Höhe von 13,99 Euro je Quadratmeter als Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Die zulässige ortsübliche Miete plus 10 Prozent liege bei 9,61 Euro je Quadratmeter. Er verlangte Rückzahlung der diesen Betrag übersteigenden Miete und Feststellung, dass er keine höhere Miete schulde.
Die Vermieterin hielt die Mietpreisbremse gemäß § 556 f Satz 2 BGB für nicht anwendbar, da vor der Vermietung in der leerstehenden Wohnung eine umfassende Modernisierung stattgefunden habe. So sei die Elektrik erneuert, die vormals über dem Putz gelegenen Heizungsrohre in den Fußboden verlegt sowie in Küche und Bad Fliesen und in den übrigen Räumen Parkett verlegt worden; schließlich seien die sanitären Anlagen im Bad erneuert und (erstmals) eine Küche eingebaut worden. Hierfür habe sie insgesamt 58 500 Euro aufgewendet, was mehr als einem Drittel der Neubaukosten für eine 86 qm große Wohnung entspreche.
Der Mieter klagte, jedoch hatte die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.
Der BGH allerdings fand Fehler in der Urteilsbegründung des Berufungsgerichts, so dass er das Urteil aufhob und die Sache an das Landgericht zurückverwies.
Nach der Gesetzesbegründung zu § 556 f Satz 2 BGB sei eine Modernisierung umfassend – so der BGH –, wenn sie einen Umfang aufweise, der eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lasse. Eine solche Gleichstellung sei anzunehmen, wenn die Modernisierung einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordere und andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führe, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspreche.
Hierbei sei ein Bauaufwand im Hinblick auf den finanziellen Aufwand als wesentlich anzusehen, wenn er (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreiche. Da die Neubaukosten in der Bundesrepublik Deutschland von Region zu Region stark differieren könnten, sei auf aussagekräftige aktuelle Zahlen – etwa statistische Erhebungen des Bauhandwerks – der jeweiligen Region, in der die in Rede stehende Wohnung gelegen sei, oder einer von der Bevölkerungsstruktur und der Wirtschaftskraft hierzu vergleichbaren Region abzustellen. Eine Schätzung der Neubaukosten durch den Tatrichter nach § 287 Abs. 2 ZPO auf der Grundlage dieser oder anderer objektivierbarer Zahlen, deren Einführung in den Prozess in der Darlegungs- und Beweislast des Vermieters liege, sei in diesem Rahmen möglich und zulässig.
In den Kostenvergleich im Rahmen des § 556 f Satz 2 BGB seien aber nur solche Kosten einzustellen, die auf Modernisierungsmaßnahmen entsprechend § 555 b BGB beruhten. Damit seien Kosten, die allein der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555 a Abs. 1 BGB geschuldet seien, von vornherein nicht in den Kostenvergleich aufzunehmen.
Für den Fall der Mieterhöhung nach § 559 BGB habe der BGH bereits entschieden, dass bei einer modernisierenden Instandsetzung nicht nur Kosten für bereits „fällige“ Instandsetzungsmaßnahmen unberücksichtigt bleiben, sondern ein (zeit-)anteiliger Abzug auch dann vorzunehmen sei, wenn Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt seien, durch solche von besserer Qualität ersetzt und insoweit modernisiert würden (BGH vom 17.6.2020 – VIII ZR 81/19). Für die im Rahmen des § 556 f Satz 2 BGB vorzunehmende Beurteilung, ob eine umfassende Modernisierung vorliegt, gelte nichts anderes.
Hinsichtlich der Beurteilung der mit den Baumaßnahmen einhergehenden qualitativen Auswirkungen sei zu prüfen, ob die Wohnung durch die Modernisierungsmaßnahmen in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen beziehungsweise energetische Eigenschaften) qualitativ so verbessert würde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt sei.
Die beiden maßgeblichen Prüfungskriterien – wesentlicher Bauaufwand in finanzieller Hinsicht einerseits und qualitative Auswirkungen auf den Wohnungszustand andererseits – seien von grundsätzlich gleichem Gewicht.
Das Landgericht muss nun die Baumaßnahmen näher betrachten und prüfen, inwieweit die Kosten als Modernisierungskosten einzuordnen sind. Wenn die danach festgestellten Modernisierungskosten sich auf mindestens ein Drittel der Neubaukosten belaufen, kommt es weiter darauf an, ob durch die Modernisierung ein Zustand erreicht worden ist, der in wesentlichen Teilen demjenigen eines Neubaus entspricht.
27.03.2021