Dass immer mehr Milieuschutzgebiete ausgewiesen werden, kommt bei den Vermietern nicht gut an. Jetzt hat eine Eigentümer-Lobby zum Generalangriff geblasen und die Rechtmäßigkeit von Erhaltungsverordnungen grundsätzlich infrage gestellt – und ist gescheitert.
Vier neue Milieuschutzgebiete wurden in Charlottenburg-Wilmersdorf kürzlich festgelegt: Alt-Lietzow, Karl-August-Platz, Jungfernheide und Richard-Wagner-Straße. Das vom Bezirksamt in Auftrag gegebene Gutachten der Stadtentwicklungsgesellschaft S.T.E.R.N. sieht die Gefahr einer Verdrängung durch Aufwertung. Das Forschungsinstitut Empirica wirft den Gutachtern nun „erhebliche methodische Mängel“ vor. So würden für mehrere Gebiete wortgleiche Textbausteine verwendet. Zudem würde der erforderliche Nachweis negativer städtebaulicher Folgen nicht erbracht. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum offenbar um jeden Preis versucht werden soll, Milieuschutzgebiete auf einer solchen, nicht belastbaren Grundlage auszuweisen“, kritisiert Jacopo Mingazzini vom Verein zur Förderung des Wohneigentums in Berlin, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat. Der Verein hatte bereits im Sommer 2020 eine umfassende Studie über die Gutachten zum Erlass von Erhaltungssatzungen verfasst. Der Tenor war der gleiche.
Beatrice Siegert, Geschäftsführerin des Stadtplanungsbüros S.T.E.R.N, weist die Kritik zurück: „Es gibt keine definierten Standards, wie solche Untersuchungen zu erstellen sind, aber Berlin geht da im Vergleich zu anderen Städten sehr umfassend vor.“ In München oder Frankfurt/Main würden nicht einmal Haushaltsbefragungen durchgeführt. Da die Indikatoren und die Struktur in den vier untersuchten Gebieten sehr ähnlich seien, seien Wiederholungen nicht zu vermeiden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Kritik an den angeblich fehlerhaften Untersuchungen kürzlich zurückgewiesen, zumindest für den Schöneberger Süden. Eine Eigentümerin hatte eine Normenkontrollklage eingereicht. Das Gutachten – in diesem Fall von dem Stadtplanungsbüro Topos erstellt – sei methodisch fachgerecht erstellt, urteilten die Richter. Für die Ermittlung einer Verdrängungsgefahr seien keine überzogenen wissenschaftlichen Standards anzulegen. „Wir begrüßen das Urteil und werten es als Niederlage für den Verein zur Förderung von Wohneigentum“, erklärt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Birgit Leiß
28.05.2021