Der Erfolg von Dienstleistungsunternehmen wie dem Transportvermittler „Uber“ oder dem Ferienwohnungsportal „Airbnb“ liegt unter anderem darin, dass ihr Zweck angeblich auf dem Modell des „Sharing“ beruht. Es suggeriert, dass sich Menschen quasi nebenbei durch das zeitweilige Vermieten ihrer Wohnung oder durch einen Bringedienst mit ihrem eigenen Fahrzeug ein gutes Zubrot verschaffen können, während sich die Nachfrager über einen Preis freuen, mit dem kein professioneller Anbieter mithalten kann. Sharing heißt „teilen“, und teilen beschert allen Beteiligten das Gefühl, sozial korrekt zu handeln. Verständlich, dass ein Unternehmen um diesen Ruf kämpft – im Falle von Airbnb aber auch mit zweifelhaften Methoden, wie der britische Forscher Luke Yates herausgefunden hat.
MieterMagazin: Dr. Yates, das Unternehmen Airbnb wird in vielen Großstädten der Welt attackiert, weil sein Geschäftsmodell mit einer drastischen Verringerung des jeweiligen Wohnungsangebots einhergeht. In Ihrer aktuellen Forschungsarbeit beschreiben Sie, wie das Unternehmen sich nun mit einer ganz speziellen Strategie gegen den Ruf nach mehr Regulierung zur Wehr setzt.
Yates: Seit dem Jahr 2014 hat Airbnb hunderte Kampagnen initiiert, die angeblich von normalen Bürgern ausgehen. Diese Kampagnen gibt es auf der ganzen Welt, besonders aber in Städten, wo die Auswirkungen des Airbnb-Geschäftsmodells auf starke Kritik stoßen wie etwa in Berlin. Oftmals gehen die Kampagnen von sogenannten Home Sharing Clubs aus.
MieterMagazin: Was passiert da?
Yates: Airbnb unterhält einen Trupp von Öffentlichkeitsarbeitern mit der Bezeichnung „Community Organizer“, die kleine private Wohnungsinhaber rekrutieren und veranlassen, sich in sogenannten Home Sharing Clubs zu organisieren. Ehemalige Airbnb-Mitarbeiter erklärten mir, dass sie bei ihren Rekrutierungsmaßnahmen ganz bewusst große professionelle Wohnungsanbieter ausgeschlossen haben, obwohl von denen ein Großteil der Ferienwohnungsangebote in den meisten Städten ausgeht.
MieterMagazin: Was ist der Sinn und Zweck dieser Home Sharing Clubs?
Yates: Deren Mitglieder sollen politische Petitionen einbringen oder bei einschlägigen Veranstaltungen wie Anhörungen oder Beratungsgesprächen als Experten zur Verfügung stehen. Airbnb nannte ihnen auch einzelne Politiker, die sie ansprechen und in ihrem Sinne beeinflussen sollen. Man nutzt jede politische Gelegenheit, um kleine Privatanbieter entsprechend zu platzieren, die dann mit eingeübtem Auftreten sicherstellen, dass das Unternehmen in einem guten Licht erscheint und das Home Sharing gegenüber professionellen gewerblichen Vermietern gut dasteht.
MieterMagazin: Das heißt: Es soll aussehen wie eine Initiative von unten, aber tatsächlich steckt Airbnb dahinter?
Yates: Genau so ist es. Man nutzt die Legitimität eines angeblich unabhängigen zivilgesellschaftlichen Engagements.
MieterMagazin: Wie viel Geld steckt Airbnb in diesen manipulierten Bürger-Lobbyismus?
Yates: Airbnb weigert sich natürlich, das Budget für diese Aktivitäten zu nennen. Was wir wissen ist, dass das Unternehmen 2014 in seine Kampagne in San Francisco 8 Millionen Dollar gesteckt hat und dort elf Vollzeit-„Organizer“ beschäftigt waren. Weiter wissen wir, dass Hunderte Community Organizer mit befristeten Verträgen seit 2014 eingestellt wurden. Einiges an Personal wurde auch in Berlin schon eingesetzt.
Festzuhalten ist: Airbnb hat sich gezwungen gesehen, den starken Mieterbewegungen in den Städten etwas entgegenzusetzen. Und offensichtlich sind sie sich der Wirksamkeit von Bürgerinitiativen und öffentlichem Druck bewusst, denn sie versuchen, genau mit diesen Mitteln zu arbeiten und sie zu imitieren.
Interview: Udo Hildenstab
Konfliktfeld digitale Marktplätze
Der Soziologe Dr. Luke Yates arbeitet als Dozent am Institut für nachhaltiges Verbraucherverhalten an der Universität von Manchester in Großbritannien. Er forscht über die Konsumgewohnheiten von Gemeinwesen und deren politische und soziale Auswirkungen. Seine aktuelle Arbeit hat die Konflikte um die digitalen Marktplätze („platform economy“) zum Gegenstand, wo Firmen wie airbnb mit der Online-Vermittlung – in diesem Fall von Ferienwohnungen – zwischen Anbietern und Nachfragern ihr Geschäft betreiben.
uh
www.research.manchester.ac.uk/portal/files/192396608/Yates_2021_The_Airbnb_Movement_Corporate_Sponsored_Grassroots_Lobbying_in_the_Platform_Economy.pdf
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21.09.2021