Die Mieter:innen des Wohnblocks in der Konrad-Wolf-Straße in Alt-Hohenschönhausen haben Angst, ihre Sozialwohnungen zu verlieren. Sie haben – wie tausende andere in Berlin auch – keine Anschlussförderung erhalten, die Mieten steigen ins Unbezahlbare. Nun wehren sich die Mieter:innen gemeinsam.
Andrea K. kann nachts nicht mehr schlafen. Die Seniorin macht sich Sorgen, wie sie und ihr Mann in Zukunft ihr Leben finanzieren sollen. Zum 1. Januar wird ihre Miete auf einen Schlag um circa 35 Prozent auf 12,11 Euro steigen – und das ist legal. Der Grund: Ihre Wohnanlage in der Konrad-Wolf-Straße in Alt-Hohenschönhausen gehört zu den inzwischen fast 28.000 Sozialwohnungen in Berlin, die seit dem Jahr 2003 keine Anschlussförderung mehr bekommen haben. Wenn die Anschlussförderung wegfällt, darf die Vermieter:in die festgelegte Sozialmiete auf die Kostenmiete anheben, die sich an den größtenteils überhöhten Baukosten bemisst.
Andrea und ihr Mann wohnen bereits seit 2000 in dem Sozialwohnungsbau. Sie kamen damals mit einem Wohnberechtigungsschein hierher, so wie die anderen Mieter:innen der insgesamt 136 Sozialwohnungen auch. Sie kamen wegen der günstigen Miete und weil die Wohnung behindertengerecht ist. Das ist wichtig, denn Andreas Mann ist schwer krank. „Wir haben hier zwar keinen klassischen Berliner Kiez, aber die Wohnungen sind schön und die öffentliche Anbindung ist sehr gut“, sagt Andrea. Mit einer Nettokaltmiete von rund 8,80 Euro pro Quadratmeter waren die Wohnungen dort auch bisher nicht wirklich preisgünstig – jetzt werden sie für viele unbezahlbar.
Mit Protestschildern vor das Rathaus Lichtenberg
Am 17. September erhielten die Mieter:innen das Schreiben mit der Ankündigung der Mieterhöhung – „wirksam zum 1. Oktober“. Der Schock war groß. „Ich habe mich gleich beim Mieterverein gemeldet und auch die Nachbarschaft ist sofort angesprungen”, berichtet Andrea. „Die jungen Leute, die sich immer im Hof treffen, haben eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet und darüber tauschen wir uns bis heute aus.” Die zuständige Rechtsberaterin im BMV konnte zwar die fehlerhafte Frist von nur zwei Wochen zum 1. Oktober 2021 beanstanden, ab dem 1. Januar 2022 werden die erhöhten Mieten jedoch fällig.
Andrea und die Nachbar:innen haben sich im Hof getroffen und beraten, was sie tun können. Einige kannten das Problem mit der abgeschafften Anschlussförderung für Sozialwohnungen bereits. Schnell waren sich die Mieter:innen einig, dass hier die Politik der richtige Adressat für ihre Proteste ist. Etwa 30 Mieter:innen zogen mit Schildern vor das Rathaus Lichtenberg. „Sogar der Bezirksbürgermeister ließ sich blicken und es waren viele Fotograf:innen vor Ort. So haben wir es in die Zeitung und in den Bezirksnewsletter geschafft“, sagt Andrea. „Ich habe ein schönes Schild gemalt, auf dem ,Kostenmiete schafft neue Obdachlose’ stand.”
In Andreas Wohnblock leben zahlreiche Alleinstehende und Alleinerziehende, die ihre Mieten mit nur einem Einkommen bestreiten. Das Rentnerpaar Kruse wird in Zukunft knapp 50 Prozent seines Haushaltseinkommens für die Miete ausgeben müssen.
„Wir müssen eine breite Öffentlichkeit erreichen”
Andrea freut sich über das Engagement der jüngeren Nachbar:innen im Haus. Auch mit einigen ausländischen Mieter:innen ist man sich in der Gemeinschaft näher gekommen. „Wir leisten Nachbarschaftshilfe und einige bringen leckeres Gekochtes vorbei.“ Erst jetzt ist ihr bekannt geworden, dass auch die Nachbar:innen mit Missständen, Mängeln und fehlerhaften Betriebskosten zu tun haben. „Zuvor hat jeder allein für sich gekämpft”, sagt sie. Nun geht’s auch in der Konrad-Wolf-Straße zusammen.
Nach unserem Hausbesuch bei den Mieter:innen der Konrad-Wolf-Straße fordern wir den neuen Senat auf, sich des Problems der Sozialwohnungen und der abgeschafften Anschlussförderung dringend und vorrangig anzunehmen. Rund 10.000 weitere Haushalte sitzen auf dieser „tickenden Zeitbombe”. Aus der Expertengruppe zum Sozialen Wohnungsbau in Berlin gibt es möglicherweise gute Vorschläge. Einer davon zeigt auf, wie die ehemaligen Sozialwohnungen in das Berliner Vergleichsmietensystem überführt werden könnten. Die Mieter:innen fordern, dass die selben Regeln im Mietrecht auch für ihre Wohnungen gelten und dass mindestens der Berliner Mietspiegel die maßgebliche Orientierung ist. Wir bleiben dran!
17.11.2021