Die Unternehmen zahlen großzügige Dividenden an ihre Aktionäre. Ein freiwilliges Moratorium zur Begrenzung der Mieten erscheint da unwahrscheinlich.
Bundesweit hat sich nach mannigfachen Exzessen in den Hotspots der Wohnungsmärkte eine Debatte um den Mietenstopp entwickelt. SPD, Grüne und Linke hatten in ihren Wahlprogrammen nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels einen Mietenstopp beziehungsweise eine stärkere Mietpreisbegrenzung gefordert. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist davon allerdings fast nichts übriggeblieben. Die FDP konnte sich weitgehend mit ihrer Politik im Interesse der Eigentümer:innen durchsetzen. Gleichwohl bleibt der Druck auf die börsennotierten Unternehmen hoch – nicht zuletzt auch wegen des erfolgreichen Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen in Berlin.
In der Folge nehmen freiwillige Selbstverpflichtungen der großen Unternehmen zugunsten von Mietern und Mieterinnen zu. Das Ziel dieser „Angebote“ ist klar. In der Öffentlichkeit soll der Eindruck erweckt werden, die Unternehmen wären zu einer sozialen Wohnraumversorgung bereit. Hier lohnt sich eine genaue Prüfung. So hatte jüngst Vonovia, jetzt Mutterunternehmen der Deutsche Wohnen, erklärt, aktuell keine Mieterhöhungen von mehr als einem Prozent zu verlangen. Was als soziale Tat gepriesen wird, hat jedoch nichts mit den konkreten Mieterhöhungen in einzelnen Mietverhältnissen zu tun. Denn die Begrenzung auf ein Prozent ist als Grenzwert für die gesamten Mieteinnahmen des Unternehmens zu verstehen.
Mieterhöhungen um bis zu 15 Prozent
Da Vonovia vielfach wegen hoher Mieten bei neuen Mietverträgen oder teurer Modernisierung die ortsübliche Vergleichsmiete schon überschritten hat, sind in diesen Fällen rechtlich gar keine Mieterhöhungen zulässig. Wenn also im gesamten Wohnungsbestand die Mieten um ein Prozent steigen, heißt das, dass dort, wo der Spielraum für Mieterhöhungen bisher nicht ausgeschöpft wurde, die Mieten um weit mehr als ein Prozent steigen. Genau das ist aktuell der Fall. Gerade bekommen etwa 5.700 Mieter:innen bei Vonovia/Deutsche Wohnen in Berlin Mieterhöhungen von fünf bis 15 Prozent – und sollen diesen zustimmen.
Bisher gelingt es Vonovia offenbar ganz prima, der Öffentlichkeit über Berichte in weniger kritischen Medien Sand in die Augen zu streuen. Der jüngste Geschäftsbericht von Vonovia weist im Übrigen weniger als ein Prozent Mietsteigerungen aus, bei gleichzeitig erheblichen Dividendenausschüttungen. Ein Entgegenkommen für das vom Berliner Senat angestrebte Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen ist das angeblich soziale Mietenkonzept der Vonovia daher nicht.
Solche und ähnliche Erfahrungen lassen Zweifel darüber aufkommen, ob ein freiwilliges Mietenmoratorium (temporärer Aufschub von Mieterhöhungen) im Rahmen des vom Senat angestrebten Bündnisses überhaupt mit börsennotierten Unternehmen ausgehandelt werden kann.
Die Dividenden steigen kräftig
Die Geschäftsberichte und Veröffentlichungen der börsennotierten Wohnungsunternehmen für 2020 zeigen auf, in welchem Umfang die Aktionäre auf Kosten der Mieter:innen profitiert haben. Die damals noch eigenständige Deutsche Wohnen erzielte für die Geltungsdauer des Berliner Mietendeckels zwar aus der Bewirtschaftung ihrer 110.000 Wohnungen einen etwas niedrigeren Gewinn, er lag aber mit 720 Millionen Euro immer noch sehr hoch. Pro Wohnung schüttete das Unternehmen 2.340 Euro aus. Pro Monat gehen also von jeder Miete im Schnitt 195 Euro an die Aktionäre. Sie erhielten eine Dividende von etwas mehr als 1,03 Euro pro Aktie für das Jahr 2020 und somit trotz des Mietendeckels mehr als 2019, als die Dividende bei 0,90 Euro pro Aktie lag.
Die besondere Attraktivität für Anleger:innen macht aber eher nicht das konkrete wirtschaftliche Ergebnis aus Investitionen und Mieteinnahmen aus, sondern vielmehr die Wertsteigerung der Immobilien aufgrund der Steigerung des Bodenwertes. So ist bei Vonovia – auch 2020 ohne die Deutsche Wohnen schon Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen mit damals mehr als 350.000 Wohnungen – der Immobilienwert in einem Jahr um 4,9 Milliarden Euro gewachsen. Ähnlich wie bei der Deutsche Wohnen flossen pro Wohnung 2.300 Euro in die Dividendenausschüttung, rund 7,6 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Aktionäre von Grand City erhielten pro Wohnung eine etwas niedrigere Ausschüttung. Besonders gewinnbringend war das Jahr 2020 hingegen für die Akelius-Aktionäre. Aus den 45.000 Wohnungen dieses für seine extrem hohen Mieten bei Neuverträgen bekannten Unternehmens wanderten pro Wohnung durchschnittlich mehr als 262 Euro über die Dividende in die Taschen der Anleger:innen.
Wohnen ist Daseinsvorsorge
Wir vom BMV haben nach Veröffentlichung der Geschäftsberichte das Verhalten der großen Wohnungsunternehmen während der COVID-19-Pandemie stark kritisiert. Während viele Tausend Menschen wegen Kurzarbeit, Jobverlust oder weggefallener Einnahmen die Miete aus ihren Ersparnissen bezahlen, wachsen auf der anderen Seite die Vermögen aus Immobilienbesitz. Der BMV ist überzeugt: Wohnen gehört zur Daseinsvorsorge. Deshalb müssen Bund und Länder endlich Lösungen finden, wie der Wohnungsbestand börsennotierter Unternehmen wieder dem Gemeinwohl verpflichtet werden kann.
23.02.2022