Wie können Privathaushalte besser vor den aktuell explodierenden Energiekosten geschützt werden? Die Politik legt Ideen vor – nicht alle davon kommen gut an.
Seit rund einem Jahr dreht sich das Preiskarussell für Strom und Gas immer schneller. Wer – um dem zu entgehen – auf einen Billiganbieter ausgewichen ist, erlebte in den vergangenen Monaten einen Schock, wenn sein Versorger einer derjenigen war, die ihre Verträge plötzlich gekündigt oder Lieferungen von einem Tag auf den anderen eingestellt haben (siehe Infobox). Auch Tausende in Berlin waren betroffen. Sie landeten dann beim Grundversorger Vattenfall, und damit in einem wesentlich teureren Tarif. Überall im Land hatten Grundversorger plötzlich deutlich mehr Kunden: Viele splitteten ihre Tarife kurzerhand in solche für Bestandskunden und solche für Neukunden, die in die Grundversorgung gefallen waren. Wie der Fernsehsender n-tv berichtet, zahlten Letztere mancherorts mehr als das Dreifache des Bestandskundentarifs.
Maßnahmen gegen unseriöse Anbieter
Von Experten und Politikern mehren sich die Rufe nach Regulierung. Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) hat eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes angekündigt, die bereits im Frühjahr wirksam werden soll. Geplant ist unter anderem, dass Versorger ihre Kunden künftig mehrere Monate im Voraus informieren müssen, wenn sie Lieferungen einstellen. Auch soll die Bundesnetzagentur, deren Aufgabe es ist, den Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt zu regeln, es künftig leichter haben, unseriöse Wettbewerber zu identifizieren.
Aber nicht nur geprellte Billiganbieter-Kunden leiden unter den Preisanstiegen. Laut Deutschem Mieterbund (DMB) haben zahlreiche Versorgungsbetriebe ihre Preise zum Jahreswechsel erhöht – bei Strom um durchschnittlich 60 und bei Gas um durchschnittlich 76 Prozent. Um die Mehrbelastung abzufedern, hat Bundesbauministerin Geywitz (SPD) einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger und BAfög-Bezieher angekündigt, der im Juni ausgezahlt werden soll. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, nennt die Sonderzahlung einen „Tropfen auf den heißen Stein“ – völlig unzureichend lasse der Zuschuss viele Geringverdiener außen vor.
Ein Bündnis aus Mieter-, Umwelt- und Verbraucherverbänden, darunter der DMB, die Deutsche Umwelthilfe und der Verbraucherzentrale Bundesverband, fordert in einem 7-Punkte-Plan Sofortmaßnahmen zur Entlastung besonders betroffener Haushalte, etwa das Aussetzen von Strom- und Gassperren. Ideen, wie Privathaushalte besser geschützt werden können, kommen auch aus der Wirtschaft. Peter Bofinger, Ökonomie-Professor und Wirtschaftsweiser, schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom auf zehn Prozent zu senken. Damit soll der steigenden Inflation entgegengewirkt werden.
Katharina Buri
Fragwürdiges Geschäftsmodell
Normalerweise sichern sich Anbieter mit großem zeitlichem Vorlauf an den Energiebörsen Strom und Gas. Das Vorgehen der Billiganbieter ist riskanter: Sie kaufen nur dann Energie ein, wenn diese sehr günstig ist – und können auf diese Weise den Kunden preiswertere Tarife anbieten. Seit etwa einem Jahr aber kommt es zu einer Preisexplosion auf den Energiemärkten, unter anderem durch den coronabedingt weltweit gestiegenen Energiebedarf. Die Preise waren also insgesamt nicht mehr günstig. So ging das Geschäftsmodell der Energiediscounter nicht mehr auf, und kurzerhand kündigten sie ihren Kunden einen Lieferstopp und die Vertragskündigung an. Experten halten beides in dieser Kurzfristigkeit für rechtswidrig. Mittlerweile wurde zudem bekannt, dass mehrere der Billiganbieter, die alle in der Hand desselben Düsseldorfer Geschäftsmannes sind, wohl Ende 2021 ihre Strom- und Gaskontingente zu Höchstpreisen verkauft haben sollen, anstatt ihre Vertragspflichten zu erfüllen. Die Staatsanwaltschaft prüft entsprechende Vorwürfe.
kb
www.mieterbund.de/fileadmin/public/pdf_PM/22-02-01_Verbaendepapier_Massive_Steigerung_der_Energiekosten.pdf
28.02.2022