Leitsätze:
1. Wird die nach § 556 g Abs. 1 a BGB erforderliche Auskunft erst später in der vorgeschriebenen Form nachgeholt und kann sich der Vermieter deshalb gemäß § 556 g Abs. 1 a Satz 3 BGB für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Nachholung nicht auf die nach §§ 556 e, f BGB zulässige Miete berufen, so wird die vereinbarte Miete nach Ablauf der zwei Jahre nicht „automatisch“, sondern erst dann als zulässige höhere Miete fällig, wenn sich der Vermieter am Ende der Sperrfrist auf diese höhere Miete beruft. Dies muss gegebenenfalls in Textform erfolgen. Anderenfalls gilt weiterhin die gesenkte Miete ungeachtet der Ausnahme.
2. Die nachgeholte Auskunft des Vermieters muss daher in einem Urteil, das vor Ablauf der 2-Jahresfrist fällt, nicht berücksichtigt werden.
LG Berlin v. 26.8.2021 – 66 S 214/20 –
Mitgeteilt von RA Max Werner Althoff
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Auslegung des § 556 g Abs. 1 a Satz 3 BGB: „Hat der Vermieter die Auskunft nicht erteilt und hat er diese in der vorgeschriebenen Form nachgeholt, kann er sich erst zwei Jahre nach Nachholung der Auskunft auf eine nach § 556 e oder § 556 f zulässige Miete berufen.“
Die Kammer hat in diesem Hinweisbeschluss klargestellt, dass die nachgeholte Auskunft des Vermieters in einem Urteil, das vor Ablauf der 2-Jahresfrist fällt, nicht berücksichtigt werden muss. Der Vermieter könne sich tatsächlich erst nach zwei Jahren darauf berufen und müsse das dann auch aktiv tun, sonst gelte weiterhin die gesenkte Miete ungeachtet der Ausnahme.
Zwar ergäben sich diese Anforderungen nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des Gesetzes, gleichwohl aber aus dem Gesamtzusammenhang und der gesetzlich vorgegebenen Verteilung der Risiken. Denn andernfalls wäre es ein Risiko des Mieters, das Ende der Sperrfrist im Auge zu behalten, um erheblichen vertraglichen Konsequenzen (etwa die Gefahr einer Kündigung nach Entstehung eines schwer erkennbaren Zahlungsrückstandes) vorzubeugen. Angesichts der Tatsache, dass die Sperrfrist eine Sanktion dafür darstelle, dass der Vermieter zunächst eine nach den Maßstäben der Ortsüblichkeit unzulässige Miete vereinbart und die in einem solchen Fall von ihm geschuldete Auskunft zur Vormiete vor Vertragsabschluss nicht erteilt habe, sei es unangebracht und nicht sachgerecht, dem Mieter derartige Pflichten beziehungsweise Risiken aufzuerlegen. Der Vermieter allein profitiere von den seinerseits postulierten materiellen Rechten; er selbst habe daher auch klar, transparent und unmissverständlich für die förmliche Umsetzung seiner Interessen einzustehen.
Anders hat die Zivilkammer 65 des LG Berlin (Urteil vom 30.7.2020 – 65 S 69/20 –) entschieden, derzufolge es nach Ablauf der 2-Jahresfrist keines weiteren Hinweises des Vermieters an den Mieter bedarf, damit die Ausnahme gelte. Deswegen sei die Veränderung der Miete nach zwei Jahren auch bereits im vorher ergangenen Urteil zu berücksichtigen.
Urteilstext
Gründe:
1) Die Formalien hat die Kammer nach Maßgabe des § 522 Abs. 1 ZPO geprüft. Das Rechtsmittel ist zulässig.
2) Die Berufung hat aber keine Aussicht auf Erfolg.
Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, mehr als eine monatliche Miete von 715,18 € zu zahlen. Die Feststellung war zeitlich auch nicht zu begrenzen. Die erstinstanzliche Entscheidung ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht zu beanstanden.
a) Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass die Merkmalgruppen 2 (Küche) und 3 (Wohnung) negativ zu bewerten sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende und ausführliche Argumentation des Amtsgerichts verwiesen, der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt.
Die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) hat das Amtsgericht aus Sicht der Kammer zutreffend neutral gewertet. Selbst wenn erstmals in der Berufungsinstanz konkretisierte Vortrag zum Fahrradraum zu berücksichtigen wäre und wenn der Raum an der mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Stelle läge und dem Mieter zur Verfügung stünde, wäre ein wohnwerterhöhendes Merkmal in Gruppe 4 konkret nicht erfüllt. Denn der fragliche Fahrradraum ist jedenfalls nicht als leicht zugänglich anzuerkennen, da er ausweislich der Skizze an verwinkelter Stelle und nicht ebenerdig, sondern nur über eine Treppe zu erreichen ist.
Auch in der Berufungsbegründung wird der behauptete repräsentative Eingangsbereich nicht hinreichend substantiiert. Die vorgelegten Fotos genügen dafür nicht, denn den Fotos ist nicht zu entnehmen, ob es sich bei der – äußerlich ansprechenden – Gestaltung um hochwertiges Material und entsprechende Verarbeitung handelt. Die Fotos lassen auch nicht umfassend die behauptete repräsentative Wirkung erkennen, bei der z.B. Läufer im gesamten Flur- und Treppenbereich, Spiegel oder eine exklusive Beleuchtung zu erwarten wären. Den stattdessen ersichtlichen Gesamteindruck hat das Amtsgericht zutreffend bewertet
Die Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) hat das Amtsgericht aufgrund der fehlenden Fahrradabstellmöglichkeit zutreffend negativ bewertet. Entgegen dem Berufungsvorbringen ist nicht von einer besonders ruhigen Lage auszugehen. Dem steht zum einen – wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt – entgegen, dass die Straße über Kopfsteinpflaster verfügt, was grundsätzlich zu lauteren Fahrgeräuschen führt als eine geteerte Straße. Dem Berufungsvorbringen, dass nur ruhige, wenig befahrene Straßen über Kopfsteinpflaster verfügen, kann die Kammer aus eigener Kenntnis nicht folgen. Die Annahme einer ruhigen Straße stimmt auch nicht mit der Lärmkarte Berlin (abzurufen unter https://interaktiv.morgenpost.de/laermkarte-berlin/) überein; dort ist die Straße nicht als besonders ruhig gekennzeichnet.
b) Die titulierte Feststellung war zeitlich auch nicht – wie in der Berufung hilfsweise beantragt – bis zum 31.12.2021 zu begrenzen. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung, dass eine etwa zu berücksichtigende Vormiete in der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung nicht „automatisch“, sondern erst dann als zulässige höhere Miete fällig wird, wenn sich der Vermieter am Ende der Sperrfrist auf diese höhere Miete beruft. Dies muss ggf. in Textform erfolgen. Zwar ergeben sich diese Anforderungen nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des Gesetzes, gleichwohl aber aus dem Gesamtzusammenhang und der gesetzlich vorgegebenen Verteilung der Risiken. Denn andernfalls wäre es ein Risiko des Mieters, das Ende der Sperrfrist im Auge zu behalten, um erheblichen vertraglichen Konsequenzen (etwa die Gefahr einer Kündigung nach Entstehung eines schwer erkennbaren Zahlungsrückstandes) vorzubeugen. Angesichts der Tatsache, dass die Sperrfrist eine Sanktion dafür darstellt, dass der Vermieter zunächst eine nach den Maßstäben der Ortsüblichkeit unzulässige Miete vereinbart und die in einem solchen Fall von ihm geschuldete Auskunft zur Vormiete vor Vertragsabschluss nicht erteilt hat, ist es unangebracht und nicht sachgerecht, dem Mieter derartige Pflichten bzw. Risiken aufzuerlegen. Der Vermieter allein profitiert von den seinerseits postulierten materiellen Rechten; er selbst hat daher auch klar, transparent und unmissverständlich für die förmliche Umsetzung seiner Interessen einzustehen.
3) Gelegenheit zur Stellungnahme besteht binnen zwei Wochen. In dieser Frist müsste auch eine etwa aus Kostengründen beabsichtigte Rücknahme der Berufung bei Gericht eingegangen sein.
4) Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für den Berufungsrechtszug auf 15.322,44 € festzusetzen. Dies entspricht der Differenz der vom Amtsgericht festgestellten Miete zur vertraglich vereinbarten Miete multipliziert mit 42.
25.02.2022