Leitsatz:
Zur Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs eines Wohnungsmieters an einen Inkassodienstleister auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556 d ff. BGB), verbunden mit der Aufforderung an den Vermieter, künftig von dem Mieter nicht mehr die als überhöht gerügte Miete zu verlangen und diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen (hier: Abgrenzung der einem registrierten Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF gestatteten Forderungseinziehung von unzulässigen Maßnahmen der Anspruchsabwehr).
BGH vom 30.3.2022 – VIII ZR 121/21 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 26 Seiten]
Ein Rechtsdienstleister, eine Gesellschaft mit begrenzter Haftung, die über eine Registrierung gemäß § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, bietet Wohnungsmietern über die von ihr betriebene Internetseite „www.w… .de“ unter anderem die Möglichkeit an, sie durch Klicken eines Buttons, der die Aufschrift „Mietsenkung beauftragen“ trägt, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen ihren Vermieter „im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse“ zu beauftragen, insbesondere im Falle von Auskunftsansprüchen, des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, des Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt, des Anspruchs auf (teilweise) Rückzahlung beziehungsweise (teilweise) Freigabe der Mietkaution sowie gegebenenfalls weiterer Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung der Miete.
Dazu heißt es in der dem Rechtsdienstleister erteilten Vollmacht und in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem, dass der Mieter ihn mit der Geltendmachung des „Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt“, und mit der Verfolgung „weiterer Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung“ der Miete beauftrage. In diesem Zusammenhang tritt der Mieter sämtliche vorstehend genannten Ansprüche gegen seinen Vermieter samt Nebenforderungen – den Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die vier nach der Rüge gemäß § 556 g Abs. 2 BGB fälligen Monatsmieten – an den Rechtsdienstleister ab.
Mit Schreiben vom 15.12.2017 rügte der Rechtsdienstleister gegenüber einem Vermieter – unter Berufung auf eine Beauftragung und Bevollmächtigung durch den Mieter – gemäß § 556 g Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen die Vorschriften der „Mietpreisbreme“ in Bezug auf die vermietete Wohnung. Er verlangte mit diesem Schreiben unter Fristsetzung Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrte er die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung des Vermieters, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde. Nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist wiederholte der Rechtsdienstleister mit Schreiben vom 2.1.2018 seine vorstehend genannten Begehren und verlangte mit erneuter Fristsetzung unter anderem die Rückerstattung zu viel gezahlter Miete sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Der Vermieter reagierte nicht. Es kam zum Prozess, in dem der Rechtsdienstleister die Erteilung näher bezeichneter Auskünfte im Zusammenhang mit den Regelungen über die „Mietpreisbremse“ verlangt und die Rückzahlung von 198,06 Euro Miete für einen – nicht näher bezeichneten – Monat sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 731,55 Euro, jeweils nebst Zinsen, begehrt.
Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin wies die Klage unter anderem mit der Begründung ab, dass der Rechtsdienstleister nicht befugt sei, diesbezügliche Ansprüche durchzusetzen.
Der BGH verwies auf seine bisherige Rechtsprechung und hob das Urteil des LG Berlin auf.
Entgegen der vom Berufungsgericht nach wie vor vertretenen Auffassung seien die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB in Verbindung mit den Bestimmungen des § 3 Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) sowie der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht gegeben. Denn die von dem Rechtsdienstleister, der als Inkassodienstleister bei der zuständigen Behörde registriert sei, für den Mieter erbrachten Tätigkeiten seien durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt.
Anders als das Berufungsgericht meint, könne eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis des Rechtsdienstleisters nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an den für ihn handelnden Rechtsdienstleister darüber hinausgehend laute, für ihn die „Mietpreisbremse“ bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen.
Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, sei nicht als eine – einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete – Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handele sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von dem Rechtsdienstleister zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu diene, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.
28.06.2022