Leitsatz:
Zum Anspruch der Mieter auf Wiederherstellung des Gartenbewässerungsanschlusses.
BGH vom 22.2.2022 – VIII ZR 38/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mietvertrag vom 26.1.1977 über eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung in Dresden enthielt lediglich eine Regelung zur Nutzung eines Teils der Gartenfläche, nicht aber zum Vorhandensein und zur Verwendung eines Außenwasseranschlusses.
Der Mieter nutzte seit Beginn des Mietverhältnisses eine auf dem Grundstück befindliche Gartenfläche. Im Souterrain des Gebäudes („Waschhaus“) war zunächst ein Wasseranschluss installiert, aus dem die über einen Gartenanteil verfügenden Mieter Wasser zur Bewässerung ihrer Gärten entnahmen. Im Jahr 1995 verlegte die damalige Vermieterin den Wasseranschluss aus dem Souterrain an die Außenseite des Gebäudes und installierte eine separate Wasseruhr. Der Wasseranschluss wurde weiterhin von den Mietern zur Gartenbewässerung genutzt. Der jetzige Vermieter ließ im Jahr 2018 diesen Anschluss entfernen.
Er meinte, dass ein Außenwasseranschluss zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines Gartenanteils nicht zwingend erforderlich sei und daher vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht umfasst werde, weil es den Mietern ebenso gut möglich sei, zur Bewässerung eine Regentonne oder eine Gießkanne zu verwenden, mit der das Wasser aus der eigenen Wohnung entnommen werde. Der Mieter klagte in der Folge auf Wiederherstellung eines Außenwasseranschlusses.
Das Landgericht gab der Klage des Mieters statt. Die dagegen eingelegte Revision ließ der BGH nicht zu. Er bestätigte aber im Ergebnis die Rechtsauffassung des Landgerichts.
Der Mieter könne gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wiederherstellung des Außenwasseranschlusses verlangen. Der Vermieter sei nach den ergänzend auszulegenden mietvertraglichen Vereinbarungen zur Instandhaltung dieses Anschlusses und nach dessen Entfernung zu dessen Wiederherstellung verpflichtet.
Das Berufungsgericht habe den Mietvertrag zutreffend dahingehend ergänzend ausgelegt, dass der vertragsgemäße Gebrauch der vermieteten Gartenfläche vorliegend die Überlassung und hiermit korrespondierend auch die Instandhaltung beziehungsweise Wiederherstellung eines funktionsfähigen Außenwasseranschlusses umfasse.
Der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB werde, wenn – wie hier – es an einer vertraglichen Vereinbarung fehle, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – gegebenenfalls ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung bestimmt.
Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts sei dann der hypothetische Wille der Vertragspartner, wobei darauf abzustellen sei, was diese bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei sei zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, dessen Regelungen und Wertungen sowie Sinn und Zweck Ausgangspunkt der Vertragsergänzung seien. Die Nutzung des Wasseranschlusses im „Waschhaus“ zur Bewirtschaftung des Gartens habe nach den üblichen in der DDR geltenden Gepflogenheiten bis zur Wiedervereinigung zur vertragsgemäßen Nutzung des Gartens gehört.
Das Landgericht habe daher im Wege einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zutreffend festgestellt, dass der stattdessen später gelegte Außenwasseranschluss der Durchführung der Gartenpflege durch den Mieter diene und daher zur Gebrauchsüberlassungspflicht (des Vermieters) gehöre. Im Hinblick darauf habe es den Außenwasseranschluss als „Bestandteil des Mietvertrags“ angesehen.
Anschlüsse zählten nicht nur dann zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietsache, wenn sie für deren Nutzung zwingend notwendig seien. Vielmehr komme es auf die gesamten Umstände des Mietverhältnisses an, aus denen der dem Mieter zu gewährende Standard abzuleiten sei. Dementsprechend sei es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die seit Beginn des Mietverhältnisses bestehende – außerhalb der Mietwohnung gelegene – Bewässerungsmöglichkeit für die Gärten der Mieter und die übliche Nutzung der Gartenfläche zum Anbau von Gemüse, Blumen und anderen Pflanzen den Wasseranschluss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als von dem vertragsgemäßen Gebrauch umfasst angesehen habe.
24.10.2022